Wirtschaft Kommentar: Gefährliche Reform-Falle

Das größte Risiko der

Niedrigzinspolitik der EZB liegt

darin, dass Euro-Staaten notwendige Reformen nicht angehen.

Des einen Freud ist des anderen Leid. Das Sprichwort drückt treffend aus, was die Deutsche Bundesbank in ihrer jüngsten Analyse über die Euro-Zone festgestellt hat. Rund 1 Billion Euro haben die Finanzminister der Euro-Staaten in den vergangenen neun Jahren an Zinsen gespart, weil die Europäische Zentralbank den Leitzins nach der Finanzkrise auf 0 Prozent gesenkt hat. Auf der anderen Seite aber sind den Sparern durch die Niedrigzinspolitik Milliarden an Zinseinnahmen entgangen – zumindest dann, wenn sie auf Nummer sicher gehen wollten und nicht etwa in Aktien oder andere mehr oder weniger riskante Anlageformen investiert haben. Dennoch ist das Leid der Sparer in Deutschland durchaus begrenzt. Ja, es gibt keine oder nur wenig Zinsen auf sichere Anlagen. Aber die Fälle, in denen Banken (vorerst nur einige Volksbanken) von ihren Privatkunden Negativzinsen verlangen, sind bisher selten. Dafür aber können sich der Finanzminister und die Bundesregierung über Einsparungen von 240 Milliarden Euro freuen und daher auf Steuererhöhungen verzichten und vielleicht auch die eine oder andere Wohltat für den Steuerzahler beschließen. Das ändert nichts daran, dass das Vermögen in Deutschland ungleich verteilt ist, dass die Reichen eher reicher, die Armen eher ärmer werden. Aber das ist kein Phänomen, das man allein der Niedrigzinspolitik zuschreiben kann. 5 Prozent Zinsen bei 5 Prozent Inflation hätten den gleichen Effekt. Das Risiko der Niedrigzinspolitik der EZB liegt vielmehr darin, dass notwendige Strukturreformen der Staaten aufgeschoben werden. Der Weg zurück zur Normalität ist noch lang.

x