Online-Einkauf In Deutschland wenig Appetit auf Nahrungsmittel aus dem Netz

Der Lebensmitteleinkauf ist in Deutschland einfach: Meist gibt es Läden in der Nähe.
Der Lebensmitteleinkauf ist in Deutschland einfach: Meist gibt es Läden in der Nähe.

Die Verbraucher in Deutschland sind begeisterte Online-Shopper, wenn es um Mode, Elektronik oder Reisen geht. Bei Lebensmitteln, die im Internet bestellt werden, sind sie jedoch Schlusslicht in Europa. Eine Studie hat untersucht, woran das liegt.

Die Verbraucher in Deutschland kaufen gerne im Internet ein. Wenn es um Mode, Elektronik oder Reisen geht, gehören sie nach eine aktuellen Studie des Marktforschungsunternehmens NielsenIQ sogar zu den Vorreitern des E-Commerce in Europa. Nur in einem Bereich hinken sie hinterher: bei Lebensmitteln und bei Konsumgütern wie etwa Körperpflegeprodukten. Hier halten die meisten Menschen hierzulande den stationären Läden von Rewe, Edeka, Aldi, Lidl und Drogerieketten die Treue.

„Beim Onlinehandel mit Lebensmitteln und anderen Konsumgütern ist Deutschland das Schlusslicht in Europa“, fasst der Handelsexperte Thomas Montiel Castro von NielsenIQ das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung der Marktforscher zusammen. „Deutschland liegt hier wirklich massiv zurück – und daran hat auch Corona nichts geändert.“

Neue E-Fahrradkuriere liefern binnen Minuten

Die Aussage verblüfft im ersten Moment. Denn im Online-Lebensmittelhandel in Deutschland ist derzeit gefühlt so viel los wie noch nie zuvor. Eine fast schon unübersehbare Menge neuer Lieferdienste wie Gorillas oder Flink drängt mit Hunderten Millionen Euro Wagniskapital im Rücken auf den Markt und macht den etablierten Lebensmittelhändlern Konkurrenz. Spezialität dieser Anbieter ist das Schnelligkeitsversprechen, das sie dank ihrer E-Fahrradkuriere den Kunden geben: Geliefert wird binnen Minuten.

In immer mehr Städten kurven mittlerweile auch die kleinen Elektrowagen von Picnic durch die Straßen. Picnic beliefert nach eigenen Angaben mittlerweile über 250.000 Kunden in über 45 Städten Nordrhein-Westfalens. Flink bringt nach eigenen Angaben in 41 Städten bundesweit die bestellte Ware innerhalb von Minuten ins Haus. Konkurrent Gorillas verspricht aktuell in 23 Städten die Lieferung der Bestellung innerhalb von zehn Minuten. Und auch der Kölner Handelsriese Rewe, der unter den etablierten deutschen Handelsketten eine Vorreiterrolle beim Thema E-Commerce einnimmt, baut sein Online-Standbein kontinuierlich aus. „Wir haben die Umsätze im E-Commerce in diesem Jahr erneut um rund 50 Prozent gesteigert – auf über 700 Millionen Euro“, sagt Rewe-Chef Lionel Souque. Rewe biete aktuell in 75 Städten einen Lieferservice für online bestellte Waren und werde im kommenden Jahr dieses Angebot auf das Ruhrgebiet ausweiten. Außerdem bietet die Handelskette in immer mehr Läden die Möglichkeit, online bestelle Ware fertig verpackt abzuholen.

Rewe ist am Lieferdienst Flinc beteiligt

Die Konkurrenz von Gorillas, Flink, Picnic und Co. sieht Souque gelassen. „Das wächst sehr schnell, ist aber noch total unprofitabel“, meint der Manager. Doch räumt er auch ein: „Das wird nicht wieder verschwinden. Denn für einen Teil der Kunden sind solche Angebote sehr interessant. Aber am Ende werden nur ein oder zwei Anbieter überleben.“ Rewe selbst hat sich mit einer Beteiligung von unter 10 Prozent an dem E-Bike-Schnelllieferdienst Flink beteiligt, um auch in diesem Bereich präsent zu sein.

Doch gilt das Hauptaugenmerk von Rewe dem eigenen Liefer- und Abholservice. Geld verdient der Handelsriese mit dem E-Commerce-Angebot immer noch nicht. „Bis wir im Onlinehandel schwarze Zahlen schreiben, wird es noch ein paar Jahre dauern – aber das wird kommen“, zeigt sich Souque zuversichtlich.

Auswahl an Lebensmittelläden in Deutschland groß

Trotz dieser Bemühungen spielt der Onlinehandel mit Lebensmitteln und anderen Konsumgütern NielsenIQ zufolge in Deutschland nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Nicht einmal 2 Prozent der Umsätze bei Lebensmitteln und Konsumgütern entfallen nach den Daten der Marktforscher auf den E-Commerce. Zum Vergleich: In Großbritannien sind es 13,8 Prozent und in Frankreich immerhin 10,8 Prozent.

„Konsumgüter werden im Internet hauptsächlich gekauft, wenn es gefühlt keine andere Möglichkeit gibt, an die Produkte zu kommen“, beschreibt Montiel Castro die Lage in Deutschland. Zum großen Teil gehe es um Nischenprodukte, die im Supermarkt nebenan schwer zu bekommen seien – oder darum, das Schleppen schwerer Lasten zu vermeiden.

Ein wichtiger Grund für den geringen Erfolg der Onlineangebote liegt, in der großen Anzahl an Supermärkten, Discountern und Drogeriemärkten in Deutschland, da sind sich die Experten einig. Meist ist der nächste Laden nur ein paar Minuten Fußmarsch entfernt.

Handelsketten scheuen Online-Handel mit Lebensmitteln

Aber es gibt auch noch eine andere Ursache. Anders als in anderen EU-Ländern seien die meisten großen Handelsketten in Deutschland online nicht sehr präsent, betont Montiel Castro. Nach einer aktuellen Studie des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH) haben nur rund 24 Prozent der Menschen in Deutschland online eine wirkliche Auswahl zwischen Anbietern mit Auslieferung. „In Deutschland fehlt es noch an ausreichenden Konsumgüterangeboten im Internet. Gäbe es die, würden auch mehr Menschen ihre großen Wochenendeinkäufe online erledigen“, ist sich Montiel Castro sicher.

Wann der große Durchbruch für den Onlinehandel auch bei Lebensmitteln kommt, liegt für den NielsenIQ-Experten deshalb vor allem in den Händen von Edeka, Aldi und Co.. „Dazu müssen die großen Handelsketten ihr Onlineangebot deutlich ausbauen – und das im ganzen Land, nicht nur in einigen Ballungsgebieten.“

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