Donnersbergkreis Eine Frage der Gerechtigkeit

Buckelpiste: Für rund 70.000 Euro soll ein zur Bezirksamtsstraße gehörendes Gässchen neben dem Rockenhausener Rathaus in diesem
Buckelpiste: Für rund 70.000 Euro soll ein zur Bezirksamtsstraße gehörendes Gässchen neben dem Rockenhausener Rathaus in diesem Jahr erneuert werden. 600.000 Euro kostet die ebenfalls vorgesehene Sanierung der Kämswiese und eines Teilstücks »Am Weidengarten«. Ob die Maßnahmen vorerst auf Eis gelegt werden, darüber hat der Stadtrat kürzlich diskutiert.
Die Situation

Wie mehrfach berichtet, läuft bundesweit eine Debatte, ob die bislang von den Grundstückseigentümern zu leistenden Beiträge für den Ausbau von Straßen abgeschafft werden sollen. Bislang sind diese zu einem – von Kommune zu Kommune unterschiedlich – festgelegten Prozentsatz an den Kosten beteiligt. Und je größer sein Grundstück ist, umso teurer wird es für den Bürger. Auf Antrag der CDU-Fraktion hat nun auch der Rockenhausener Stadtrat intensiv über dieses Thema diskutiert. Wie der Rockenhausener Bürgermeister Karl-Heinz Seebald (SPD) den Ratsmitgliedern erläuterte, ist die Initiative zur Reform dieser Regelung vom Bund der Steuerzahler sowie dem Grundbesitzerverband ausgegangen und von Bayern beziehungsweise Hessen nach Rheinland-Pfalz übergeschwappt. Hier forderte die AfD jüngst vergeblich im Landtag, das Land solle für Straßensanierungen jährlich 50 Millionen Euro zur Verfügung stellen und Grundstücksbesitzer ganz befreien. Das wollen auch CDU – diese stellt einen Betrag von 75 Millionen Euro pro Jahr in den Raum – und FDP, mit jeweils eigenen Akzenten. Die Landesregierung habe jedoch signalisiert, in der laufenden Legislaturperiode am bestehenden System festzuhalten, so Seebald. Das bedeutet: Eine Änderung könnte es frühestens nach der Landtagswahl 2021 geben. Der Verbandsgemeinderat Winnweiler – hier ist die VG Baulastträger der Gemeindestraßen - hat deshalb mit Ausnahme des bereits beschlossenen Ausbaus der Berliner Straße sämtliche Erneuerungen auf Eis gelegt. Der Kirchheimbolander Stadtrat hat dagegen entschieden, mit den Sanierungen wie geplant fortzufahren. Der Antrag Vor diesem Hintergrund hat nun die Rockenhausener CDU im Stadtrat gefordert, „alle im Prioritätenplan vom 11. Februar 2015 festgelegten Straßenausbaumaßnahmen, die bisher noch nicht ausgeführt wurden, zumindest bis zur 2021 anstehenden Landtagswahl zurückzustellen“. Danach erwartet Fraktionsvorsitzender Werner Dietz bezüglich der Regelung „ein Umdenken einer neuen, wie auch immer zusammengesetzten Landesregierung“. Aufgrund dieser sich abzeichnenden Entwicklung wäre es nach Ansicht der CDU ungerecht, „den Bürgern nochmals Beträge aufzulasten, die nach einer Gesetzesänderung nicht mehr anfallen würden“. Die Diskussion Unabhängig davon, ob er die Aussetzung der Maßnahmen angesichts der zumindest unklaren Zukunft der Ausbaubeiträge für sinnvoll erachtet – beim Punkt „Gerechtigkeit“ hatte Seebald eine andere Auffassung: „Alles, was an Geld in den Straßenausbau fließt, wird von den Bürger gezahlt – entweder direkt über Beiträge oder indirekt über Steuern“, so der Stadtchef. Sollten künftig die Grundstücksbesitzer nicht mehr an den Kosten beteiligt werden, dann müsste das Land die zusätzlichen Mittel entweder durch Steuererhöhungen gewinnen oder aber Leistungen aus dem Haushalt streichen. Beides ginge dann ebenfalls zu Lasten der Bürger. Und Michael Cullmann (SPD), der als Verbandsbürgermeister Rederecht besitzt, befürchtet bei einer etwaigen Gesetzesänderung negative Auswirkungen für Schulen, Kitas oder den Investitionsstock zur Förderung kommunaler Maßnahmen – und letztlich für die hier lebenden Menschen. Weiterhin sieht Seebald die Gefahr „einer Verlagerung gemeindlicher Rechte ans Land. Dann wird künftig in Mainz entschieden, wo wann welche Straße ausgebaut wird“. Ferner reichten die von den unterschiedlichen Seiten ins Spiel gebrachten Beträge nicht nur nach seiner, sondern auch nach Einschätzung des Gemeinde- und Städtebundes nicht aus, um den Ausfall der Bürgerbeiträge aufzufangen: Hierzu sei nach Schätzungen ein mittlerer dreistelliger Millionen-Betrag notwendig. Nicht zuletzt hält er – zurück zur Ungerechtigkeit – die Belastungen lediglich dort für unzumutbar, wo für die Kosten von Sanierungsarbeiten nur die Anwohner der jeweiligen Straße herangezogen werden. Denn hier kommen rasch Summen von mehreren tausend Euro zusammen. In Rockenhausen hat man dagegen 2006 auf wiederkehrende Beiträge umgestellt. Dabei zahlen alle Grundstücksbesitzer einer Abrechnungseinheit (meistens eine Gemeinde oder Stadt beziehungsweise ein Stadtteil) jedes Jahr für alle in diesem Bereich ausgeführten Straßenprojekte mit. Dadurch liegen die Beträge hier meistens noch im erträglichen Bereich. Daran anknüpfend verwies Dietz darauf, „dass das, was kommt, nicht Inhalt unseres Antrags ist. Wir wollen nur vorbauen, falls etwas kommt“. Und er ist überzeugt, dass dies der Fall sein wird: „Ich bin sicher, es wird eine Veränderung geben – egal, wer an die Regierung kommt.“ Vorstellen könne er sich als Kompromiss eine abgemilderte Form der wiederkehrenden Beiträge. Deshalb empfände es die CDU als ungerecht, „dass die Bürger jetzt noch einen höheren Beitrag zahlen müssen als nach 2021“. Zudem sei er entgegen Seebald nicht der Meinung, dass die Entscheidung über einzelne Maßnahmen künftig in Mainz getroffen würden: „Es wird weiterhin vor Ort gefragt werden, dann gibt es eine Prioritätenliste, wie bei anderen Projekten auch.“ Michael Vettermann (FDP) plädierte ebenfalls dafür, „abzuwarten, was auf Landesebene passiert und dann zu sehen, wie der Bürger be- beziehungsweise entlastet wird“. Joseph Blaum (SPD) zeigte sich dagegen „überhaupt nicht sicher, dass sich was tun wird, egal wie die Landesregierung aussieht. Außerdem haben wir ja in Rockenhausen schon die Lösung mit den wiederkehrenden Beiträgen.“ Dennoch könne seine Fraktion grundsätzlich mit dem Antrag auf Aussetzung der Maßnahmen bis 2021 mitgehen – allerdings unter einer Bedingung: Der Ausbau einer zur Bezirksamtsstraße gehörenden Stichstraße beim Rathaus, der Kämswiese und eines Teilstücks „Am Weidengarten“ wird noch ausgeführt. Begründung: Die Planung für diese Maßnahmen ist bereits abgeschlossen, zudem sind Landesmittel in Höhe von 150.000 Euro bewilligt. „Die wollen wir nicht verfallen lassen“, so Blaum. Ferner zahlten die Anlieger dieser Straßen schon seit über zehn Jahren wiederkehrende Beiträge für andere Projekte. Somit wäre es ungerecht, sie nun bis nach 2021 warten zu lassen. Und die Höhe des von den Grundstücksbesitzern beizusteuernden Betrags sei mit durchschnittlich rund 200 Euro durchaus zumutbar, sagte Blaum. Das Ergebnis Nach einer kurzen, von der CDU beantragten Sitzungsunterbrechung zeigten sich alle Stadtratsmitglieder mit dem modifizierten Antrag einverstanden: Die beiden Maßnahmen werden noch ausgeführt, alle weiteren Straßenprojekte bis 2021 gestoppt. Das ist die gerechteste Lösung – jedenfalls nach Meinung des Rockenhausener Stadtrates.

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