Studie Sorglose Notenbanker verschärfen Inflation

Die Frankfurter Innenstadt mit der EZB rechts im Vordergrund: Wirtschaftsforscher werfen der Notenbank vor, zu zögerlich gegen d
Die Frankfurter Innenstadt mit der EZB rechts im Vordergrund: Wirtschaftsforscher werfen der Notenbank vor, zu zögerlich gegen die Inflation vorgegangen zu sein.

Hat die Europäische Zentralbank die Teuerungswelle verschlafen? Eine Studie liefert für die Währungshüter wenig schmeichelhafte Erkenntnisse.

Der rasante Anstieg der Verbraucherpreise ab Mitte 2021 erwischte die Europäische Zentralbank (EZB) auf dem falschen Fuß. Das Thema erhitzt die Gemüter, denn Inflation trifft die Menschen dort, wo es schmerzt: im Geldbeutel. Inzwischen ist die Teuerung wieder weitgehend unter Kontrolle. Als Gründe für den rasanten Anstieg der vergangenen Jahre gelten vor allem externe Faktoren: Die Corona-Pandemie und die Energiepreiskrise im Zuge von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Doch die Frage nach geldpolitischen Versäumnissen bleibt aktuell.

Die Ergebnisse einer neuen Studie von Forschern des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sind vor diesem Hintergrund brisant. „Unsere Berechnungen zeigen, dass in der jüngsten Inflationswelle der Preisanstieg mit einer frühzeitigen Zinsanhebung schneller gebremst worden wäre und sich die Wirtschaft schon bis letztes Jahr erholt hätte“, so der DIW-Ökonom Ben Schumann.

Preisschub durch hohe Energiekosten

Die Studie deute sogar darauf hin, dass Notenbanker mit ihrem zögerlichen Handeln zu einem weiteren Anstieg der Preise beigetragen hätten, schreiben die Wirtschaftsforscher: Hätte sich die EZB konsequenter auf ihre Hauptaufgabe konzentriert, nämlich für Preisstabilität zu sorgen, wäre es nicht zu zweistelligen Inflationsraten gekommen. Eine anhaltend lockere Geldpolitik habe eine wichtige Rolle dabei gespielt, dass die Teuerung das höchste je im Euroraum gemessene Niveau erreichen und im zweiten Halbjahr 2022 über zehn Prozent steigen konnte.

Dass die EZB die Zinsen im Frühjahr 2022 nicht anhob, obwohl die Verbraucherpreisentwicklung zusehends aus dem Ruder lief, begründete Notenbankchefin Christine Lagarde damals mit eingeschränkten Wirkungsmöglichkeiten. Da der Inflationsschub vor allem auf gestiegene Energiepreise zurückzuführen sei, könne er mit Zinsanhebungen nicht gut gebremst werden. Dieser Annahme widersprechen die DIW-Experten jedoch. Sie meinen: Ein entschiedeneres Vorgehen der EZB hätte nicht nur der Verteuerung von Energie entgegenwirken können, sondern wäre auch ein wichtiges Bekenntnis für ein stabiles Preisniveau insgesamt gewesen und hätte damit die Inflationserwartungen gedämpft.

Fokus auf Preisstabilität

Allerdings befand sich die Notenbank in einer kniffligen Situation, da sie die Erholung von der Corona-Krise wohl nicht abwürgen wollte. „Der EZB muss die Quadratur des Kreises gelingen, wenn die Inflation in wirtschaftlich schwierigen Zeiten steigt“, räumt Forscher Schumann ein. Zinserhöhungen, die die Inflation eindämmen, belasteten die Wirtschaft zusätzlich. Hierbei stünden die Währungshüter stets auch unter politischem Druck. So habe schon der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) 1972 behauptet: „Fünf Prozent Inflation sind leichter zu ertragen als fünf Prozent Arbeitslosigkeit.“

Jedoch wurde bei der Gründung der EZB 1998 aus diesem Grund ein so starker Fokus auf geldpolitische Unabhängigkeit und den Auftrag gelegt, Preisstabilität durch die Einhaltung eines Inflationsziels von 2,0 Prozent zu gewährleisten. Anders als die EZB hat etwa die US-Notenbank Fed ein duales Mandat, das die Währungshüter neben stabilen Preisen auch dazu verpflichtet, möglichst für Vollbeschäftigung zu sorgen.

Bei der Bewältigung der Teuerungswelle waren nicht nur Europas Währungshüter spät dran. In den USA begannen die Zinserhöhungen 2022 zwar ein paar Monate früher, doch auch die Fed wurde von Kritikern wie dem Starökonom Mohamed El-Erian angegangen, zu langsam reagiert zu haben. Letztlich gestand US-Notenbankchef Jerome Powell ein, dass der Inflationsschub eben nicht, wie von der Fed zunächst angenommen, nur kurzlebig und vorübergehend war. Weil die großen Notenbanken so spät begannen, mussten sie die Zinsen dann umso aggressiver anheben – mit entsprechender wirtschaftlicher Bremswirkung.

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