Bad Dürkheim Dürkheimer Mondforscher Philipp Fauth: Nazi oder Mitläufer?

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Der gebürtige Dürkheimer Philipp Fauth würde morgen 150 Jahre alt. Früh widmete sich der Volkschullehrer der Mondforschung und machte sich einen Namen als Himmelsbeobachter. Im Wolkennebel liegt heute aber seine Nähe zur SS und Heinrich Himmler.

Das Dilemma

Wie geht man als Stadt um, mit einem Mann, der zu Lebzeiten unter Astronomen wohl weltberühmt gewesen ist, der in den Jahren vor seinem Lebensende aber Abteilungsleiter der SS-Organisation Ahnenerbe war? Diese Frage könnte demnächst womöglich den Dürkheimer Stadtrat beschäftigen. Der am 18. März 1867 geborene Philipp Fauth verbrachte die ersten 15 Jahre seines Lebens in Bad Dürkheim, zog später nach Kaiserslautern und nach Landstuhl, bevor er die Pfalz zu Beginn der 20er Jahre aus politischen Gründen in Richtung München verließ. Seine Arbeiten zur Erforschung des Mondes brachten ihm ein derartiges Ansehen ein, dass man später in Dürkheim, Landstuhl und auch München Straßen und Plätze nach ihm benannte. Sogar ein Mondkrater trägt seinen Namen. 1967 wurde in „seiner“ Straße eine Gedenktafel angebracht. Auch die RHEINPFALZ widmete ihm einige Artikel. Von einer Vergangenheit als Abteilungsleiter einer SS-Organisation war aber auch dort nie die Rede. Fauths Leben in Dürkheim Intensiv mit dem Leben von Philipp Johann Heinrich Fauth befasst hat sich in den vergangenen Jahren der Friedelsheimer Jürgen Boudier. Als Quelle dienten dem 75-Jährigen unter anderem ein Buch, das Fauths Sohn Hermann über seinen bekannten Vater geschrieben hat. Das Buch stammt aus dem autobiografischen Nachlass, Freddy Litten hat es als Heft 9 der Schriftreihe des Instituts für Geschichte der Naturwissenschaften, München 1993, herausgegeben. Philipp Johann Heinrich Fauth, der spätere Mondforscher, so informiert das Werk, entstammt einer alten Dürkheimer Häfnerfamilie. Das Haus der Familie befand sich an der Südostecke der Weinstraße-Süd/Bahnhofstraße (heute eben Philipp-Fauth-Straße). Boudier hält über Philipp Fauth fest, dass sich dessen Begabung im Zeichnen und Musizieren früh bemerkbar gemacht habe. Später habe ihm die „großartige Fähigkeit“ im Zeichnen zu internationalem Ansehen verholfen, denn zur Dokumentation astronomischer Beobachtungen sei man damals auf zeichnerisches Können angewiesen gewesen. Seine ersten Sternstunden verbrachte der junge Philipp Fauth wohl mit der Beobachtung eines Kometen, der 1874 am Nordhimmel sichtbar war. Um diese Zeit wurde auf dem Turm der Dürkheimer Schloßkirche eine neue Kreuzblume aufgesetzt. Mit einem kleinen Fernrohr konnte der junge Fauth die 370 Meter entfernte Turmspitze ganz nahe erblicken. Wie Boudier berichtet, habe Fauth sein Faible für die Astronomie aber erst richtig entdeckt, als er Dürkheim im Alter von 15 Jahren in Richtung des Kaiserslauterer Lehrerseminars verließ. Fauth als Astronom Nach seiner Ausbildung unterrichtete Fauth zunächst in Kaiserslautern, danach in Oberarnbach und schließlich 28 Jahre lang in Landstuhl. In dieser Zeit gründete er die Ortsgruppe der „Pollichia“ und die Zeitschrift „Pfälzische Heimatkunde“. 1889 erbaute er im Süden von Kaiserslautern eine erste Sternwarte. 1895 folgte eine zweite auf dem Kirchberg über Landstuhl, die 1911 durch ein drittes Observatorium ersetzt wurde, weil Fauth für ein neues Fernrohr ein größeres Gebäude benötigte. 1930 entstand in München/Grünwald eine weitere Station. Für seine Untersuchungen des Monds und der Planeten benutzte Fauth das sogenannte „Medial“, eines der leistungsstärksten Fernrohre seiner Zeit, das ihm eine reiche Sponsorin finanziert hatte. Er fertigte genaue Zeichnungen seiner Entdeckungen an, mit denen er die Mondkarte um 5594 neue Objekte bereicherte. Fauth war unendlich fleißig. Er schuf Tausende Zeichnungen von Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Er hielt im ganzen Land Vorträge. Man bot ihm sogar eine Stelle an einer neuen Sternwarte in Mexiko an – die er jedoch ablehnte. Seine Publikationen trugen Titel wie „Was wir vom Monde wissen“. Sein Lebenswerk wurde die große Mondkarte, der Fauth`sche Mondatlas. Der Astronom starb am 4. Januar 1941 in Grünwald. Fauth und die Welteislehre Von Fauths „missionarischem Einsatz für die Welteislehre“ berichtet Jürgen Boudier ebenfalls. Diese habe ihn zwar um seinen guten Ruf in der seriösen Wissenschaft gebracht, stattdessen aber eine gläubige Anhängerschaft und die Aufmerksamkeit und Unterstützung des „Ahnenerbes“ der Nazi-SS und deren Reichsführers Heinrich Himmler beschert. „Das Ahnenerbe war eine Einrichtung der SS, die sich auf vielen Gebieten pseudowissenschaftlich betätigte“, so Boudier. „Im Vordergrund standen archäologische, anthropologische und geschichtliche Forschungen und Expeditionen. Während des Zweiten Weltkrieges beteiligte sich das Ahnenerbe am systematischen Kunstraub und führte Menschenversuche durch. Daneben nutzte der stark an okkulten Themen interessierte Himmler das Ahnenerbe als Apparat für weitere Projekte im persönlichen Interesse.“ Fauth war nach seinem Weggang aus der Pfalz dem österreichischen Amateurastronomen Hanns Hörbiger begegnet. Der Ingenieur und Physiker hatte eine abstruse Theorie über die Entstehung der Welt, die sogenannte Welteislehre entwickelt. Fauth gliederte den Text, schrieb ihn um und veröffentlichte den fast 800 Seiten umfassenden Band „Hörbigers Glacial-Kosmogonie“. Fauth machte sich damit die umstrittene Entwicklungsgeschichte des Weltalls zu eigen, die sich schnell als völlige Irrlehre erweisen sollte. 1939 wurde Fauth auf das Betreiben des Ahnenerbes hin durch den Führer zum Professor ernannt. Seine Verdienste im die Welteislehre spielen dabei wohl die Hauptrolle. Fauth wird beim Ahnenerbe Leiter der Abteilung Astronomie, ohne jedoch Geld dafür zu bekommen. Fazit War Fauth ein bekennender Nazi? Nimmt man ihn selbst beim Wort, dann ja. Als seine Sternwarte in Grünwald am 11. September 1939 einer Kontrolle unterzogen wird, spricht er davon, wohl der „älteste Nationalsozialist“ zu sein, „der durch 50-jährige Tätigkeit die Grundsätze der neuen Zeit erfüllt habe“. War das eine pure Schutzbehauptung, um bei der Kontrolle glimpflich davonzukommen? Nachzulesen ist Fauths Aussage in einem Dokument aus dem Berliner Bundesarchiv. In der Landesbibliothek in Speyer findet sich in einer der sechs Kisten mit Fauths Nachlass, in denen die RHEINPFALZ für diese Recherche gekramt hat, ein loses Blatt mit einem anonymen Nachruf auf Fauth. Darin steht, das dieser „selbstverständlich Mitglied der NSDAP“ gewesen sei. War Fauth Mitläufer oder war er mehr? Diese Frage lässt sich nicht abschließend beantworten. Jürgen Boudier vermutet, dass Fauth durch die Nähe zum Ahnenerbe sein wissenschaftliches Vermächtnis schützen wollte. Seine private Meinung äußert dazu auch Matthias Nathal, Autor der „Bad Dürkheimer Stadtgeschichte(n)“: „Wenn er Abteilungsleiter war, dann war er nicht nur Mitläufer.“ Die Verdienste Philipp Fauths als Mond- und Planetenforscher bleiben unbestritten. Er war einer der Wegbereiter für die Mondlandung. Trotzdem muss sich die Stadt wohl Gedanken machen, ob sie ihn weiter als „großen Sohn“ Bad Dürkheims würdigt.

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