Kultur Eintauchen in Bücherwelten

Spaß am olchigen Schimpfwortgenerator.
Spaß am olchigen Schimpfwortgenerator.

Sie rühren immer an den Emotionen ihrer Besucher, denen der kleinen ebenso wie denen der großen: die Familienausstellungen im Historischen Museum der Pfalz in Speyer. Mit der aktuellen jedoch, die gestern eröffnet wurde, krönt das Kuratorenteam um Almut Neef und Cathérine Biasini das seit vielen Jahren ausgesprochen erfolgreiche Konzept: „Das Sams und die Helden der Kinderbücher“ spricht nicht nur alle Sinne an und entführt in die Kindheitsbücherwelten mehrerer Generationen, sondern vermag zudem den Blick auf die Autoren, auf ihre Zeit sowie auf verschiedene Adaptionsweisen in unterschiedlichen Kulturkreisen zu lenken.

Über allem steht das Sams, jenes schweinsnasige, rothaarige, dickbäuchige und vor allem Wünsche-erfüllende Wesen, das alles immer ganz wörtlich nimmt und damit die Welt der Erwachsenen bisweilen mächtig ins Wanken bringt. Kein Wunder, denn die Ausstellung ist seinem Schöpfer, Deutschlands erfolgreichstem lebenden Kinderbuchautor Paul Maar gewidmet, der mit seinen 80 Jahren ganz aktiv nicht nur an der Konzeption mitgewirkt, sondern gemeinsam mit der Schauspielerin und Sams-Darstellerin Christine Urspruch den Audioguide zur Ausstellung eingesprochen und etliche Schätze aus seinem Schriftstellerfundus zur Verfügung gestellt hat. Das Sams-Schau also empfängt die Besucher sozusagen in seinem Wohnzimmer, dessen Wände etliche Originalillustrationen Paul Maars zieren und in dem Originalrequisiten aus dem Filmdreh ausgestellt sind. Dass die Speyerer Museumsmacher aber Meister darin sind, aus für Kinder extrem langweiliger „Flachware“ – wie zum Beispiel Manuskripte und Bücher im Museumsexpertenjargon genannt werden – lebendige Erlebnisräume zu gestalten, beweist die Vielfalt der Mitmachstationen, die das Eintauchen in Fantasiewelten erst ermöglichen: Sams’ Knackwurst-Bring-Automat befördert tatsächlich einen Korb mit 1a-Knackwürsten zutage, die Regenschirmmaschine dudelt und blinkt, und die Wunschmaschine nimmt jeden schriftlichen Wunsch der Besucher entgegen und teilt per Roboterstimme mit: „Wunsch wird bearbeitet.“ Auch zu Helden anderer Kinderbücher führt das Sams: zuerst zu Astrid Lindgrens Michel aus Lönneberga und natürlich in Pippi Langstrumpfs Villa-Kunterbunt-Welt. Sachen suchen spielen die Kinder hier und können ganz nebenbei auch mal selbst den Kleinen Onkel, das geduldige Pferd der kleinen selbstbewussten Göre mit dem großen Herzen, der ausufernden Fantasie und einem unerschütterlichen Gerechtigkeitssinn, stemmen. Stark machen fürs Leben – das können Kinderbücher, ist Museumsdirektor Alexander Schubert überzeugt. Es sind allesamt keine klassischen Heroen: Ihr Heldentum liegt in ihrer Unangepasstheit, in ihrem Mut, Erwachsenen die Stirn zu bieten, Fragen aufzuwerfen und durch all das wahrhaftige Persönlichkeiten darzustellen. Und damit anzuregen, über sich und das Verhalten anderer zu reflektieren, Empathie zu trainieren. Soziales Lernen bildet deswegen ein Schwerpunkt der Ausstellung, die an den einzelnen Stationen mittels Wandtexten zum Innehalten und Nachdenken und zum Austausch anregt. Ebenso wie Astrid Lindgren steht auch Erich Kästner für eine erste Generation von Schriftstellern, die sich auf Augenhöhe mit ihrer Zielgruppe bewegen, die Kinder ernst nehmen. Mit Pünktchen und Anton reisen die Besucher in jene Aufbruchzeit der Kinderliteratur zurück. Dass sich jeder Leser im Kopf seine eigenen Bilder von den Helden macht, wenn denn die Illustrationen kein konkretes Äußeres vorgeben, macht die Mitmachstation um Cornelia Funkes Tintenherz klar, wo mittels eines Bildschirmes Phantombilder ihrer Figuren entstehen. Mit Michael Endes Jim Knopf und dessen Emma dampft man an Herrn Turtur vorbei hinein ins eher märchenhafte Universum eines anderen Granden seiner Zunft: Otfried Preußler. Hier lässt sich im Zauberbuch der Kleinen Hexe lesen und dem Kleinen Gespenst begegnen, bevor es hinunter geht in die Unterwasserwelt des Kleinen Wassermanns. Mit dem Fliewatüt geht es dann bald hinüber in den Bereich der neueren Helden: Der Grüffelo lädt zum Durchatmen in waldiger Atmosphäre ein, bevor man im Sarg des kleinen Vampirs probeliegen kann und in Ritter Trenks Welt erfährt, dass noch heute im Sprachgebrauch mittelalterliche Redewendungen gängig sind. Wenig ritterliches Verhalten ist ganz ausdrücklich zum Schluss gewünscht: Bei den Olchis wird geschimpft, was das Zeug hält, und auch der Pumuckl hat nur Schabernack im Kopf. Und wofür man nach dieser Erlebnisreise wohl den letzten samsigen, blauen Wunschpunkt verwenden könnte? Ich wünsche, dass die Fantasie der Schriftsteller und Ausstellungsmacher nie versiegen möge. Die Ausstellung „Das Sams und die Helden der Kinderbücher“ im Historischen Museum der Pfalz in Speyer; bis 6. Januar 2019, dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, an Feiertagen sowie in den Herbst-, Weihnachts- und Osterferien auch montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Weitere Infos unter wwww.museum.speyer.de und www.sams-ausstellung.de

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