Bad Dürkheim Schmutz, Schwund und Schäden

Auch der Wurstmarkt konnte eine Dürkheimer Delegation der Protestantischen Kirchengemeinde nicht davon abhalten, sich am Samstag in der Werkstatt der Restauratorin Esther Nickel den zerlegten Leininger Kanzelaltar der Schlosskirche anzusehen. In Altenkirchen ließen sie sich die notwendigen Arbeiten zu seiner Erhaltung erklären.

„Der Kanzelaltar hat uns schon gefunden, jetzt ist auch noch der Pelikan aufgetaucht“, stellte Dekanin Ulla Hoffmann seufzend fest. Ihr war nach eigenen Angaben sofort klar, dass man die Sache nicht so einfach auf sich beruhen lassen konnte. Schließlich handelt es sich beim Altar um ein pfälzisches Kulturgut ersten Ranges, das die Protestantische Kirchengemeinde quasi als „Erbstück“ von den Leininger Grafen erhalten hat, wie ein Blick in die bewegte Vergangenheit der Schlosskirche zeigt. Begonnen hat alles mit dem Leininger Grafen Emich X., er legte 1563 für seine Grafschaft durch einen Verwaltungsakt das lutherische Bekenntnis fest: nach dem Prinzip „Cuius regio, eius religio“ (wessen Gebiet, dessen Religion). Folgerichtig feierte die Kirchengemeinde vor zwei Jahren „450 Jahre Reformation in Bad Dürkheim“. Ende des 15. Jahrhunderts wurde in der St. Johanniskirche, der späteren Schlosskirche, der plastische Schmuck, Kapitelle, Dienste und das Fenstermaßwerk fast völlig weggeschlagen und sie so in ein Bauwerk mit Reduktionsgotik verwandelt. Erst als der 1703 geborene Graf Friedrich Magnus seine Residenz von Hardenburg nach Dürkheim verlegte und dort sein Stadtschloss mit Lustgarten errichtete, wurde die St. Johanniskirche zur Schlosskirche und standesgemäß repräsentativ ausgestattet. 1729 steht im lutherischen Kirchenbuch: „Es wurden eine schöne mit Bildhauerarbeit verfertigte neue Cantzel und Altar aufgerichtet“. Der Kanzelaltar ist eine besondere protestantische Altarform aus dem 18. Jahrhundert, bei dem die Kanzel in den Altar integriert ist, um die Gleichwertigkeit von Predigt und Abendmahl herauszustellen. Es ist nachweislich der gewichtigste und eigenständigste Beitrag zum protestantischen Kirchenbau. Aus diesen Gründen sieht es die Landesdenkmalpflege als Pflicht der Protestantischen Kirchengemeinde an, den nun wiederentdeckten Leininger Kanzelaltar zu restaurieren. Nach Aussage der Behörde würde seine Wiederaufstellung eine großartige historische und kunsthistorische Bereicherung für die Stadt, die Region und die gesamte Pfalz darstellen. Bereits im August konnten sich einige Mitglieder des Presbyteriums vor Ort bei der Restauratorin Esther Nickel im Westerwald den in seine Einzelteile zerlegten Altar ansehen und waren erstaunt, wie hell und kunstvoll sie aussehen. Am Samstag folgte eine zweite Gruppe. „So schön habe ich den Altar gar nicht mehr in Erinnerung“, meinten auch die, die ihn noch von früher kannten. Bei ihrem Besuch bekamen auch sie jetzt Einblick in die Arbeit der Restauratorin. „Durch die lange Lagerung auf dem Dachboden in Speyer zeigen die Teile die typischen Schadensbilder wie zum Beispiel Schwundrisse“, sagte sie, „vor allem der Schmutz muss unbedingt entfernt und die Flächen gefestigt werden“. Bis zu neun Arbeitsschritte seien dazu notwendig. Die untere Grundierung sei jedoch noch stabil, so dass auf den letzten Zustand restauriert werden könne, erklärte Nickel. Auf jeden Fall müsse aber vor Beginn der Restaurierung eine Stickstoff-Begasung erfolgen, um den vereinzelt vorhandenen Holzwurmbefall zu stoppen. Bei der Restauratorin ist das kein Problem, da sie für die wissenschaftliche Begutachtung des Altars eine große Halle angemietet hat. Die erforderlichen Schritte für die Restaurierung hat Nickel in 142 Kartierungen erfasst und die jeweiligen Arbeiten detailliert aufgelistet. Bei einigen Teilen hatte sie probeweise kleinere Flächen bearbeitet und zeigte den Besuchern am Samstag den Unterschied zum Urzustand. Viel Geduld und Sorgfalt sind für diese Arbeiten nötig. In ihrer Expertise veranschlagt sie rund ein Jahr Arbeit in der Werkstatt, ehe ein endgültiger Aufbau möglich ist.

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