Bad Dürkheim Brasilianische Klangwelten
Gitarrenkunst auf höchstem Niveau gab es am Wochenende in der ehemaligen Synagoge in Weisenheim am Berg zu erleben. Als Alternative zum alljährlich stattfindenden Gitarrenfestival gedacht, bot der Förderkreis unter dem Motto „Gitarre mal anders“ an zwei Tagen feinste Kost für Kenner und Genießer akustischer Gitarrenmusik.
Nach dem fulminanten Auftakt am Freitagabend mit Flamenco-Jazz des Trios Tegevé, bei dem die Saitenkünstler Jochen Seiterle und Achim Sum von Querflötistin Cathrin Ambach begleitet wurden, standen am Samstagabend mit dem MduoM zwei Ausnahmegitarristen mit brasilianischer Klangsprache im Fokus. Hinter MduoM verbergen sich die beiden Profis Martin Müller, Komponist, Arrangeur und künstlerischer Leiter des Weisenheimer Gitarrenfestivals, und Antonio Malinconcio, in Stuttgart wirkender Gitarrendozent mit neapolitanischen Wurzeln. Die beiden Ausnahmegitarristen nahmen die rund 70 Zuhörer mit auf eine Entdeckungsreise in südliche Gefilde. Im Mittelpunkt des Abends standen Stücke klassischer brasilianischer Gitarrenkunst. Besonders gefielen dabei das vierhändig flirrend interpretierte „Para Sula“ von Celso Machado sowie das in seiner rhythmisch pulsierenden Leichtigkeit und Intensität vorgetragene „Saudade De Salvador“ von Oscar W. Gattaz. Kein Zweifel: Hier waren Könner am Werk. Die tolle Akustik in dem quadratischen Synagogensaal unterstützte zudem noch die nahezu magische Wirkung so mancher Stücke. Mit dem Auftaktstück „Joya Choro“ fingerten sich die beiden Musiker spielerisch und behutsam in ihre Materie hinein. Serenadenhaft schwärmerisch gestaltete Antonio Malinconcio „Mighalas De Amor“, ein Stück über das Schmetterlingsflattern im Bauch Verliebter. Es mündete in einen schwarzen brasilianisch anmutenden Groove. Im Laufe des Abends verstanden es Antonio Malinconcio und Martin Müller meisterhaft, mit filigranen Klängen, schwebenden Harmonien und pulsierenden Rhythmen imaginäre Bilder hervorzurufen: In „Plaza Del Sol“ in Sao Paulo glänzt ein Platz im silbrig schimmernden Mondlicht, der Brasilklassiker „Manha De Carnaval“ feiert den Samba, und das pralle „Caipi Di Rio“ lotet ungeschönt die Licht- und Schattenseiten brasilianischer Großstädte aus. Im Mittelpunkt standen die Stücke ihrer 2017 erschienenen und von der Fachwelt gefeierten CD „Jardim Brasilieiro“. Darin wurden die meisten Stücke von Martin Müller komponiert sowie Klassiker der Brazilgitarre neu arrangiert. Jardim Brasileiro entführt die Zuhörer in einen musikalischen Zaubergarten, besonders mit dem Titelstück: „Jardim Brasileiro“ beginnt fast tänzerisch und entfaltet nach klassischen Harmonien eine lyrische Dichte. Inspiriert wurde der „Brasilianische Garten“ von historischen Bildern des Fotografen Marc Ferrez, die die Musiker auch gleich mitgebracht hatten. Die sepiagrauen Aufnahmen zeigten heute nahezu unwirklich anmutend – das alte Rio um 1885 als einst einsame Naturidylle. Faszinierend zu beobachten war das hingebungsvolle Zusammenspiel der beiden Künstler: Im Wechsel von Nähe und Distanz, improvisatorischer Verflechtung und meditativem Purismus schienen sie genussvoll jede Note zu zelebrieren. Dabei zitierten sie mit ausgefeilter Fingertechnik souverän und stilsicher Elemente aus Bossa Nova, Flamenco, Tango und Sinti-Jazz. Sogar perkussiv gespielte Passagen mit rockigen Einflüssen gab es zu hören. Weltmusikalisch inspiriert war „Samba For Chi.Co“, eine von Martin Müller komponierte Hommage an Chick Corea. Kompositorisch bewegen sich Martin Müllers Stücke auf hohem Level. Als MduoM mit Spielpartner Antonio Malinconico hat Müller auch als Virtuose einen einzigartigen Stil entwickelt, der rhythmische Raffinesse mit mediterraner Leichtigkeit verbindet.