Kultur Letzte Ausfahrt Zauberland: Elton John gastiert auf seiner Abschiedstour in Wiesbaden

Auf Abschied eingestellt: Elton John bei seiner „Farewell Yellow Brick Road Tour“ in Kopenhagen.  Foto: REUTERS
Auf Abschied eingestellt: Elton John bei seiner »Farewell Yellow Brick Road Tour« in Kopenhagen.

Die Elton-John-Festspiele gehen weiter: Nur zwei Tage nach dem Kinostart des Films „Rocketman“ über das Leben des britischen Popmusikers, hat das Original selbst sich die Ehre gegeben. Auf seiner Abschiedstournee trat der 72-Jährige am Samstagabend vor rund 11.000 Zuschauern in Wiesbaden auf. Mutmaßlich sein letzter Abstecher in die Region.

Weitere Auftritte in der Gegend stehen bisher nicht auf dem Terminplan seiner ausgedehnten Konzertreise, die unter dem Motto „Farewell Yellow Brick Road“ bis mindestens Dezember kommenden Jahres dauern soll.

„Mutmaßlich“ und „bisher“ – wer das Musikgeschäft regelmäßig verfolgt, weiß, dass bei Abschiedstourneen oft Skepsis angebracht ist, weil Rücktritte von Rücktritten keineswegs selten sind. Tina Turner galt einst als ungekrönte Königin dieser Disziplin, und Phil Collins machte sich mit seiner „First Final Farewell Tour, Part 1“ darüber lustig – also der „ersten letzten Abschiedstour, Teil 1“.

Ist die Abschiedstournee, wie Rod Stewart Elton John vorwirft, eine „unehrliche Masche“?

Elton Johns

Kollege Rod Stewart etwa kritisierte seinen zwei Jahre jüngeren Freund für die aus seiner Sicht „unehrliche“ Masche, um den Verkauf von Eintrittskarten anzukurbeln, und erteilte eigenen Abschiedstouren eine klare Absage. Dagegen erklärte der gerade einmal 51-jährige Schweizer DJ Bobo Sir Elton zum leuchtenden Vorbild für seinen eigenen Schlussakkord irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt.

Unstrittig ist, dass die Aussicht, zum letzten Mal Künstler zu erleben, die die Begleitmusik zum eigenen Leben geliefert haben, eine große Anziehungskraft entfaltet. Nicht umsonst sind Elton Johns aktuelle Konzerte ja durchweg ausverkauft. Was aber, wenn das diesmal gar keine Masche ist? Wenn es dem Engländer nach 50 Jahren auf der Bühne wirklich darum geht, künftig mehr Zeit für seine zwei kleinen Kinder zu haben? Oder wenn er, wie hinter den Kulissen teilweise gemunkelt wird, allmählich Probleme mit dem Gehör bekommt – ein Leiden, das viele altgediente Rock- und Popmusiker irgendwann befällt? Beides wären gute Gründe zum Kürzertreten.

Eigenwille muss sein: Statt „Crocodile Rock“ spielt Elton John „Indian Summer“

In jedem Fall sind die über zweieinhalb Stunden am Samstag in Wiesbaden ein Beispiel dafür, wie so etwas geht: mit Dankbarkeit und Demut auf Seiten des Musikers sowie respektvoller Zuneigung des Publikums. Zum Abschluss begegnen sich Künstler und Zuschauer gewissermaßen auf Augenhöhe – so etwas ist selten, aber dafür umso schöner.

Natürlich zieht der Sänger und Pianist in Begleitung einer Sechs-Mann-Band noch einmal alle Register: Gesanglich wie spielerisch erweist John sich auf der Höhe des Geschehens, wenn auch zu Beginn seine Stimme etwas kratzt. Er versäumt es nicht, zu sozialem und politischem Engagement zu ermuntern. Vor allem aber schöpft er erwartungsgemäß aus seinem reichen Repertoire.

Reinen Fan-Service bietet er aber nicht. Klar, viele seiner Hits sind im Programm. Aber ebenso entscheidet er sich dafür, auf den Allzeit-Publikumsfavoriten „Crocodile Rock“ zu verzichten und dafür das Neun-Minuten-Stück „Indian Sunset“ zu spielen, das kaum jemand kennt. So viel Eigenwille muss dann schon sein.

Vielfach bleibt es in Wiesbaden nicht bei einer Träne im Knopfloch

Im Zugabenteil singt der Brite schließlich „Your Song“ und „Goodbye Yellow Brick Road“ – das Lied über die gelbe Backsteinstraße aus dem Musical „Der Zauberer von Oz“, an das sich das Tourmotto anlehnt –, um symbolisch schließlich selbst auf diesem Weg ins Zauberland zu entschwinden. Da bleibt es vielfach nicht mehr nur bei der Träne im Knopfloch.

Doch es gibt ja ein Leben nach der Abschiedstournee. Parallel zu ihr will Elton John im Herbst erst einmal seine Autobiografie veröffentlichen. Darüber hinaus listet ein großes Internet-Verkaufsportal ihn hartnäckig in der Rubrik „Ticketalarm“. Das geschieht üblicherweise nicht ohne Grund und könnte auf eine vielleicht allerletzte Zugabe auf deutschen Bühnen nächstes Jahr hindeuten. Freie Zeit gibt es laut Tourplan 2020 immerhin noch genug – nicht zuletzt im Sommer, zur Open-Air-Saison.

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