Rheinland-Pfalz IHKs: Viel Zeit bei Zukunftsthema Biotechnologie verloren

Die Biotechnologie ist besonders erfolgreich in der Medikamentenforschung und -herstellung, wie das Beispiel Biontech zeigt.
Die Biotechnologie ist besonders erfolgreich in der Medikamentenforschung und -herstellung, wie das Beispiel Biontech zeigt.

Biotechnologie gilt als eine Schlüsselbranche. Der Impfstoffhersteller Biontech ist weltweit Aushängeschild für Mainz und Rheinland-Pfalz. Doch die Wirtschaft kritisiert: Die Politik packt die Chancen nicht beherzt genug an.

Die Industrie- und Handelskammern in Rheinland-Pfalz fürchten, dass Rheinland-Pfalz bei der Förderung der Biotechnologie wertvolle Zeit verliert. „Alle reden davon, wie wichtig Biotechnologie für Rheinland-Pfalz ist, doch wenn es an die konkrete Umsetzung geht, betreiben die Kommunen Kirchturmpolitik“, sagte der Hauptgeschäftsführer der IHK Rheinhessen, Günter Jertz, der Deutschen Presse-Agentur.

Doch nicht nur auf kommunaler, sondern auch auf Landesebene müsse das Zukunftsthema entschlossener angepackt werden, fordert der Sprecher der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz, Arne Rössel. Seit der Gründung des Biotechnologie-Beirats der Landesregierung vor einem Dreivierteljahr sei viel Zeit verloren worden. Rheinland-Pfalz sei ein kleines Bundesland und deshalb müsse „massive Schnelligkeit unser Alleinstellungsmerkmal“ sein.

„Das hätte man schnell machen können“

Rössel, der auch Hauptgeschäftsführer der IHK Koblenz ist, sieht strukturelle Mängel bei der Aufstellung des Landes in der Biotechnologie-Förderung. So könne Landeskoordinator Georg Krausch, der im Hauptberuf Präsident der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität ist, nicht in kommunalen Runden gemeinsam mit Landräten und Wissenschaftsminister Clemens Hoch (SPD) darüber nachdenken, wie sich Land und Kommunen bei dem Thema vernünftig miteinander verknüpfen können.

„Entweder müsste im Wissenschaftsministerium oder in der Staatskanzlei eine Stabstelle geschaffen werden, die mit zwei, drei Leuten generalstabsmäßig koordiniert, moderiert und nach vorne geht“, schlägt Rössel vor. Die Mitarbeiter dort müssten zu hundert Prozent Zeit für diese Aufgabe haben. Alternativ könne auch eine externe GmbH-Struktur geschaffen werden. „Das hätte man schnell machen können“, sagte er.

Nach seiner Ansicht fehlt es an Tempo. So werde die vom Land in Auftrag gegebene Studie zum Biontechnologie-Standort zu dem erwartbaren Ergebnis kommen, dass Rheinland-Pfalz Potenziale habe und es neben der Landeshauptstadt wichtige weitere Standorte gebe und diese vernetzt werden müssten. Das hätte man aber schon alles bereits erledigen können, kritisierte Rössel. „Da wird eine Riesen-Studie in Auftrag gegeben, an der ein Jahr lang geschrieben wird.“

„Lange Umsetzungszeiten nicht angemessen“

Im nächsten Frühjahr solle die Studie dann vorgestellt werden, und dann werde man wahrscheinlich noch einmal ein Jahr brauchen, bis es an die Umsetzung gehe. „Eine fundierte Standortbestimmung ist sicher richtig – nur sind die langen Umsetzungszeiten der Situation nicht angemessen“, sagte er.

Wichtig sei auch ein besseres Marketing, damit Rheinland-Pfalz besser als Biotechnologie-Standort wahrgenommen und für Fachkräfte von außen attraktiv werde. „Die werden nicht alle in Mainz wohnen können“, sagte er. „Wir brauchen also auch ein Wohnraum- und Verkehrskonzept, das über die Stadt hinausgeht sowie eine Verbesserung im Öffentlichen Personennahverkehr in die Fläche hinein, damit man die einzelnen Perlen der Biotech-Industrie wie Idar-Oberstein und Ludwigshafen vernünftig miteinander vernetzt.“

Der Biotechnologie-Beirat der Landesregierung wurde im März gegründet. Vorsitzende ist die Deutschland-Chefin des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim, Sabine Nikolaus. Außerdem gehören ihm weitere Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft an wie die beiden Biontech-Mitgründer Özlem Türeci und Christoph Huber, Schott-Chef Frank Heinricht, BASF-Vorstand Melanie Maas-Brunner sowie Vertreter aus Verbänden und Politik. Sie arbeiten ehrenamtlich im Beirat. Die Landesregierung will Rheinland-Pfalz zu einem international führenden Biotechnologie-Standort ausbauen. Das Expertengremium spielt eine wichtige Rolle bei der Umsetzung dieses Vorhabens, das zu den Hauptzielen der Ampelkoalition gehört.

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