Wissen Erste Atomkern-Uhr: Neue Dimension der Zeitmessung

Der Atomkern ist der innerste, positiv geladene Teil eines Atoms.
Der Atomkern ist der innerste, positiv geladene Teil eines Atoms.

Atomuhren gibt es schon seit Jahrzehnten – nun ist einem internationalen Physikerteam zufolge ein entscheidender Schritt zu noch höherer Präzision gelungen: Präsentiert wurde die weltweit erste Atomkern-Uhr. Die Wissenschaftler der Technischen Universität (TU) Wien und von Jila, eines der größten US-Forschungsinstitute für Quantenphysik, haben nach eigenen Angaben eine hochpräzise optische Atomuhr mit einem Hochenergie-Lasersystem kombiniert und sie erfolgreich mit einem Kristall gekoppelt, der Thorium-Atomkerne enthält. „Die Thorium-Atomkerne können nun als Taktgeber genutzt werden und somit die Uhr noch exakter ticken lassen; die erste Atomkern-Uhr der Welt ist da“, berichtet Thorsten Schumm (TU Wien). Mit dem ersten Prototyp sei bewiesen: Man kann Thorium als Taktgeber für ultrahochpräzise Messungen verwenden.

Das Ticken eines Laserstrahls

Jede Uhr braucht einen Taktgeber – etwa das Schwingen des Pendels in der Pendeluhr. Präzisionsuhren nutzen dafür heute das Schwingen elektromagnetischer Wellen, gezählt werden die Schwingungen eines Laserstrahls. Doch die Frequenz eines Lasers kann sich im Lauf der Zeit ein bisschen ändern, dann muss man seine Frequenz nachjustieren.

„Deshalb benötigt man zusätzlich zum Laser ein Quantensystem, das äußerst empfindlich auf eine ganz bestimmte Laserfrequenz reagiert“, erklärt Schumm, der als Professor am Atominstitut der TU in Wien arbeitet. Das können zum Beispiel Cäsium- oder Strontium-Atome sein. Wenn sie mit Laserlicht einer ganz bestimmten Frequenz getroffen werden, dann wechseln die Elektronen dieser Atome zwischen zwei Quantenzuständen hin und her, und das könne man messen. Wenn sich die Laserfrequenz verändert, dann passe sie nicht mehr exakt zur Eigenfrequenz der Atome, die Atome werden nicht mehr so effizient angeregt. „Dann muss man den Laser nachjustieren. Durch diese Technik kann man die Laserfrequenz extrem stabil halten. Das ist das Grundprinzip einer Atomuhr“, erläutert Schumm.

Schon seit Jahrzehnten wusste man aber: Könnte man diesen Trick nicht mit einem Atom, sondern mit einem Atomkern ausführen, wäre noch viel höhere Präzision möglich. Atomkerne sind viel kleiner als Atome und reagieren viel weniger stark auf Störungen, etwa auf elektromagnetische Felder von außen. Das Problem dabei war nur: Um Atomkerne zwischen zwei Zuständen hin und her zu schalten, braucht man normalerweise mindestens 1000-mal mehr Energie als die Photonen eines Lasers haben.

Die einzige bekannte Ausnahme ist Thorium: „Thorium-Kerne haben zwei Zustände sehr ähnlicher Energie, sodass man sie mit Lasern umschalten kann. Damit das gelingt, muss man die Energiedifferenz zwischen diesen beiden Zuständen aber sehr genau kennen“, erläutert Schumm. Viele Jahre lang hätten Forschungsteams auf der ganzen Welt nach dem genauen Wert dieser Energiedifferenz gesucht, um Thorium-Kerne gezielt umschalten zu können. „Uns ist das erstmals gelungen“, betont er.

Naturgesetze untersuchen

Nun sei es geglückt, die Atomuhr des Jila, angesiedelt bei der US-Universität Colorado, mit Thorium-Atomkernen zu koppeln. Das noch keine Präzisionssteigerung erzielt worden sei gegenüber einer Atomuhr sei zu erwarten gewesen. „Uns ging es immer darum, eine neue Technologie zu entwickeln. Die Qualitätssteigerung kommt ganz von selbst. Die ersten Autos waren auch noch nicht schneller als Kutschen. Es ging darum, ein neues Konzept vorzustellen. Und genau das ist uns jetzt mit der Atomkern-Uhr gelungen“, sagt Schumm. Der Atomphysik-Professor rechnet damit, „die besten Atomuhren in zwei bis drei Jahren zu überholen“.

Die Technologie soll nicht nur deutlich präzisere Zeitmessungen ermöglichen als bisherige Uhren, auch andere physikalische Größen sollen sich in weiterer Folge präziser bestimmen lassen. In vielen Forschungsbereichen könnte die Thorium-Technologie wichtige Fortschritte liefern, von der Geologie bis zur Astrophysik. Eine der erhofften Anwendungen: Man könnte mit dieser extremen Präzision nun auch die fundamentalen Gesetze der Natur unter die Lupe nehmen und untersuchen, ob die Naturkonstanten vielleicht gar nicht perfekt konstant sind, sondern sich möglicherweise in Raum und Zeit ändern.

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