Bad Dürkheim Jamaika: Was Berlin von Bad Dürkheim lernen kann

„Liebe Petra, lieber Reinhard, natürlich denke ich an einem solchen Wahlabend, an dem Jamaika im Bund im Raum steht, an Euch. Hoffen wir, dass die Parteikollegen in Berlin eine so konstruktive Zusammenarbeit hinbekommen wie wir in Bad Dürkheim.“ Es war sicher eine spontane Mail aus Mainz, die bei Reinhard Stölzel und Petra Dick-Walther am Sonntagabend einging. Sie kam vom früheren Fraktionssprecher der Grünen im Stadtrat, Christian Heitzmann, an seine damaligen Amts- und Koalitionskollegen von FDP und CDU. Mit ihnen hatte der heute knapp 34-Jährige, der 2014 in die Landeshauptstadt umgezogen ist, fünf Jahre davor mit 25 den dritten Koalitionsvertrag für ein Jamaika-Bündnis in Bad Dürkheim unterzeichnet. Stölzel, der seit 1979 im Stadtrat sitzt und Heitzmanns Vater sein könnte, war damals 61. Als „alter Hase“ hätte er einen solchen Jungfuchs sicher leicht über den Tisch ziehen können. Stattdessen hatte Stölzel im Grundentwurf erneut und bewusst einige grüne Punkte gesetzt. Zur Überraschung der Ökologenpartei auch einige heikle. „Das können wir euch nicht zumuten“, hat Stölzel deren Reaktion noch im Ohr. Doch, konnten sie. Schon im ersten Jamaika-Vertrag 1999, den er mit Heidi Langensiepen (FDP) entwarf, hatte Stölzel diese Strategie angewandt. Aus Sorge, die Grünen um das Spitzenduo Karola und Udo Zwar könnten noch abspringen. Stölzels Taktik ging auf: Seit dreieinhalb Legislaturperioden funktioniert „Jamaika“ in Bad Dürkheim bestens – länger als irgendwo sonst in Deutschland. „Am Anfang war das von Vernunft geprägt“, sagt der heute 69-Jährige. Denn die CDU wollte weder eine Große Koalition mit der SPD, noch die FWG wieder mit ins Boot nehmen. Inzwischen funktioniert, ja, harmoniert das Bündnis speziell mit Blick auf das Grünen-Personal bereits in dritter „Generation“. Anständiger Umgang miteinander färbt offenbar immer wieder ab. Damit es in so einer bundesweit immer noch außergewöhnlichen Konstellation über so lange Zeit ohne größere Krisen klappt, bedarf es aus Stölzels Sicht mehrerer Komponenten. „Man muss als erstes seine gegenseitigen Vorurteile überwinden. Und dann zu guten persönlichen Beziehungen kommen.“ Bei dem CDU-Granden sind es sogar einige persönliche Freundschaften geworden, wie er sagt. So weit müsse es bei den Spitzen einer möglichen Troika in Berlin gar nicht gehen. Aber den offenen, ja, aufgeschlossenen Umgang mit dem politischen Verhandlungspartner und dessen Überzeugungen, das Überwinden eigener Parteiegoismen und die Pflege guter, verlässlicher und vertrauensvoller Beziehungen, als Parteien wie als Personen, das könne man „den Oberstrategen in Berlin jetzt auch nur wünschen“. Dass es vieles erleichtert, wenn die handelnden Personen miteinander können, wie man sagt, bestätigen Stölzel ebenso wie Petra Dick-Walther und Reinhart Zobel. „Es muss zwischen den Menschen funktionieren“, sagt die Liberalenchefin. Wobei es die Kommunalpolitiker – auch da sind sich alle einig – insofern „leichter“ haben, als sie sich primär „an der Sache orientieren, an dem, was für die Stadt und die Bürger wichtig ist – und nicht an Parteipolemik“, so die FDP-Frau. In der Tat sind im Stadtrat die vom Berliner Parkett nur allzu bekannten Reflexe kaum einmal zu beobachten, dass jegliche Meinung oder Überlegung auf der einen Seite sofort und unausweichlich eine Widerrede auslöst. Was in Bad Dürkheim selbst gegenüber oder von der Opposition nicht so gehandhabt wird, war zuletzt selbst unter den Darstellern der „GroKo“ gang und gäbe. In Bad Dürkheim dagegen funktioniere es, „weil wir Koalitionspartner sind. Betonung auf Partner“, sagt Zobel. Und zwar gleichwertig, „auf Augenhöhe“, wie es im Politsprech gern heißt. „Es gibt keinen Senior- und keine Juniorpartner“, sagt der Grünensprecher im Stadtrat unabhängig von der Spanne bei den Stimmenanteilen der letzten Kommunalwahl (CDU 42,1, Grüne 9,9, FDP 6,0). „Das eigene Profil jedes Koalitionspartners darf erhalten bleiben“, unterstreicht Stölzel. Neben eigenen Anträgen umfasst dies insbesondere das „Recht“, auch mal gegen einen oder beide Regierungspartner zu stimmen. So lange dies nicht gegen den Koalitionsvertrag verstößt (und man den Partner in der Regel vorab vertrauensvoll informiert). Im Stadtrat ist man da „viel toleranter“ (Stölzel) als bei den den Großkopfeten inklusive der politischen Medien, wo derlei im gleichen Atemzug den Begriff „Krise“ und die Frage nach dem Ende der Koalition auslöst. Vertrauen und Verlässlichkeit – wie im richtigen Leben auch in Politik und Wirtschaft entscheidende Komponenten für ein funktionierendes Miteinander. Auch dies leben die „Jamaikaner“ in Bad Dürkheim vor. Und auch daran könnte sich die große Politik – bundes- wie weltweit – eine dicke Scheibe abschneiden. „Wir fragen uns immer: Was ist gut für Bad Dürkheim?“, pflichtet Zobel seiner FDP-Kollegin bei. Für die Verhandler wie Entscheider eines Jamaika-Bundes leitet er analog die alleinige Richtschnur ab: „Was ist gut für unser Land? Das muss höchste Prämisse sein – nicht persönliche und parteiliche Profilierung. Und unabhängig von Lobbyismus.“ Die Parteien in Berlin müssten sich ihrer demokratischen Verantwortung bewusst werden, sagt Dick-Walther. „Sie haben einen Auftrag, den sie nun umsetzen müssen.“ Sie wünscht sich, dass sich dafür Persönlichkeiten finden, die miteinander reden können. Und sich rein sachorientiert fragten: Wo ist der gemeinsame Nenner? „Alle müssen einen Schritt aufeinanderzu gehen.“ Ja, Jamaika klappe in Bad Dürkheim immer noch gut, konnte Reinhard Stölzel seinem jungen Freund Christian Heitzmann noch am Sonntagabend versichern. „Hoffentlich können unsere Chefstrategen in Berlin (und leider auch die aus München) es uns nachmachen“, mailte er zurück. Nicht zuletzt übrigens, was die politische Kultur betrifft ...

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