Pfalzgeschichte(n) Denkmalhauptstadt Speyer: Diese sonst nicht zugänglichen Orte können Sie erleben
In Sachen Denkmal hat Speyer zweifellos die Nase vorn. Und das schon sehr viel länger, als es in Deutschland den Tag des offenen Denkmals gibt. Gewissermaßen zeitgleich mit dessen Ursprüngen war Speyer schon einmal ganz oben auf dem Podest: 1984, als das rheinland-pfälzische Landesamt für Denkmalpflege den vier Jahre zuvor auf einer Amtschefkonferenz der Bundesländer gefassten Beschluss umsetzte und mit der Veröffentlichung seiner Denkmaltopografien begann. Der allererste Band dieser Inventarisierung von Baudenkmälern in Rheinland-Pfalz – mit einem Vorwort des damals amtierenden Kultusministers und Wahl-Speyerers Georg Gölter – war Speyer gewidmet.
40 Jahre ist das her, viele weitere Bände der kreisfreien Städte und Landkreise, auch in Neuauflagen, sollten folgen. Neue Denkmäler kamen hinzu, andere hat die Aufnahme in die Topografie dann doch nicht vor dem Verschwinden gerettet. Und obwohl die Digitalisierung mittlerweile gerade in diesem Bereich schneller den aktuellen Stand erfassen lässt als je zuvor, greift man doch hin und wieder gerne zu den einheitlich gestalteten Bänden mit den Schwarz-Weiß-Fotografien und den nüchternen Beschreibungen von Baukultur vergangener Epochen.
50 Länder, ein Ziel
Dass dies allerdings nicht genügt, um bei Menschen des 20. Jahrhunderts eine besondere Zuneigung für ihr historisches Erbe zu wecken, hat als erster der mittlerweile selbst denkmalverdächtige, zu etwas wie einer lebenden Legende gewordene damalige französische Kulturminister Jack Lang erkannt. 1984 gab es in Frankreich erstmals „Journées Portes ouvertes dans les monuments historiques“, Tage der offenen Türen in historischen Sehenswürdigkeiten. Die heißen mittlerweile Journées du patrimoine, finden meist eine Woche später als in Deutschland (in diesem Jahr wegen der Olympischen Spiele noch später, am 21. und 22. September) nicht nur an einem, sondern an zwei Tagen statt – und haben, wie überall in Europa, wo jetzt in 50 Ländern unter der Schirmherrschaft des Europarates „European Heritage Days“ stattfinden, begeisterten Zulauf. Auch wenn in jedem Land alles irgendwie ein bisschen verschieden ist.
In jedem Bundesland übrigens auch. Kultur ist schließlich Ländersache, und so gibt es auch 16 verschiedene deutsche Denkmalpflege-Gesetze. Bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die seit 1993 doch mit einigem Erfolg versucht, die bunte Denkmal-Vielfalt unter ein gemeinsames Dach zu bekommen, hat man durch Jahrzehnte der Erfahrung mit eigenwilligen Denkmalbesitzern wohl auch eine gewisse Erfahrung in der Kunst der Zusammenführung. Da macht es dann auch nichts, dass man sich in Bonn – wo die Stiftung ihren Sitz hat – alljährlich ein Motto für den Denkmaltag ausdenkt, in den Landesdenkmalämtern aber manchmal anders gedacht wird. Hauptsache, das Ziel wird erreicht: Historische Gebäude und Orte, von denen über das Jahr viele gar nicht oder nur teilweise zugänglich sind, für ein interessiertes Publikum zu öffnen und so Begeisterung zu wecken für das historische Erbe.
Wahrzeichen als wahre Zeichen
„Wahr–Zeichen. Zeitzeugen der Geschichte“ heißt das Motto der Stiftung 2024. „Denkmalpflege in der Stadt/Urbane Wahrzeichen“ lautet die diesmal gut passende Ergänzung hierzu aus dem Mainzer Innenministerium, in dem die für die Denkmalpflege im Land zuständige Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) seit geraumer Zeit angesiedelt ist. Gewissermaßen die Fortsetzung des Vorjahresprogramms, das seinen Landesschwerpunkt auf die Denkmäler des ländlichen Raums setzte.
„Wahr-Zeichen“ versteht die Stiftung mehrdeutig: Als allseits bekannte Wahrzeichen – wie das Brandenburger Tor in Berlin, Schloss Neuschwanstein bei Füssen, die Frauenkirche in Dresden. Oder eben den Dom zu Speyer als Wahrzeichen. In Zeiten, in denen durch Künstliche Intelligenz generierte Bilder das Verschwimmen von Grenzen zwischen Wahrheit und Realität ermöglichen, weisen die Denkmalpfleger auch auf die „wahren“ Zeugen der Vergangenheit hin, die aus erster Hand über die Lebenswelten früherer Generationen informieren: Wahre Zeichen der Zeit, die sich durchaus auch veränderten. Und deswegen bedeutet Denkmalpflege auch keineswegs unbedingtes Bewahren eines bestimmten Status quo.
Das und vieles mehr gilt es zu bedenken am Tag des offenen Denkmals, auch die keineswegs mehr unverfängliche Frage nach Identität, Regionalität und Heimatgefühl. Dass vornehmlich rechts angesiedelte politische Strömungen für letztere eine Art Alleinvertretungsanspruch erheben, ist nicht neu. Aber hindert das alle anderen, am 8. September mit ein klein wenig (in Speyer sicher mit ein bisschen mehr) Stolz und Freude in die Domstadt zu schauen, wenn dort die bundesweite Eröffnung des Denkmaltags 2024 gefeiert wird? Die Antwort kann nur „nein“ lauten.
Gewiss werden die beiden Unesco-Welterbe-Stätten im Mittelpunkt des Interesses stehen: der Dom und die SchUM-Stätten – beides „Wahr“-Zeichen des Mittelalters. Aber wer in der Stadt selbst oder in der Pfalz lebt, der weiß, dass Speyer noch viel mehr „Zeit-Zeugen“ zu bieten hat. Zum Beispiel eines der bedeutendsten und mit 55 Metern höchsten erhaltenen Stadttore in Deutschland, im 13. Jahrhundert errichtet, zu Beginn des 16. Jahrhundert nochmals erhöht. Apropos Identität: Die Presseinformation der Stiftung Denkmalschutz kündigt Führungen durch „den“ Altpörtel an. Pfälzer schüttelt es da ein bisschen. Und das Altpörtel? Schaut hoffentlich noch weitere Jahrhunderte gelassen auf das Treiben unter sich auf der Maximilianstraße – hin zum anderen Speyerer Wahrzeichen, dem Dom.
Sonntag, 8. September, ab 10 Uhr:
Interaktiver Markt der Möglichkeiten – Verschiedene Akteure präsentieren auf der Maximilianstraße ihr Engagement für den Erhalt von Denkmalen; Mitmach-Angeboten für Jung und Alt; Führungen zu Förderprojekten der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD)
11 Uhr: Zentrale Eröffnungsfeier mit offiziellem Festakt auf der großen Bühne vor der Alten Münz, Maximilianstraße;
ab 13 Uhr: Bühnenprogramm
17 Uhr: Gedächtniskirche, „Grundton D – Voice’n’Rythm“, Benefizkonzert für den Denkmalschutz, mit dem Quartett des NDR-Vokalensembles und Elbtonal Percussion mit Musik von Bach, Mäntyjärvi, Tallis, Byrd, Händel, Whitacre und anderen (Eintritt 30 Euro – zugunsten der Restaurierung der Deckenmalereien der Dreifaltigkeitskirche).
Das Programm
Dreifaltigkeitskirche: Führungen durch die Restauratoren; Orgelinformationen; Schaubaustelle der DSD.
Historisches Museum der Pfalz: Führungen; Vortrag von Direktor Alexander Schubert: „Prinzregent Luitpold, Speyer und das Museum“ (15 Uhr).