Wissen Kautschuk: Durch Rauch stabil und haltbar

Als Auto oder Fahrradreifen findet Kautschuk häufig Verwendung.
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Forscher reklamieren Entdeckung des modernen Gummis für indigene Völker

Die moderne Produktion von Gummi begann in den USA? Von wegen, sagt ein Wissenschaftler der Uni Augsburg. Ihm zufolge muss die Technikgeschichte umgeschrieben werden.

Indigene Völker haben einen größeren Beitrag zur Gummiherstellung geleistet als bisher angenommen. Wie die Universität Augsburg mitteilte, nahm man bis dato an, der einst von indigenen Völkern Südamerikas hergestellte Kautschuk sei für praktische Zwecke unbrauchbar gewesen, weil er bei Kälte brüchig und bei Hitze klebrig geworden sei und überdies rasch geschimmelt habe. Erst ein vom US-Amerikaner Charles Goodyear 1844 patentiertes Verfahren namens Vulkanisation, bei dem Schwefel und Hitze zusammenwirkten, habe aus dem Gummi ein brauchbares Produkt gemacht hat. Doch das sei falsch, so die Wissenschaftler.

Prozess anhand von Quellen rekonstruiert

Die Uni verweist auf Erkenntnisse ihres Chemikers und Philosophen Jens Soentgen. Dieser habe nachgewiesen, dass die indigenen Völker einen mehrstufigen Räucherungsprozess gekannt hätten. Dabei sei der Ausgangsstoff – ein aus dem Kautschukbaum gewonnener Milchsaft – chemisch so umgewandelt worden, dass man ein haltbares, elastisches Produkt erhalten habe. Der Wissenschaftler habe diesen Prozess anhand historischer Quellen rekonstruiert. Er nenne ihn organische Vulkanisation.

„Grundlage seiner Studie sind Berichte der Konquistadoren und später Berichte von Reisenden, die einen Zeitraum von ungefähr 1500 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts umspannen“, so die Uni. Schon Christoph Kolumbus habe von seiner zweiten Amerikareise einen Gummiball mitgebracht. „Der chemische Prozess, der zur Optimierung und Stabilisierung des Materials führt, lässt sich auf der Grundlage modernen Wissens über die Chemie der Räucherung erklären“, hieß es weiter. „Dabei wird der Rauch, den bestimmte Nüsse erzeugen, wenn sie in einem Lagerfeuer bei kleiner Flamme verbrannt werden, verwendet, um das Polymer zu stabilisieren und zu konservieren. Das so behandelte Gummiprodukt wird durch die im Rauch enthaltenen organischen Verbindungen stabil und haltbar.“

Beginn der modernen Geschichte des Gummis

Soentgen zeige, dass ohne diese organische Vulkanisation die moderne Geschichte des Gummis nie begonnen hätte. „Die Leistung Goodyears und anderer Chemiker bestand danach darin, eine Alternative zu diesem effizienten und ingeniösen Verfahren entwickelt zu haben, nämlich die Vulkanisation mit Schwefel.“

Soentgens Beitrag räume mit Technik- und Wissenschaftsgeschichte aus postkolonialer Perspektive auf, so die Uni. „Kautschuk ist dabei nur das prominenteste Beispiel, auch andere moderne Substanzen, die zum Beispiel in der Medizin bei der Narkose oder auch bei der Krebstherapie verwendet werden, beruhen, wie sich durch wissenschaftshistorische Studien zeigen lässt, auf indigenem Wissen.“

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