Kultur Königin der poetischen Renitenz

„Flip-Out-Elke“ Erb.
»Flip-Out-Elke« Erb.

„Elke Erb war, ist und bleibt ausgeflippt, dem Teufel sei’s gedankt“, hat der Dichter Bert Papenfuß unlängst in seinem „Psychonautikon Prenzlauer Berg“ erklärt. Und für diese Nobilitierung der allseits verehrten Dichterin zur Königin der poetischen Renitenz gibt es gute Gründe. Am Sonntag wird sie 80 Jahre alt.

In dem winzigen Bauernflecken Scherbach in der Eifel geboren, war Elke Erbs Kindheitswelt von Einsamkeit und Armut geprägt. Die Sechsjährige litt am Kriegsende an Unterernährung, Daniel Defoes „Robinson Crusoe“ wurde dann zu ihrem ersten literarischen Erweckungserlebnis. Mit ihren Eltern und Geschwistern übersiedelte Erb 1949 in den neuen Staat, den „Kopfboden“ DDR. Dort entwickelte die Pädagogikstudentin bald ihren legendären Eigensinn, der sie nach ihrer Zeit als Lektorin beim Mitteldeutschen Verlag zu einer experimentierhungrigen Dichterin machte, die im SED-Staat Anstoß erregte. 1968 publizierte sie ihre ersten Gedichte und heiratete Adolf Endler, mit dem sie in ihrer Wahlheimat Wuischke in der Lausitz und in Berlin kleine Stützpunkte poetischer Aufsässigkeit errichtete. Als sie Anfang der 1980er Jahre versuchte, die ketzerischen Schreibweisen der „Prenzlauer Berg Connection“ in einer Lyrik-Anthologie zu versammeln, gab es innerhalb des Literaturapparats der DDR Bestrebungen, sie aus dem Schriftstellerverband auszuschließen. Die Anthologie „Berührung ist nur eine Randerscheinung“ erschien dann 1983 nur im Westen bei Kiepenheuer & Witsch und ihr Dichterkollege Volker Braun erfand das Wort von der „Flip-Out-Elke“. Seither sind rund 20 Gedichtbücher von Elke Erb erschienen, 1988 erhielt sie für ihren Band „Kastanienallee“, in dem viele Gedichte von Kommentaren begleitet wurden, den Peter-Huchel-Preis. Elke Erb spricht gern vom „prozessualen Schreiben“: Lektürenotizen und Wahrnehmungsnotizen werden assoziativ verknüpft, ohne dem Text eine endgültige Formgestalt zu geben. In ihren „Poetologischen Bemerkungen“ von 2015 hat die Dichterin ihr Schreibkonzept, das auf der Offenheit und Revidierbarkeit der Form beharrt, noch einmal bekräftigt: „Mir wurde klar, dass die lineare Schreibweise den realen Zusammenhang im Bewusstsein nicht wiedergibt.“ Zum 80. Geburtstag der Dichterin, die im April auch mit dem Mörike-Preis der Stadt Fellbach ausgezeichnet wird, hat nun ihr Verleger Urs Engeler in einem „roughbooks“-Sonderband ihre poetischen Arbeiten aus den letzten zwölf Jahren gebündelt. „Ich lag und sann, da kamen Kram-Gedanken“, heißt es in einem „Idyll“ von 2006: „Natürlich ist es recht, den Kram im Kopf zu haben./ So hältst die Sterne du in ihren Bahnen./Statt aus der Welt heraus zu existieren/ und fremd zu sein wie dir mehr als den Tieren./ Laß deinen Kram wie Himmelskörper strahlen und denke dir zum Abschluß Brombeerranken.“

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