Frankenthal Gewaltige Tongemälde

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Beste Unterhaltung mit drei spielfreudigen Formationen bot der Harmonika-Spielring Frankenthal bei seinem Frühjahrskonzert am Sonntag in der Zwölf-Apostel-Kirche. Die Reihen waren mit über 150 Musikfreunden gut besetzt.

Das Erste Orchester unter der Leitung seiner neuen Dirigentin Carina Mehren eröffnete das kurzweilige Programm. Imposanter Einstieg war „La Storia“ von Jacob de Haan. Für das Werk, das Ennio Moricone als dem Gottvater der europäischen Filmmusik gewidmet ist, gibt es noch gar kein Drehbuch. Dabei bieten die lyrischen wie die zupackenden und mitreißenden schnellen Passagen Ansatzpunkte für viele Assoziationen. Das Orchester glänzte wie gewohnt durch Wohlklang und außerordentliche Präzision. De Haan ist einer der herausragenden zeitgenössischen Komponisten für sinfonische Blasmusik. Die ebenso originellen wie anspruchsvollen Werke des Niederländers halten sich fern von atonalen Abgründen, und sie lassen sich bestens für Akkordeonorchester übertragen. Astor Piazzollas „Milonga del Angel“ verzauberte durch seine verhaltene Melancholie und modulierte Gemütswallungen durch Harmonien in kunstvoller Variation. Heitere Lebenslust verkörperte dagegen das Divertimento „Misteriosa Venezia“ des italientischen Kultorchesters Rondo Veneziano. Mehren drückte aufs Tempo und ließ sein Orchester lautstark jubilieren. Manchem in den ersten Reihen mag es durch Mark und Bein gegangen sein. Für die einstige Nachwuchsformation des Vereines hat Maria Marschalk einen eigenen Charakter geformt und daraus ein Zweites Orchester geschaffen. Die Musikpädagogin mit der unvermeidlichen Stimmgabel in der rechten Hand bewies mit ihren Schützlingen, dass man auch ohne ein Spitzenensemble zu sein, gute handgemachte Musik spielen kann, die für das Publikum einen beachtlichen Unterhaltungswert hat. Nach einer schmissigen Ouvertüre und der flotten Polka „Mit Pfiff!“ breiteten die Musiker ein Medley nordamerikanischer Folksongs aus. Auf das „Old Folks at Home“ folgte die Derrick-Filmmusik in Marschalks Bearbeitung für Akkordeonorchester. Wollte es das Ensemble Ernst & Co darauf anlegen, seinen Namen Lügen zu strafen und ganz unernst mit einer Da-capo-Orgie daherkommen? Die Musik der „Cantina Band“ aus einem Star-Wars-Film – auf einem YouTube-Video in einer über zehn Stunden dauernder Endlosschleife zur hören – kam dann doch nach vier Wiederholungen zum Ende. Ein lustiges Intro, das für viel Heiterkeit und Auflockerung sorgte. Mit „Libertyn“ erwiesen die sieben Akkordeonisten plus Schlagzeuger dem polnischen Akkordeontrio Motion Trio ihre Reverenz. Viel Eindruck machten die Alten Ungarischen Tänze von Ferenc Farkas. Weit weg von der romantisch verklärten Vorstellung ungarischer Tänze à la Brahms und der Musik der Zigeunerkapellen erklangen hier Tanzsätze mal mit höfischem, dann auch eher sakralem Kolorit, auch Anklänge von Renaissance-Tänzen in bedächtig, moderatem Tempo waren zu erkennen. Erst im letzten Satz stellte sich das beschwingte Temperament des beliebten Klischees ein. Die Akustik und das Ambiente in der Kirche taten das Ihre, um diese Musik in ihrer Wirkung zu verstärken. Zum Abschluss gab es mit dem Ersten Orchester und „Danzon No. 2“ noch mal ein gewaltiges Tongemälde zu genießen. Der mexikanische Komponist Arturo Marquez hat ein imposantes musikalisches Panorama lateinamerikanischer Befindlichkeiten geschaffen. Das Erste Orchester brillierte in großer Spielfreude, unterstützt am Klavier von Jörg Mehren.

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