Hart am Rand Netflix-Serie: Ärger mit Emily

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Warum das französische Publikum die Netflix-Serie kritisiert – und sich trotzdem die neue Staffel ansieht.

Übertreibungen, Beschönigungen, Klischees, all das kannte man aus der ersten Staffel der Netflix-Serie „Emily in Paris“. Wer in Paris wohnte, erblickte seine Stadt in einem in der Realität nie gekannten Licht, ohne Müll oder Obdachlose. In der Wahlheimat für ein Jahr von Emily Cooper aus Chicago lebten elegante, aber übelgelaunte Menschen, die am späten Vormittag an ihrem Arbeitsplatz eintrudelten, kurz bevor sie sich in eine endlose Mittagspause mit ordentlich Rotwein verabschiedeten.

Diese Karikaturen ärgerten die einen und amüsierten die anderen. Wer sich Frankreichs Hauptstadt ohnehin immer als eine mit Zuckerguss überzogene Kulisse für romantische Rendezvous vorstellte oder Amerikanerinnen für Wesen hielt, die an jeder Straßenecke einen „amazing!“-Schrei tun, aber sonst konsequent an der Oberfläche bleiben, fühlte sich bestätigt.

Wenn es nun eine zweite Staffel gibt, dann weil die erste mit 58 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern die erfolgreichste Netflix-Serie 2020 war. Das Kulturmagazin „Les Inrocks“ versuchte zu erklären, warum die Serie auch bei Französinnen und Franzosen Erfolg hat: Ja – diese würden als „rückständige, unhöfliche und versnobte Idioten“ dargestellt, arbeitsscheu obendrein. Aber eben auch als Wesen, die anders seien, mit einem erlesenen Geschmack, sexueller Freiheit und einer Haltung zur Welt, die „für ihre vulgären Cousins in den USA unerreichbar bleibt“.

Insgesamt fällt die Kritik diesmal etwas milder aus. Und dass Emily im legendären Kino Le Champo das Meisterwerk „Jules und Jim“ von François Truffaut ansah, sorgte für Wohlwollen.

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