Frankenthal Herzschmerz mit Pfefferminzlikör

„Blaukraut bleibt Blaukraut un Rathausplatz bleibt Rathausplatz“: Autor, Regisseur und Schauspieler Thomas Metzler gibt seinen S
»Blaukraut bleibt Blaukraut un Rathausplatz bleibt Rathausplatz«: Autor, Regisseur und Schauspieler Thomas Metzler gibt seinen Senf zur aktuellen Diskussion um einen möglichen Helmut-Kohl-Platz.

Wer etwas Liebgewonnenes umbenennen will, muss es geschickter anstellen als die Stadträte der CDU, die sich den Rathausplatz als Helmut-Kohl-Platz wünschten. So geschickt wie die Schauspieler des Theaters Bagage, die beim Theaterfest am Samstagabend im Theater Alte Werkstatt (TAW) die Gastbühne zum Trainingsort für alltäglichen Wahnsinn ausriefen. Rund 80 Zuschauer waren begeistert.

Der diplomatische Schachzug der Gäste: Der Wahnsinn ist die Liebe. Sie dürfen an einem Schnupperkurs für Beziehungen teilnehmen, verkündet Love-Coach Sabine. „Ganz ohne Power-Point-Präsentation, aber mit echten Anschauungsobjekten.“ Die smarte Kursleiterin lässt ihre Referentinnen in Pfälzer Mundart über Herzschmerz schwadronieren. Dieser entsteht unter der Bettdecke, wenn der Mann die Blondine vom Dschungelcamp im Kopf hat. Und wenn der Schorsch zur Höchstform im Kochen, Putzen und sogar Pinkeln aufläuft – leider nicht für die eigene Gattin. Ganz besonders nachvollziehbar ist der Herzschmerz, wenn die erotische Elke im pfefferminzgrünen Jackett die Bühne erklimmt. Sie nippt normalerweise nur am Pfefferminzlikör. Heute schwenkt die unglücklich Verliebte Schnapsflaschen, deren Inhalt sie großzügig über das amüsierte Publikum verteilt – und pichelt sich immer beschwipster durch ihr Liebeslied: „Egon, ich hab ja nur aus Liebe zu dir ein Glas zu viel getrunken!“ Auch Thomas Metzler setzt bei seinem Auftritt auf den pfälzischen Dialekt und erzählt in Reimen vom Schorsch, dem Unglücksraben. Dieser stolpert von einem Unfall in den nächsten. Und bricht sich schlussendlich noch den Arm, als die Rettungssanitäter die Liege mitsamt dem Pechvogel fallen lassen. Getreu der Devise „A weng Politik muss rein“ gibt der Autor der TAW-Komödie „Rentner hän kä Zeit“ dann seinen Senf zur Diskussion um die Umbenennung des Frankenthaler Herzens: „Blaukraut bleibt Blaukraut un Rathausplatz bleibt Rathausplatz.“ Mit sieben Beiträgen von TAW- und Gastdarstellern erlebt das Publikum ein unterhaltsames fünftes Theaterfest. Bis in die späten Abendstunden bietet es ein Potpourri aus Schauspiel, Musik, Tanz und Varieté. Darunter sind Kostproben der aktuellen Spielsaison und darüber hinaus. Illusionskünstler Alexander Mabros verzaubert die Gäste mit mystischen Spielen rund um die Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde. „Wir werden ab kommendem Jahr einen magischen Montag mit Zauberdarbietungen ins Programm aufnehmen“, verspricht der künstlerische Leiter des TAW, Jürgen Hellmann. Er freut sich, dass er für die Festbesucher mit Neuigkeiten aufwarten kann: Pünktlich zum Fest hat das Foyer einen neuen Anstrich in Petrol und getöntem Weiß erhalten. Hier hängen bis Mitte September abstrakt-expressionistische Acrylbilder des Ludwigshafener Künstlers Armin Eltze. Die wichtigste Neuerung, 28 frisch renovierte Stühle, lassen die ersten beiden Sitzreihen im Theatersaal in samtigem Rot erstrahlen. Für 100 Euro je Stuhl haben Häftlinge der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal die Erneuerung übernommen. „Die Polsterei der JVA hat uns das günstigste Angebot gemacht“, berichtet Wolfgang Breetzke, Vorsitzender des TAW-Fördervereins. 92 Zuschauerstühle warten noch auf die Schönheitskur. Weil man auf den neu gepolsterten Stühlen bequem wie auf einem Thron sitzt, werden Sponsoren gesucht unter dem Motto „Einen Thron für jeden“ – für 50 Euro könne man auch einen halben Thron finanzieren, meint Breetzke. Ein Theaterfest lebt auch vom Rückblick: Hellmanns Bilanz der ersten Open-Air-Saison auf dem Großkarlbacher Bauern- und Winzerhof: „Die Leute haben das Konzept, Theater mit Musikeinlagen, Wein, Essen und Wanderungen, sehr gut angenommen. Wir hatten jeweils zwischen 50 und 200 Zuschauer bei neun Aufführungen des Stücks ,Der zerbrochene Krug’ sowie zwei Gastauftritten des Theaters Bagage und der Schönen Mannheims.“ Also geht’s nächstes Jahr weiter mit Freilichttheater auf dem Dorf? „Auf alle Fälle“, versichert Hellmann. Ungewiss sei aber, ob das TAW dafür wieder eigens ein Stück inszenieren wird. „Da stößt ein Theater, das hauptsächlich von Ehrenamtlichen geführt wird, an seine Grenzen.“ Denkbar sei, geeignete Eigenproduktionen aus dem Bestand aufzuführen, „so etwas wie Tipitipitipso – die Wunschbox für Schlager, aber das sind noch ungelegte Eier“.

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