Wirtschaft Wegen Abgastests am Pranger

«Wolfsburg/München». Zehn Affen und der unglaubliche Verdacht, an Menschen experimentiert zu haben: Was das Diesel-Image verbessern sollte, versetzt den Autobauern nun einen schweren Schlag. Politiker und Umweltschützer sind empört, VW verspricht Aufklärung.

Deutschlands Autobauer haben sich mit einem Schlag wieder mitten in den Abgasskandal katapultiert: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte die umstrittenen Diesel-Schadstofftests an Affen scharf und forderte Aufklärung. „Diese Tests an Affen oder sogar Menschen sind ethisch in keiner Weise zu rechtfertigen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Für VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch sind die Versuche „in keinster Weise nachvollziehbar“. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil forderte umfassende Aufklärung, Betriebsratschef Bernd Osterloh verlangte personelle Konsequenzen. Zuvor war der Verdacht aufgekommen, dass es im Abgasskandal Schadstofftests nicht nur mit Affen, sondern auch mit Menschen gegeben haben soll. Dem Verdacht trat allerdings der zuständige Institutsleiter Thomas Kraus von der Universität Aachen entgegen: Eine entsprechende Studie befasse sich nicht mit der Dieselbelastung von Menschen. In der Studie von 2013 – lange vor Bekanntwerden des VW-Dieselskandals – gehe es um den Stickstoffdioxidgrenzwert am Arbeitsplatz, sagte er. 25 gesunde Menschen seien Konzentrationen ausgesetzt worden, die unterhalb der zulässigen Belastung am Arbeitsplatz lägen. Die Ethikkommission der Uniklinik Aachen habe die 2016 veröffentlichte Studie geprüft und genehmigt. Stickstoffdioxid (NO2) ist der Schadstoff, dessen Messwerte von VW in den USA jahrelang manipuliert worden waren, um die gesetzlichen Grenzwerte für Dieselfahrzeuge offiziell einzuhalten. Tierversuche beim Test von Dieselabgasen hatten Empörung ausgelöst. Sie wurden durch US-Ermittlungen zur VW-Abgasaffäre bekannt. Zehn Affen, genauer gesagt Javaneraffen oder Langschwanzmakaken, waren dabei gezielt Schadstoffen ausgesetzt worden. Kraus sagte, die NO2-Konzentration für die Aachener Studie sei dagegen vergleichbar mit der in der Umwelt gewesen. Die Probanden seien dieser Konzentration für drei Stunden ausgesetzt worden, gesundheitliche Effekte habe es nicht gegeben. „Es gibt keinen Zusammenhang mit dem Dieselskandal“, betonte er. Allerdings förderte die von VW, Daimler und BMW gegründete und inzwischen wieder aufgelöste Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) die Studie. Am Wochenende hatte sich VW für die Versuche in den USA entschuldigt, bei denen Affen gezielt Schadstoffen ausgesetzt worden waren. Diese Tests waren wiederum Teil einer Studie, die beweisen sollte, dass die Diesel-Schadstoffbelastung dank moderner Abgasreinigung stark abgenommen hat. In Auftrag gegeben hatten die EUGT diese Studie, federführend soll VW gewesen sein. „Im Namen des gesamten Aufsichtsrates distanziere ich mich mit allem Nachdruck von derlei Praktiken“, sagte Pötsch. Die Vorgänge müssten „vorbehaltlos und vollständig aufgeklärt werden“. Er kündigte an, dass sich der Aufsichtsrat bald mit dem Thema beschäftigen werde. „Wer auch immer dafür Verantwortung zu tragen hat, ist selbstverständlich zur Rechenschaft zu ziehen.“ Weil bezeichnete die Versuche als „absurd und widerlich“. Auch Betriebsratschef Osterloh erklärte, ethisch-moralische Grenzen seien überschritten worden. Im Februar wird eine Entscheidung über Fahrverbote in deutschen Städten wegen zu hoher Stickoxidwerte des Bundesverwaltungsgerichts erwartet. Das Umweltbundesamt listet über 90 deutsche Städte auf, in denen 2016 der als kritisch angesehene Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm Stickstoffoxiden je Kubikmeter Luft überschritten wurde. Kommentar/Nils fragt

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