Kunst und Geschlecht Eine Schau in Ludwigshafen will zeigen, wie die Vulva „sich Gehör verschafft“

„Un_erhört“: In der Ludwigshafener Scharpf-Galerie ist die Vulva-Schau zu sehen.
»Un_erhört«: In der Ludwigshafener Scharpf-Galerie ist die Vulva-Schau zu sehen.

Was soll man sagen, die Bedeutung des Akustischen nimmt zu. DIE JUGEND schickt sich statt Text- nun Sprachnachrichten per WhatsApp, um die Gefühle der Rechtschreibung nicht zu verletzen. Im schönen Ludwigshafen nervt eine Kehrmaschine richtig hart, die jeden einzelnen Werktagmorgen durch die Seitengasse der Fußgängerzone lärmt und den Asphalt für die bald dort parkenden, widerrechtlich nicht abgeschleppten Autos wienert. In der städtischen Scharpf-Galerie im Hemshof ist für den 12. Oktober eine Ausstellung mit dem leicht verstörenden Titel „Un_erhört. Wie sich die Vulva heute Gehör verschafft“ angekündigt.

Check deine Privilegien, Mann

„Obwohl die Vulva innerhalb der letzten zehn Jahr auf motivischer und sprachlicher Ebene immer mehr Präsens und Sichtbarkeit gewinnen konnte“, heißt es dazu, sei der äußere Teil des weiblichen Geschlechts „immer noch unterrepräsentiert und mit Scham und Tabu belegt.“ Mit seinem – um den Ausstellungstitel aufzunehmen – seit Jahrtausenden schon schreienden äußerlichen Teil stolz behaftet und bevorteilt, kann Mann da nur seine Privilegien checken.

Phallische Symbole gibt es wie Hochhäuser in Manhattan. Die Vulva holt langsam aber vehement auf. Die japanische Künstlerin Megumi Igarashi etwa wollte mit einem, ihrem Untenrum nachgebildeten gelben Kajak ein Zeichen gegen die Tabuisierung setzen – und landete wegen Verbreitung „obszönen Materials“ unweich im Gefängnis. Das ist zehn Jahre her. Drei Jahre später indes ließ Island-Popstar Björk unbehelligt ein anatomisch genaues Abbild des rein äußerlichen Ursprungs der Welt auf ihrer Stirn prangen. Das Foto davon ist auf dem Cover ihres Albums „Utopia“ abgedruckt.

Das Berliner Label Namilia präsentierte damals auf der New Yorker Fashion Week eine Vulvakollektion mit einschlägigen rosafarbenen Aufnähern auf den Ärmeln – was so mit, ähäm, Penissen auch noch nicht gesehen ward. Zehntausende unterzeichneten eine von der Ludwigshafener (!) Ernst-Bloch-Preisträgerin und Autorin Mithu Sanyal initiierte Petition, die – bisher vergeblich – die Aufnahme des Begriffs Vulvalippen (statt Schamlippen) in den Duden forderte. Und ein „Pussy-Hut“ aus rosa Wolle schaffte es zum Exponat im Viktoria und Albert Museum in London, wo zudem ein „Vagina-Museum“ eröffnet, aber aus mietrechtlichen Gründen wieder geschlossen wurde. Wobei, vergleichbar ist das nicht, denn die beiden V-Wörter beschreiben, wie offensichtlich leider zu wenige wissen, nur die zwei Seiten einer, na ja, Medaille. Das heißt aber auch, die „Vagina-Monologe“, die einem – vielleicht – zum Thema einfallen, passen doch nicht ganz ins Bild der angekündigten Hörbarmachung.

Ursprünglich eine 1996 in einem New Yorker Kleintheater uraufgeführte Performance von Eve Ensler, wurden die Monologe ein international gefeiertes Theaterstück, an dessen Aufführung sich Hollywoodstars wie etwa Whoopi Goldberg, Clenn Close, Melanie Griffith oder Winona Ryder beteiligten. In Deutschland waren unter anderem Hannelore Elsner, Katja Riemann und Iris Berben involviert. Spannend auf jeden Fall, wie und mit welcher Tonspur die Scharpf-Galerie-Schau in Sachen Vulva da nachziehen möchte.

Sophia Süßmilch und vielleicht ein Begleitlärm

So viel lässt sich jedenfalls wissen, dazu ist unter anderem die Künstlerin Sophia Süßmilch eingeladen, deren Ausstellung „Kinder, hört mal alle her!“ (!) in der Kunsthalle Osnabrück die dortige CDU vor Kurzem als „inhaltlich wie visuell absolut inakzeptabel“ skandalisiert hat und schließen wollte. Ihre Performance „Ich werde husten und prusten und dir dein Haus umpusten“ propagiere kannibalistische Fantasien hieß es, woraufhin Süßmilch Todesdrohungen erhielt. Nur Gerücht bleibt indes, dass es sich bei dem bisweilen geräuschvoll vollziehenden Abriss des Ludwigshafener Rathauses, das sich noch männlich himmelwärts reckt, um eine Begleitveranstaltung der Vulva-Ausstellung handelt. Wahrscheinlich eher nicht. Schließlich ist auch, dass ein Neubau ansteht, der sich dann einschlägig weiblich geformt in den Stadtraum fließend ausbreitet, alles andere als ausgemacht.

Info

„Un_erhört. Wie sich die Vulva heute Gehör verschafft!“, die Ausstellung läuft vom 12. 10. bis 15. 12. in der zum Ludwigshafener Hack-Museum gehörenden Rudolf-Scharpf-Galerie.

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