Bad Dürkheim Der Koffer – Zeitreise durchs Dorf

Juden, Christen, Muslime – „wir alle sind Lambsheimer“: Das ist die Botschaft des Stücks. An der Inszenierung sind 200 Bürger be
Juden, Christen, Muslime – »wir alle sind Lambsheimer«: Das ist die Botschaft des Stücks. An der Inszenierung sind 200 Bürger beteiligt. Hier eine Probe der Schlussszene in der protestantischen Kirche.

Nach zwei Jahren Vorbereitungszeit wird es am Freitag, 21. September ernst. Dann hat das Stationentheater „Ausgepackt – Lambsheimer Koffergeschichten“ Premiere. Zum 1250-jährigen Ortsjubiläum inszeniert Lambsheim seine eigene Geschichte, und das ganze Dorf spielt mit. Und nicht nur das. Für das Mammutprojekt holte man Profis: Felix S. Felix und Walter Menzlaw vom Chawwerusch Theater Herxheim haben das Konzept erarbeitet. Einblicke in die Schlussproben.

Da stehen sie: Madame Catoir im Spitzenhäubchen, der jüdische Hochzeiter Simon, Fatima und ihre Kinder aus Syrien, die Italienerin Giulia, Silvio, Eisverkäufer aus den Dolomiten, die junge Jugoslawin Dana, Achmed aus Istanbul und Erntehelferin Emilia aus Rumänien. Alle erzählen sie ihre Geschichte. Angekommen in der Vorderpfalz, quer durch die Jahrhunderte: „Ihr und wir, wir alle sind Lambsheim“, heißt es im Schlusschor. Licht aus, Gänsehaut. Rafael Barth nickt anerkennend. Er ist neben Norbert Stuck, Christel Harsch, Ulrike Lotterhoß und Inge Altenhoven-Krauß einer von fünf Regisseuren, die jeweils eine Spielszene inszenieren. Der Show-down in der protestantischen Kirche Lambsheim ist die Schlussszene eines Theaterprojekts, an dem rund 200 Lambsheimer zwei Jahre lang gearbeitet haben: Zum 1250-jährigen Ortsjubiläum wollte man etwas Besonderes bieten, keinen historischen Markt, keinen steifen Festakt, sondern ein Bürgerprojekt als Ausdruck von Gemeinschaftssinn und Geschichtsbewusstsein: Ein Theaterstück – in der Hauptrolle: der Ort selbst. Zu 25 Aufführungen an den letzten beiden September-Wochenenden werden 1500 Besucher erwartet. Ein Aufhänger für das Stück war schnell gefunden, er lag sozusagen mitten im Ort: „die Koffer“. Gemeint ist die Lambsheimer Kofferfabrik, eine Betriebsstätte der Offenburger Lederwaren-Firma Goldpfeil, die von den 1950er- bis 90er-Jahren mit bis zu 200 Beschäftigten ein bedeutender Wirtschaftsfaktor im Dorf war. Auch künstlerisch gibt der Koffer einiges her: Symbol des Unbeständigen, des „Nicht-wissen-wie-es weitergeht“ in guten und schwierigen Zeiten – so wird das Gepäckstück zum roten Faden der Geschichte. Für das ambitionierte Unterfangen holte man erfahrene Profis mit ins Boot: Felix S. Felix und Walter Menzlaw vom Chawwerusch Theater Herxheim wurden mit der Produktion des Mammutprojekts betraut. Land und Gemeinde steuerten Geld bei. 2016 kam eine „Projektgruppe Stationentheater“ zusammen. Zunächst wurden historische Fakten recherchiert. Die Beteiligten stöberten in Bibliotheken, Archiven und befragten in 40 Interviews meist ältere Lambsheimer als Zeitzeugen. Daraus machten die Herxheimer Theaterleute ein Textbuch mit sechs Szenen, bei denen die vergangenen 150 Jahre im Fokus stehen: die Auswanderung, als Pfälzer vor Hunger und Missernten nach Amerika flüchteten, die Vertreibung von Minderheiten während der Nazizeit, Wiederaufbau und Wirtschaftswunder in der Nachkriegsära, die Integration von Gastarbeitern seit den 1960er-Jahren und Kriegsflüchtlinge von heute. Geschichte als ewiges Kommen, Gehen, Bleiben, inszeniert als Stationentheater, bei dem die Besucher von Szene zu Szene wandern. Eine Zeitreise durchs Dorf. An sechs ausgewählten historischen Orten erleben die Zuschauer jeweils ein Stück Lokalgeschichte hautnah, gespielt von einheimischen Laien. Zwei Wegbegleiter mit Koffer führen jede Gruppe mit jeweils 60 Besuchern von Station zu Station. Vier Spielorte sind im Freien, zwei innen, überall gibt es Sitzgelegenheiten. Der Theater-Spaziergang durch die Jahrhunderte dauert – Spielzeit und Wegezeit zusammengerechnet – rund zweieinhalb Stunden. Er beginnt am protestantischen Gemeindehaus in der Stadtgrabenstraße und endet in der protestantischen Kirche im Ortszentrum. Bereits im Vorfeld stieß das Mammutprojekt auf großes Interesse: „Von 1500 Karten sind bereits drei Viertel verkauft“, sagt Rafael Barth. info —„Ausgepackt – Lambsheimer Koffergeschichten“: Stationentheater vom 21. September (Premiere 17 Uhr, ausverkauft) bis Sonntag, 30. September, mit 25 Aufführungen an sechs Spieltagen. Aufführungen: freitags 17, 18.15 und 19.30 Uhr, samstags: 14, 15.15, 16.30, 17.45 und 19 Uhr, sonntags 13, 14.15, 15.30 und 16.45 Uhr. Sonntag, 23. September, auch 18 Uhr. —Karten: 12,50 Euro (Erwachsene), sieben Euro (Kinder von sechs bis 14 Jahren). Karten im Vorverkauf gibt es bei der RV Bank Lambsheim oder im Internet unter www.1250-Jahre-Lambsheim.de. Das erste Wochenende ist bereits ausverkauft.

x