Freinsheim Verein Miteinander: „Wir brauchen Nerven und Helfer“

Jeden Montag herrscht großer Andrang im Büro des Vereins Miteinander in Freinsheim.
Jeden Montag herrscht großer Andrang im Büro des Vereins Miteinander in Freinsheim.

Der Verein Miteinander unterstützt seit 2015 Geflüchtete bei der Integration. Ehrenamtliche Helferinnen kämpfen täglich gegen Hürden. Doch es gibt auch Erfolgserlebnisse.

Für Shindaya Nur aus Somalia ist heute ein guter Tag. Die alleinstehende Mutter könnte bald in eine größere Wohnung in Freinsheim ziehen. Sie lebt seit sieben Jahren mit ihren zwei Kindern in einem Zimmer. Eines ihrer Kinder sitzt im Rollstuhl, was die Wohnungssuche noch schwerer machte. Silke Stevermüer vom Verein Miteinander erklärt ihr, was jetzt zu tun ist. Den Antrag an das Jobcenter für die Übernahme der Miete hat der Verein schon gestellt. Shindaya Nur soll in den nächsten Tagen die Bestätigung erhalten, damit soll sie schnell ins Büro kommen. Bevor die geflüchtete Somalierin aus dem Büro glücklich wieder zu ihren Kindern geht, muss sie noch für einen anderen Somalier übersetzen.

Die ersten „Kunden“ sind schon früh vor Ort

Schon vor 16 Uhr stehen die ersten „Kunden“, wie sie hier genannt werden, am Montag vor dem Büro des Vereins Miteinander in Freinsheim. Geflüchtete Männer, Frauen und Kinder. Es werden verschiedene Sprachen gesprochen. Manche leben erst seit ein paar Monaten in der Region, andere seit ein paar Jahren. Niemand ist zum ersten Mal im Büro des Vereins. Einige haben mehrere Ordner mitgebracht, voll mit Anträgen, Formularen und Briefen, die sie nicht verstehen. Die einen warten glücklich und lächelnd, weil sie ihre Arbeitserlaubnis erhalten haben oder endlich eine Wohnung beziehen können. Die anderen sind besorgt, weil ihre Aufenthaltsdokumente abgelaufen sind oder sie ihren Job verloren haben.

Im Büro machen sich die Helferinnen für die Arbeit bereit. Computer werden hochgefahren. Der Drucker wird angeschaltet. Silke Stevermüer und Andrea Scheuermann sind seit neun Jahren ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe aktiv. Vera Heinzmann ist seit zwei Jahren dabei. „Ich wollte in meiner Rente etwas Sinnvolles machen“, erzählt die Freinsheimerin. Saja Almusa ist selbst geflüchtet und unterstützt bei der Übersetzung vom Arabischen ins Englische. Sie ist seit zwei Jahren in Deutschland und besucht gerade den A2-Sprachkurs. Für die anderen mehr als fünf Sprachen finden sich meistens Übersetzer unter den Geflüchteten. Wenn nicht, kommt Google-Übersetzer zum Einsatz, wie in dem Fall einer ukrainischen Familie, die am Montag da ist.

Hilfe zur Selbsthilfe ist Ziel des Vereins

Der Verein Miteinander wurde 2015 gegründet, als die ersten Flüchtlinge nach Freinsheim kamen. Die Mitwirkenden des Vereins kommen aus verschiedenen Ländern. Sie verstehen sich als Sozial-Hilfe-Verein für alle Menschen. Die Integration von Flüchtlingen gehört zu den Hauptaufgaben des Vereins. „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist ihr Ziel, nicht fortdauernde Betreuung. Zu den Vereinsprojekten gehören auch eine Fahrradwerkstatt, ein Frauencafé, ein Sozialladen sowie Sprachkurse.

Bürokratie erschwert die Arbeit

Die Frauen vom Freinsheimer Miteinander-Verein haben in den letzten Jahren viel erlebt. Sie können viele schöne und unschöne Geschichten erzählen. Zu den unschönen Geschichten gehören in erster Linie die Bürokratie und der Umgang mit Behörden. „Wir hatten zum Beispiel einen Job in der Gastronomie für einen jungen Geflüchteten gefunden und einen Antrag auf Arbeitserlaubnis gestellt“, erzählt Scheuermann. Der Antrag sei abgelehnt worden. Der Grund: Der angegebene Stundenlohn lag einen Cent unter dem Mindestlohn, deswegen musste der Stundenlohn angepasst und der Antrag neu gestellt werden. Insgesamt habe die Bearbeitung so fast drei Monate gedauert – so lange warte normalerweise kein Arbeitgeber. „Man hätte uns einfach kurz anrufen sollen, und wir hätten das schnell erledigt.“

Für viele Geflüchtete sei die Integration in den Arbeitsmarkt sehr schwierig. „Viele kommen zu uns und wollen arbeiten. Ohne ausreichend Sprachkenntnisse ist es aber sehr schwierig“, versuchen Scheuermann und Stevermüer immer wieder zu erklären. Auch für qualifizierte Geflüchtete sei es nicht so einfach. Abschlüsse müssen durch verschiedene Behörden bewertet und anerkannt werden.

Hoffen auf Unterstützung von Sozialarbeiter

Es dauere alles viel zu lange, vor allem bei der Ausländerbehörde und beim Arbeitsamt. Die Flüchtlingshelferinnen haben Verständnis dafür, dass die Belastung dort extrem hoch ist und dass überall Personalmangel herrscht. „Die Behörden sollen bessere Löhne bezahlen, um ihre guten Mitarbeiter nicht zu verlieren“, empfiehlt Scheuermann. Die hohe Fluktuation in den Ämtern führe auch oft zu Verlust von Fachwissen. Was aktuell gut funktioniere, sei die Zusammenarbeit mit der Verbandsgemeinde in Freinsheim. Dafür bedankt sich der Verein bei den Mitarbeitenden.

Woran fehlt es aktuell? „Nerven und Helfer“, sagt Scheuermann und lacht. Die Arbeit in der Flüchtlingshilfe wird nicht weniger, wie viele denken. „Es scheint vergessen worden zu sein, dass immer noch Menschen kommen, die Hilfe brauchen“, berichtet Silke Stevermüer. Am meisten würde sich der Verein über die Unterstützung durch professionelle Sozialarbeiter freuen. „Wenn wir überhaupt jemanden finden würden, könnten wir als Verein über unser Spendenkonto maximal einen Minijob finanzieren. Aber eigentlich sollte die Integration ja auch als Aufgabe von Verbandsgemeinde und Kreis Bad Dürkheim wahrgenommen werden“, sagt Stevermüer.

Junger Afghane leitet Restaurant-Küche

„Natürlich ist es auch so, dass über die Jahre viele neue Freundschaften entstanden sind. Es gibt immer wieder supernette Leute, die man auch nach Jahren immer wieder gerne trifft“, berichten Scheuermann und Stevermüer, die sich vor ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit nicht kannten. Sie freuen sich immer, wenn jemand seine Ausbildung bestanden hat oder seine Familie nachholen konnte. Familie Scheuermann betreut seit Jahren einen jungen Afghanen, der mittlerweile wie ein Sohn zur Familie gehört. „Er kannte meinen verstorbenen Vater und nennt die 92-jährige Freundin meines Vaters Oma und schreibt WhatsApp mit ihr“, erzählt Scheuermann. Die Familie hat ihn durch die Kochausbildung begleitet. Jetzt leitet er eine Restaurant-Küche. Auch andere, die mittlerweile keine Flüchtlinge mehr sind und woanders leben, melden sich immer wieder und berichten aus ihrem Leben.

Das Büro hat eigentlich montags von 16 bis 18 Uhr geöffnet. Kurz vor 19 Uhr werden aber immer noch ein paar von den 25 „Kunden“, die heute da sind, unterstützt. Auch wenn alle gegangen sind, ist nicht alles erledigt. Scheuermann und Stevermüer sind die ganze Woche mit diesen und anderen Fällen beschäftigt, schreiben E-Mails und telefonieren mit Behörden. Täglich bekommen sie Anfragen von „Kunden“ per WhatsApp, werden Fotos von unverständlichen Behördenschreiben geschickt.

x