Wirtschaft Viel Neues, aber keine Brüller

Fahren wie im Rennwagen: Ein Trend bei Computerspielen ist es, in die Jahre gekommene Spiele auf den aktuellen technischen Stand
Fahren wie im Rennwagen: Ein Trend bei Computerspielen ist es, in die Jahre gekommene Spiele auf den aktuellen technischen Stand zu bringen. Die Hersteller passen Grafik und Sound auf heutige Standards an.

«Köln». Sony hat seine Position als Marktführer bei Spiele-Konsolen zementiert, Microsoft versucht, Boden gut zu machen, Nintendo kocht wieder sein eigenes Süppchen, und Virtual-Reality ist noch immer kein Massenmarkt. Markus Schwerdtel, Director Digital Media bei den Spielemagazinen „Gamestar“ und „Gamepro“, spricht von einem „Seitwärts-Jahr“: „Die coolen Sachen sind da, große Neuigkeiten noch nicht in Sicht.“

Seit fast drei Jahren sind Virtual-Reality-Brillen (VR-Brillen) das Thema in der Computer- und Videospielebranche. Mit großem Aufwand zeigen sich die Hersteller Jahr für Jahr auf der Computerspielemesse Gamescom. Auch in der kommenden Woche werden die VR-Systeme HTC Vive, Sonys Playstation VR und die Oculus Rift ihre Auftritte haben. Die Messe in Köln beginnt am Dienstag mit einem Fachbesuchertag, Mittwoch bis Samstag sind die Publikumstage. Richtig durchgesetzt haben sich die VR-Spielgeräte bislang noch nicht – auch ohne die teure Hardware lässt es sich als Spieler gut leben. „Die Killer-Applikation fehlt bei der VR-Geschichte noch. Also das eine Spiel, das jeder spielen will und sich dafür extra die Hardware anschafft“, schildert Schwerdtel: „Und meiner Meinung nach ist kein Muss-Spiel in Sicht.“ Die Playstation 4 von Sony, mit 63,3 Millionen verkauften Geräten (Stand Anfang August) ist weiterhin die erfolgreichste Spielekonsole dieser Generation. Daran werde auch Microsofts neues Flaggschiff, die Xbox One X nichts ändern, schätzt Schwerdtel: „Das ist Hardware für Enthusiasten. Einen 4K-Fernseher haben noch die wenigsten zu Hause stehen.“ Die teuerere und leistungsstärkere Variante der Xbox One sorge allerdings tatsächlich für wunderschöne Spiele. „Bei Sony fehlen momentan die echten Brüller“, sagt Schwerdtel, der zur Gamescom keinen Paukenschlag von den Japanern erwartet: „Die Playstation 4 verkauft sich gut und das Geschäft läuft prima.“ Sony strecke vorsichtig seine Fühler in den Casual-Spiele-Bereich aus, entwickele derzeit verstärkt Spiele für Gelegenheitsspieler. Dieses Feld war bislang vornehmlich von Nintendo besetzt. Deren Konsolen Wii und WiiU waren für viele Eltern und Großeltern der erste Kontakt zur Videospielewelt. Seit fast einem halben Jahr ist die Nintendo Switch erhältlich, die sich mit über 4,7 Millionen Geräte blendend verkauft hat. „Da stehen jetzt die Spiele im Mittelpunkt“, sagt Schwerdtel. Er rechnet damit, dass Nintendo bald erste Bundles ankündigt – also Pakete, die neben der Konsole auch ein oder mehrere Spiele enthalten. Bislang gibt’s die Switch nur allein. Bei Microsoft und Sony sind Bundles gang und gäbe. Eine Playstation 5 wird nach Schwerdtels Prognose so schnell nicht kommen: „Wir werden eher schrittweise Weiterentwicklungen sehen, wie die Playstation 4 Pro oder die Xbox One X. Die Spiele werden dann je nach Hardwareausstattung skaliert, so wie beim PC.“ Leistungsstärkere Computer liefern beim gleichen Spiel bessere Grafik- und Soundeffekte. „Der PC als Spielgerät stirbt nie“, sagt Schwerdtel. Schon oft sei der Computer abgeschrieben worden. Als wichtiges Indiz für seine These nennt Schwerdtel Spieleentwickler wie Blizzard Entertainment, die einige Spielemarken exklusiv für den PC entwickeln. Ein Trend im PC-Sektor sei es gerade, in die Jahre gekommene Spiele auf den aktuellen technischen Stand zu bringen – und erneut zu verkaufen. Schwerdtel: „Die Spielmechaniken funktionieren oft auch heute noch gut. Die Hersteller passen Grafik und Sound auf heutige Standards an.“ Eine weitere Entwicklung in der Computer- und Videospielebranche umschreibt Schwerdtel mit dem Begriff Games as a Service, die Spielehersteller achteten mittlerweile verstärkt darauf, ihre Spiele ständig weiterzuentwickeln – statt immer wieder neue Spiele zu entwickeln. Geld lasse sich dabei einmalig mit dem Verkauf der Spiele verdienen, anschließend klingele die Kasse, wenn Spieler sich virtuelle Gegenstände leisten oder neue Spielinhalte kaufen. Schwerdtel: „So bleiben Spieler ihren Games länger treu. Schließlich gibt’s immer wieder etwas Neues zu entdecken.“ Selbst, wenn das Spiel schon Jahre auf dem Buckel hat.

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