Donnersbergkreis Alles andere als eine Notlandung

Jürgen Sottung – hier in einem in Segelflugkreisen als „Glasflügel 304“ bezeichneten Flieger, von dem nur 62 gebaut wurden – hat
Jürgen Sottung – hier in einem in Segelflugkreisen als »Glasflügel 304« bezeichneten Flieger, von dem nur 62 gebaut wurden – hat in diesem Jahr bereits mehr als 100 Flugstunden hinter sich. Bei einem seiner Ausflüge musste er kürzlich auf einem Acker bei Kirchheimbolanden landen.

Es war gegen 14.15 Uhr an jenem Tag, als der Polizei ein Flugzeug gemeldet wurde, das auf einem Acker in Kirchheimbolanden liege. Vor Ort gab es dann Gewissheit, denn die Beamten fanden einen Segelflieger mit 15 Metern Spannweite mitten in einem Getreidefeld. Verletzt wurde glücklicherweise niemand. Schnell wurde aber von einer Notlandung gesprochen. „Das war keine Notlandung“, stellt der Pilot des Segelfliegers, Jürgen Sottung, jedoch klar. Er habe auch versucht, den Beamten vor Ort ausführlich zu erklären, dass so etwas keine Seltenheit sei. Vielmehr gebe es drei Arten von Landungen in der Luftfahrt: Die Notlandung, die Sicherheitslandung und die Außenlandung. „Notgelandet wird, wenn eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben besteht“, erläutert Sottung. Bei der Sicherheitslandung wiederum bestehe keine akute Not. „Es liegt aber ein technisches Problem vor wie der Ausfall des Fahrtmessers, so dass die Geschwindigkeit nicht mehr angezeigt wird“, berichtet Sottung. In solchen Fällen weiche man von der geplanten Flugroute ab. „Ist der Flughafen 20 Minuten weg, muss man abwägen, ob das reicht oder ob man direkt runter muss, weil sich die Lage verschlechtern könnte“, weiß der 50-Jährige um die Gedanken in einer solchen Situation. Die Thermik fehlt Ähnliche Gedanken gibt es auch bei der Außenlandung. „Die gibt es nur bei Segelfliegern, weil alle anderen Flugzeuge nur auf zugelassenen Flächen landen dürfen.“ Der Grund sei hier in der Regel, dass ein Segelflugzeug keinen Motor hat und der Flieger somit abhängig von der Thermik, sprich den aufsteigenden Luftmassen, und dem eigenen Können ist. Ist erstere nicht mehr gegeben, kann eine Außenlandung unabdingbar sein. „Meistens beruht sie auf einer Fehleinschätzung bezüglich der Thermik“, sagt der Sportsegelflieger. Eine solche Fehleinschätzung war schließlich der Grund für seine Landung auf dem Acker bei Kirchheimbolanden. „Ich habe während meines Flugs keine aufsteigenden Luftmassen mehr gefunden und musste deshalb eine sichere Außenlandung einleiten.“ Ungewöhnlich sei das nicht. „Das kommt oft vor, selten jedoch in der Nähe einer Stadt oder von Spaziergängern“, weiß Sottung. Deshalb bekomme es in der Regel keiner mit. Für Sottung selbst, der in diesem Jahr bereits mehr als 100 Stunden im Flieger saß, war es die zweite Außenlandung 2019. „Im Grunde fliegen wir beim Sportsegelfliegen mit dem, was die Natur an Thermik hergibt, und die wollen wir nutzen, um einen möglichst langen Flug zu schaffen“, erklärt Sottung. Und so war sein ursprünglicher Plan für den Flug im Juni auch ein ganz anderer. „Ich wollte fünf bis sechs Stunden in der Luft sein und rund 400 Kilometer fliegen“, erzählt er. Gestartet ist Sottung in Oppenheim bei Mainz, dann ist er über Undenheim und Flomborn südlich von Alzey in Richtung Donnersberg geflogen. „Da musste ich mich entscheiden, ob ich auf der Route südlich oder nördlich des Donnersbergs weiterfliege“, beschreibt Sottung seine Gedanken. Er entschied sich für den Norden. „Das war im Nachhinein nicht das Beste“, gibt er zu, „aber das Wetter ist jeden Tag anders, man kann nicht pauschal sagen, südlich oder nördlich fliegen zu müssen.“ Als schwieriges Pflaster für Segelflieger will er den Donnersberg dennoch nicht bezeichnen. „Klar ist aber, dass ein Berg Effekte auf den Wind hat und sich etwa negativ auf die windabgewandte Seite auswirkt.“ Die Stärke der Auswirkungen sei ganz unterschiedlich. „Generell kann aber gesagt werden, dass zwischen dem Boden und einer Lufthöhe von 500 Metern viel Unruhe ist“, sagt Sottung. Durch die Erhebungen und die Bodenreibung sei hier der Einfluss auf den Wind sehr stark, die Böen turbulent und ungleichmäßig. Komme der Flieger zu nahe an den Boden, sei es sehr schwierig, wieder nach oben zu kommen. „Das ist in 1000 Metern Höhe anders. Dort weht der Wind relativ störungsfrei.“ Sottung befand sich während seines Flugs teilweise in 1400 Metern Höhe über dem Meeresspiegel. Bei Flomborn sei er noch bei mehr als 1000 Metern Höhe gewesen, vor Kibo dann auf rund 900 Meter gesunken. „Ich habe keine Thermik mehr gefunden, bin dann über die Stadt geflogen, weil es dort an sonnigen Tagen oft wärmer ist als über den Feldern“, führt Sottung aus. „Dann habe ich die Felder angesteuert, sonst hätte der Flug im Wald geendet.“ Risiko Außenlandung Mit der Landung war dann auch sein ursprünglicher Plan dahin, unter anderem über das Saarland, Koblenz, die Eifel, den Hunsrück und bei guter Thermik bis in den Taunus zu fliegen. „Das wären dann gut 400 Kilometer gewesen.“ Im Endeffekt war sein Flug nach 46 Minuten und 45 Kilometern beendet, wie die Daten seines Flugschreibers zeigen. „Manchmal gehen die Flugpläne einfach nicht auf, weil man sinkt und nicht mehr nach oben kommt.“ Dann gebe es keine andere Möglichkeit mehr, als nach einer sicheren Stelle zum Landen für den Pilot und das Flugzeug zu suchen. „Und es sollen natürlich etwa auch keine weidenden Kühe zu Schaden kommen“, sagt Sottung. Dass die Polizei nach seiner Landung gerufen wurde, stört Sottung nicht. Im Gegenteil: „Ich bin heilfroh, wenn jemand in so einer Situation Hilfe ruft.“ Schließlich wüssten Spaziergänger nie, ob dem Piloten etwas passiert ist. Ohnehin seien Außenlandungen für einen Piloten immer risikobehaftet. „Steine, Bewässerungsrohre oder andere Fremdkörper sieht man aus der Luft nicht immer“, sagt Sottung, „bricht dann beim Aufprall der Rumpf, kann auch schnell mal das Wadenbein durch sein.“ „Deshalb ist es immer besser, wenn die Leute Hilfe rufen, und es ihnen nicht egal ist, ob jemand verletzt sein könnte.“

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