Literatur Trauma und Triumph: Pfälzer Tijan Sila gewinnt den Bachmannpreis

„Noch fasse ich es nicht ganz, aber euphorisch bin ich dennoch“: Tijan Sila bei der Preisverleihung. ,
»Noch fasse ich es nicht ganz, aber euphorisch bin ich dennoch«: Tijan Sila bei der Preisverleihung. ,

Für den Moment konnte er es selbst kaum fassen. Aber „euphorisch“ war er schon. Zurecht. Tijan Sila, Schriftsteller und Lehrer aus Kaiserslautern mit Geflüchteten-Hintergrund, hat in Klagenfurt den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen. Dotiert mit 25.000 Euro und viel Aufmerksamkeit. Als erster Pfälzer. Mit einer autofiktionalen Selbstbehauptungsgeschichte. Ein Triumph.

Der Titel des Textes, den Tijan Sila beim Klagenfurter Wettlesen vortrug, liest sich selbsterklärend. In „Der Tag an meine Mutter verrückt wurde“, erzählt Sila mit bezwingenden Bildern, lakonisch, tragisch, melancholisch, komisch auch, unsentimental, wie der Krieg und die Flucht fortwirken in einer bosnischen Familie. Wie die Mutter abdriftet in Schizophrenie, der Vater dem Messiesyndrom anheimfällt, getrieben von der vergeblichen Hoffnung, alles wieder reparieren zu können. Derweil sitzt der Sohn, ein Lehrer inzwischen, auf seinem Kinderbett und beschwört – „bleib da!“ – wie damals als Kriegskind seine Duldsamkeit, während um ihn herum die Welt verrutscht.

Fast beiläufig, umso eindrucksvoller, erzählt sein Text vom blanken Horror. Einer Tante etwa, die beim Stillen ihres Neugeborenen von einer Granate getötet wird, oder wie die Mutter an der Uni ihre Doktorprüfung besteht, in einem Zimmer, das aussieht „wie eine Mikrowelle, in der eine Schüssel Moussaka explodiert war“.

Schon in der Jurydiskussion am vergangenen Donnerstag war Sila – wie berichtet – für seine Beschreibung eines tiefsitzenden, generationsübergreifenden Traumas fulminant behymnet worden. Haushoch gewann der 1981 in Sarajevo geborene Wahlpfälzer, der in Heidelberg Germanistik und Anglistik studiert hat, dann am Sonntag den Wettbewerb. 1994 war er mit seinen Eltern aus der belagerten, damals noch jugoslawischen Stadt nach Deutschland geflohen. In seinem im vergangenen Jahr erschienenem Werk „Radio Sarajevo“ hat Sila davon erzählt. Der Klagenfurter Gewinnertext ist der Auszug eines – wahrscheinlich – Fortsetzungsromans, der voraussichtlich 2026 bei Hanser Berlin erscheinen wird. Aber erst einmal unterrichtet Tijan Sila jetzt wieder als Lehrer an der Berufsbildende Schule in Kaiserslautern.

Weitere Preisträger

Den mit 7.500 Euro dotierten 3Sat-Preis-Preis erhielt Johanna Sebauer, der KELAG-Preis mit 10.000 Euro ging an Tamara Stajner. Den Deutschlandfunkpreis, dotiert mit 12.500 Euro, heimste Denis Pfabe ein. Sebauer ist auch Siegerin des Publikumspreises

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