Festival des deutschen Films Zwei Filme, ein Thema: „One for the Road“ und „Im Rausch“ beschäftigen sich mit Alkoholsucht

In der Tragikomödie spielen Frederick Lau und Nora Tschirner den Bauleiter Max sowie die Lehrerin Helena, die sich über ihre Alk
In der Tragikomödie spielen Frederick Lau und Nora Tschirner den Bauleiter Max sowie die Lehrerin Helena, die sich über ihre Alkoholsucht näherkommen.

Das ernste Thema Alkoholsucht unterhaltsam erzählen– geht das? Auf dem Festival des deutschen Films in Ludwigshafen wagen gleich zwei Filme den Versuch. Dabei gelingt es nur einem wirklich zu überzeugen.

Es ist der Absacker, der den Abend beschließt, oder das Wegbier, um die Strecke bis zur nächsten Bar zu überbrücken: „One for the Road“ – zu Deutsch: „Eins für den Weg“. Was passiert, wenn das eine Bier nicht mehr reicht und der Alkohol zunehmend die Kontrolle übernimmt, erzählt Regisseur Markus Goller in der gleichnamigen Tragikomödie auf ebenso unterhaltsame wie einfühlsame Art. Beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen geht der Kinofilm „One for the Road“ im Hauptwettbewerb sowie für den Publikumspreis ins Rennen.

Mark (Frederick Lau) trinkt gerne, am liebsten gemeinsam mit Freunden. Der gesellige Berliner ist Mitte 30, immer gut drauf und hat als Bauleiter einen angesehenen Job. Trotz regelmäßiger Ausflüge ins Berliner Nachtleben hangelt er sich – zumindest nach außen hin überzeugend – durch seinen Alltag. Bis zu einem Abend: Wankend lässt Mark das grelle Neonlicht seiner Stammbar hinter sich und taumelt in den grauen Morgenstunden zu seinem Auto. Als er sturzbetrunken versucht, umzuparken, wird er von der Polizei erwischt und verliert nicht nur seinen Führerschein, sondern auch zunehmend die Kontrolle über sein Leben. Um seinem besten Freund Nadim (Burak Yiğit) zu beweisen, dass er auch ohne Alkohol kann, schließen die beiden eine Wette ab. Die selbstbetrügerischen Strategien, mit denen Mark bisher seinen Konsum als „normal“ und „ein gesellschaftliches Phänomen“ verklärt hat, münden in Verzweiflung. Eine Mitstreiterin findet er in Helena (Nora Tschirner), die er im MPU-Seminar kennenlernt. Gemeinsam versuchen sie, ihre Sucht zu bekämpfen, scheitern – und verlieben sich.

Gratwanderung zwischen Ernst und Leichtigkeit

Ohne erhobenen Finger oder Klischees von alkoholkranken Menschen zu bedienen, gelingt Regisseur Markus Goller und Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg, die den Film auch in Ludwigshafen vorgestellt haben, die Gratwanderung zwischen Ernst und Leichtigkeit. Lau verkörpert einen funktionalen Alkoholiker und zeigt, dass alkoholkranke Menschen nicht zwangsläufig in der sozialen Isolation ihrer Sucht erliegen, sondern unter uns sind. Sie sind diejenigen, die auf Feiern mit ihrer aufgeschlossenen Art unterhalten, ebenso wie die Weinkenner und Feierabendbier-Trinker. Dass die Szenen in „One for the Road“ aus dem Alltag gegriffen sind und keine extreme Fallhöhe aufbauen, macht sie so echt und greifbar.

Darin bewegt sich Lau als überzeugender Charakter, dem der Spagat zwischen ausgelassener Feierstimmung und Verzweiflung gelingt. Das Gefühl der vom Alkohol vorgegaukelten Unsterblichkeit, mit dem sich Lau als Mark in die Nächte stürzt, vermittelt sich genauso glaubwürdig wie die Scham, die ihn am Morgen danach quält. Nora Tschirner wiederum stellt in ihrer Rolle als Helena, mit ihrer unaufgeregten zynischen Art die perfekte „Partnerin in Crime“ dar. So verdeutlicht der Film, wie schwer der Kampf gegen Alkohol ist, und erzählt eine Liebesgeschichte, ohne dabei schnulzig zu sein.

Die gemeinsame Liebe zum Alkohol verbindet

Liebe, Alkohol und Sucht bestimmen auch die Handlung des Fernsehfilms „Im Rausch“, der beim Festival für den Publikumspreis nominiert ist. Regisseur Mark Schlichter erzählt die Geschichte von Katja (die Südpfälzerin Friederike Becht) und Eddi (Hans Löw). Während „One for the Road“ das Thema Sucht in seiner gesellschaftlichen Dimension darstellt, wird es bei „Im Rausch“ zum dramaturgischen Stilmittel, um eine Liebesgeschichte zu erzählen.

Katja ist Journalistin, selbstbewusst und trinkt nicht nur nach Feierabend. Ihre Versuche, ihren Konsum zu verstecken, scheitern immer öfter. Betrunken erscheint sie auf einer Firmenfeier, wo ihr ihre Chefin den Vorschlag macht, eine Reportage über das Thema Alkoholismus zu schreiben und dafür auf Entzug zu gehen. Katja wird aggressiv und kündigt. Trotzdem beginnt sie zu recherchieren. In einer Bar trifft sie auf den Handwerker Eddi, der um die Existenz seiner Firma bangt. Er wird nach zwei Jahren Abstinenz rückfällig, und beide geben sich dem Rausch hin. Auch dann noch, wenn um sie herum alles zerbricht.

Das Drama „Im Rausch“ erzählt die Geschichte von Katja (Friedericke Becht) und Eddi (Hans Löw), die sich dem Rausch hingeben.
Das Drama »Im Rausch« erzählt die Geschichte von Katja (Friedericke Becht) und Eddi (Hans Löw), die sich dem Rausch hingeben.

In den Momenten, in denen Katja noch als selbstbewusste Journalistin auftritt und ihre Alkoholsucht abstreitet, wirkt sie noch am überzeugendsten. Danach wechseln Szenen, in denen sich Becht aufgrund körperlicher Entzugserscheinung auf dem Boden des Badezimmers windet mit solchen, in denen sie mit journalistischem Ehrgeiz und Klarheit ihre Reportage voranbringt, ab, ohne sich zu einem stimmigen Bild einer alkoholkranken Person zu verdichten. Löw gibt den aggressiven Alkoholiker, der seine Firma sowie seine Ehe dem Alkohol opfert. Die Liebesbeziehung der beiden scheint sich zunächst ausschließlich aus der verbindenden Liebe zum Alkohol zu speisen – bis sie sich davon befreien wollen. Der Ernsthaftigkeit des Themas wird die Geschichte jedoch nicht gerecht.

Termine

„One for the Road“ läuft beim Festival noch am 4., 5. und 7. September. Details und Karten unter www.fflu.de.

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