Rechts-Tipp Wann Eltern wirklich für Kinder haften
Mit dem Fußball Nachbars Scheibe eingeschossen, mit dem Fahrradlenker an einem fremden Auto hängengeblieben: Spätestens wenn Kinder mobiler werden, besteht die Gefahr, dass sie Dritten versehentlich einen Schaden zufügen – zum Beispiel beim Spielen oder Toben. Eltern stehen dann oft vor der Frage: Sind die Kinder oder sie selbst dafür haftbar zu machen? Die unbefriedigende Antwort: Es kommt darauf an.
„Bis zum siebten Lebensjahr sind Kinder grundsätzlich nicht deliktfähig“, sagt Rechtsanwältin Eva Becker. Darum seien sie weder zivil- noch strafrechtlich für einen von ihnen verursachten Schaden zu belangen, sagt Becker, die Vorstandsmitglied und Vorsitzende des Ausschusses Familienrecht im Deutschen Anwaltverein ist.
Ab ihrem siebten Geburtstag können Kinder laut der Verbraucherzentrale Brandenburg sehr wohl für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen werden. Allerdings nur dann, wenn davon auszugehen ist, dass das Kind zum Zeitpunkt des Schadens reif genug war, die Gefahrensituation einzuschätzen. Ist das der Fall, können Kinder grundsätzlich verpflichtet werden, Schmerzensgeld oder Schadenersatz zu leisten.
Ab sieben Jahren haften Kinder selbst für ihr Handeln
Eva Becker gibt ein Beispiel: Ein Achtjähriger, der mit einer ihm unbekannten, brennbaren Flüssigkeit hantiert, wodurch es zu einem Brandschaden kommt, wird unter Umständen nicht haftbar gemacht werden können. Einem Elfjährigen, der mit Papier und Feuerzeug zündelt, dürfte die Gefahr, die davon ausgeht, hingegen sehr wohl bewusst sein. Auf solche Feinheiten werde ein Gericht am Ende sehr sicher achten, so Becker.
Das Problem ist aber: Selbst, wenn Kindern eine hinreichende Einsichtsfähigkeit unterstellt werden kann und mögliche Ansprüche gegen sie bestehen, können diese in der Regel nicht durchgesetzt werden. Der einfach Grund: Heranwachsende sind meist mittellos. Zwar können Schadenersatzansprüche laut Becker auch noch Jahre später geltend gemacht werden, weil sie erst nach 30 Jahren verjähren. In der Praxis komme das aber kaum vor.
An dieser Stelle kommen die Eltern ins Spiel. Denn auch sie können unter Umständen für einen Schaden in Anspruch genommen werden, den ihre Kinder verursacht haben, teilt die Verbraucherzentrale Brandenburg mit. Forderungen gegen sie sind immer dann vollstreckbar, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Wann eine solche Aufsichtspflichtverletzung vorliegt, lässt sich nicht konkret abstecken und hängt immer vom Einzelfall ab. Gerichte haben dabei verschiedene Maßgaben zu beachten, sagt Becker. Denn einerseits müssen sich Eltern natürlich um ihre Kinder kümmern und diese beaufsichtigen. Andererseits gibt es dabei auch Grenzen, weil Eltern gehalten sind, die Eigenverantwortlichkeit ihres Kindes zu stärken. Wie ausgeprägt die Aufsicht am Ende erfolgen muss, hängt Eva Becker zufolge vom Alter, dem Entwicklungsstand und der Reife des Kindes ab. „Das generiert bei einem Zwei- oder Dreijährigen ganz andere Anforderungen als bei einem Zwölf- oder 13-Jährigen“, so Becker.
Ein Beispiel: Backt ein Kleinkind zusammen mit Freunden auf dem Spielplatz friedlich einen Sandkuchen, ist es der Rechtsanwältin zufolge völlig in Ordnung, wenn Eltern die Situation von einer Bank aus im Auge behalten, sich unterhalten oder auch mal kurz wegdrehen. Haut das Kind einem anderen in so einem Moment unvermittelt mit der Schippe auf den Kopf, werde das Gericht zu der Erkenntnis kommen, dass die Eltern im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles getan haben. „Daraus kann man ihnen keinen Strick drehen, Eltern sind nicht verpflichtet, ihren Kindern die Hände auf dem Rücken festzubinden“, sagt Becker.
Dass Mutter oder Vater in derselben Situation aber für zehn Minuten zum Café ums Eck gehen, sei keine gute Idee. Denn dann haben sie keinerlei Möglichkeit, bei sich anbahnenden, gefährlichen Entwicklungen einzuschreiten – etwa wenn das Kind von der Sandgrube auf das Klettergerüst wechselt oder auf der Suche nach dem Elternteil auf die Straße rennt.
Versicherung übernimmt manche Schäden
Haben Eltern eine Familienhaftpflichtversicherung, kann diese für Schäden aufkommen, die ihre Kinder anderen zufügen. Allerdings trete diese Police grundsätzlich nur dann ein, wenn auch eine gesetzliche Haftung bestehe, sagt Erik Schaarschmidt von der Verbraucherzentrale Brandenburg. Und das ist eben nur dann der Fall, wenn das Kind alt genug und einsichtsfähig ist oder die Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzt haben.
In der Praxis ist es Schaarschmidt zufolge aber häufig so, dass beispielsweise Nachbarn geschädigt werden, mit denen man künftig weiterhin gut auskommen möchte. Deshalb neigten Eltern häufig dazu, auch für Dinge einzustehen, für die sie und das Kind eigentlich nicht zur Rechenschaft gezogen werden könnten.
Diese Problematik haben manche Versicherer Schaarschmidt zufolge erkannt. Deswegen böten sie seit einigen Jahren – zum Teil in einem Extratarif – die Übernahme auch für solche Schäden an. „Das muss aber in den Versicherungsbedingungen ausgewiesen sein“, sagt der Verbraucherschützer.