Donnersbergkreis Weitgereist aber heimatliebend

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KRIEGSFELD. Im Flur der Wohnung hängen drei große Straßenkarten – der Welt, Europas und der Republik. Fähnchen von bereits besuchten Orten sind eingesteckt. Deutschland ist übersät damit, aber auch in Europa fragt man sich: Wo ist Petra Harlof eigentlich noch nicht gewesen? Diesem Leben steht als Gegenpol der Mikrokosmos von Kriegsfeld gegenüber, wo die 57-Jährige täglich zu nachtschlafender Zeit ihre Runden dreht: Als Zustellerin versorgt sie die eine Hälfte des Dorfes, den „Oberort“, mit der RHEINPFALZ und stellt damit wiederum die Verbindung her zur Region, Deutschland, Europa und der Welt.

Zwischen 4 und 6 Uhr morgens streift sie durch die Gassen, und das seit 31 Jahren. Das „Amt“ hat sie von ihrer Mutter gewissermaßen „geerbt“. Sie blieb ihm auch treu, als sie mit ihrem Mann ins benachbarte Oberwiesen zog. Die drei Gefällstrecken durch den Wald seien kein Hindernis gewesen, sagt sie; in all den Jahren seien sie, dank des tollen Räumdienstes, nur zweimal unpassierbar gewesen. Einmal blockierte ein im Sturm umgestürzter Baum die Straße, aber der Fahrer auf der Gegenseite entnahm kurzerhand seinem Kofferraum eine Kettensäge, und im Nu war das Hindernis zerlegt. Die Geschichte passt zu der zupackenden und unternehmungslustigen Art der Pfälzerin, die inzwischen wieder in Kriegsfeld wohnt und sich nach der Aktion im Morgengrauen nicht etwa eine Ruhepause gönnt. Vielmehr beginnt direkt im Anschluss ihr eigentlicher Arbeitstag, der lange in Alzey bei „Praktiker“ stattfand, wo sie auch ihren Mann kennenlernte. Nach Auszug der Tochter ist die kleinere Kriegsfelder Wohnung nun ganz richtig für das Paar, nur stieß jetzt die Sammelleidenschaft der beiden an ihre Grenzen: Wohin mit seinen 1800 Bier-Trucks, und wohin mit ihrer Schweinchen-Sammlung, aus allen Gegenden der Welt zusammengehäuft? Zumindest für die Letztgenannten gab es eine befriedigende Lösung im neuen Stuttgarter „Schweine-Museum“. Ein paar besonders liebgewonnene Exemplare sind natürlich noch vorhanden, so ein entzückendes Gondel-Schweinchen, selbstverständlich aus Venedig. Kaum zu glauben, aber Petra Harlof ist ein Morgenmuffel. Doch gerade deswegen empfindet sie ihren Zustellerjob als hilfreich: „Ich komme nicht so schnell in die Gänge, da ist das Unterwegssein in der frischen Luft gut.“ Sie empfindet es auch als Vorzug zu erleben „wie der Tag erwacht“, auch bei ihren vielen Reisen fahre sie gern ganz früh in den Morgen hinein. Es sei dann eben abends früher Schluss. Nichts für Ängstliche, sagt sie, sei das Zustellen im Dunkeln. Man habe zuweilen unerwartete Begegnungen, sehe gelegentlich Dinge, „die man eigentlich nicht sehen dürfte“ und auch nicht sehen wollte. Einmal beobachtete sie einen Fuchs, was ihr aber zunächst außer dem Tierarzt niemand glaubte. Es war in der Tat ein – kranker – Fuchs, wie sich später herausstellte. Eine wirklich unheimliche Begegnung aber liegt bestimmt schon 20 Jahre zurück. Damals stand die RHEINPFALZ-Kiste noch gegenüber dem Friedhofstor mit Blick auf die Tür der Leichenhalle. Als Petra Harlof gerade ihre Zeitungen aufnehmen wollte, öffnete sich die Tür und eine schemenhafte Gestalt trat heraus. Hier muss nun die Erzählerin bekennen, dass sie „zur Salzsäule erstarrte“. Der Gruselschock löste sich erst, als ein gemütlich-pfälzisches „gu Moje“ zu vernehmen war. Der vermeintlich Untote war in Wirklichkeit ein normaler Bürger, den seine Frau in dieser Nacht auf die Straße gesetzt hatte und der die kalten Stunden im doch etwas ungewöhnlichen Schutz der Leichenhalle verbrachte. Ob er nun wohl gleich als Erster seine RHEINPFALZ überreicht bekam?

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