Wirtschaft Zäher Kampf um verkaufsoffene Sonntage

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Ludwigshafen. Im Kampf gegen den stark wachsenden Online-Einkauf hat der Handelsverband Deutschland (HDE) gefordert, dass in Städten und Gemeinden die Geschäfte an zehn Sonntagen im Jahr geöffnet werden dürfen, ohne dass es dafür einen besonderen Anlass geben muss. Großen Handelshäusern wie Karstadt wäre auch dies noch zu wenig. Sie träumen von einer völligen Freigabe. In der Pfalz stoßen die HDE-Pläne, die auch im Widerspruch zu Gerichtsurteilen stehen, weitgehend auf Widerstand.

Mehr als die bisher vier in Rheinland-Pfalz möglichen verkaufsoffenen Sonntag hält die Industrie- und Handelskammer für die Pfalz (IHK) nicht für nötig. Die klassischen verkaufsoffenen Sonntage, in denen sich Innenstädte und Handel gemeinsam präsentieren, seien wichtig und identitätsstiftend, wenn sie mit einem guten Anlass verbunden seien, sagt der für Standortpolitik verantwortliche IHK-Geschäftsführer Jürgen Vogel. Ähnlich sieht dies Thomas Scherer, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbands Mittelrhein/Rheinhessen/Pfalz. Scherer wie Vogel befürworten bundeseinheitliche Regelungen, wie sie bis 2006 galten. Seitdem ist die Ladenöffnung Ländersache. So sieht das Gesetz in Baden-Württemberg nur maximal drei verkaufsoffene Sonntage im Jahr vor, in der Hauptstadt Berlin sind es hingegen acht. Mit Blick auf das Berliner Gesetz hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im Jahr 2010 geurteilt, dass jede Stadt vor einer Entscheidung „ausreichend zwischen dem Regelungsbedürfnis für die Freigabe und dem Schutzgut des Sonntags “ abwägen müsse. Das Bundesverwaltungsgericht hat 2015 die Vorschriften weiter verschärft: So muss es einen Zusammenhang zwischen dem verkaufsoffenen Sonntag und der besonderen Veranstaltung in einer Stadt geben. Städte müssten eine Prognose erstellen, ob die Anzahl der Besucher des Stadtfestes die Anzahl jener Besucher übersteigen wird, die alleine wegen der offenen Läden kommen würden. Entscheidend sei, so Vogel, dass das Gesetz nicht zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen einzelnen Standorten führt. Wichtig für die Städte und auch die Händler sei Rechtssicherheit. Die sieht Vogel, auch wegen vieler einzelner Klagen gegen Sonntags-Genehmigungen, derzeit nicht gegeben. Zudem stelle sich die Frage, ob die Regelungen noch zeitgemäß seien, sagt Vogel. So dürfen sonntags zwar Brötchen gekauft werden, frische Wurst hingegen nicht. Den Sonntagsschutz müsse man weiter ernst nehmen, den Innenstädten aber auch Luft zum Atmen lassen. Mehr Sorgen bereiten Scherer und auch IHK-Geschäftsführer Vogel die zwölf zusätzlichen Sonntage, die dem Outlet in Zweibrücken zustehen. Diese seien rechtswidrig, sagt Scherer. Die Landesregierung habe sie mit dem Verweis, sich an Feriensonntagen Reisebedarf für den Flug kaufen zu können, genehmigt. Doch seit dem 3. November 2014 hebt in Zweibrücken kein Flieger mehr ab. Und zudem: Das Flughafen-Gebäude ist relativ weit entfernt vom Outlet und klassischer Reisebedarf ist dort noch nie verkauft worden. Vogel bemängelt, dass Kirchen sowie die Gewerkschaft Verdi zwar immer wieder gegen einzelne Sonntagsöffnungen klagten, aber nicht gegen weitreichende Sonderrechte für das Outlet in Zweibrücken oder die 40 genehmigten Sonntage für das Schuheinkaufszentrum in Hauenstein. „Das ist Pharisäertum“. Bislang habe die Kammer vergeblich versucht, gegen die Sonderrechte vorzugehen, aber keine Mitstreiter gefunden, sagt Vogel. Sollte allerdings eine Klage gegen die Sondererlaubnis eingereicht werden, da sind sich IHK und Einzelhandelsverband relativ sicher, wäre es aus mit den zwölf Zusatzsonntagen. Klageberechtigt sind neben den Mitarbeitern, die Gewerkschaft Verdi sowie die Kirchen. Die Gewerkschaft Verdi lehnt den HDE-Vorstoß rundherum ab. Für die Mitarbeiter sei die Rechnung auf lange Sicht nicht vorteilhaft. In vielen Bereichen des Einzelhandels gebe es keine Tarifbindung und somit keine finanziellen Vorteile, sagte ein Sprecher. Auch aus Sicht der Betriebe seien verkaufsoffene Sonntage kein Zugewinn, da der Umsatz nur verlagert werde. Gemeinsam mit den Kirchen engagiert sich Verdi in der Allianz für den freien Sonntag. Zurückhaltender gibt sich Handelsverbands-Hauptgeschäftsführer Thomas Scherer. Er würde ein Anheben von den derzeit vier auf fünf verkaufsoffene Sonntage in Rheinland-Pfalz für realistisch erachten. Wünschenswert wäre, wenn einer davon ein offener Adventssonntag im Dezember wäre. Dies ist nach derzeit geltendem Landesgesetz jedoch nicht möglich. Geöffnet werden darf an einem Adventssonntag, wenn er im November liegt. Scherer sieht in verkaufsoffenen Sonntagen auch nicht unbedingt zusätzliche Umsatzbringer. Doch seien dies wichtige Tage für den Handel, aber auch für die Innenstädte, um sich dem Verbraucher zu präsentieren. Leitartikel

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