Frankenthal Lieber dreimal verglühen als einmal erfrieren

Das war ein Volltreffer. Die von einem ebenso erbitterten wie amüsanten Geschlechterkampf handelnde Boulevardkomödie „Die Wunderübung“ wartete am Montagabend nicht nur mit brillanten schauspielerischen Leistungen film- und fernseherprobter Mimen auf, sondern bescherte dem Congress-Forum endlich einmal wieder ein ausverkauftes Haus.

Das Drei-Personen-Stück des Wiener Autors Daniel Glattauer – in Frankenthal in einer Produktion der Komödie im Bayerischen Hof München auf die Bühne gebracht – wird von bissig-ironischen und selten klischeefreien Dialogen dominiert. Richtig Fahrt nimmt es erst nach der Pause auf, wenn sich zur ersten Beziehungskrise eine zweite gesellt und plötzlich mit vertauschten Rollen operiert wird. Aber der Reihe nach: Die Ehe von Joana (Michaela May) und Valentin (Michael Roll) – sie Historikerin, er technischer Direktor in der Flugzeugindustrie – hat den emotionalen Tiefpunkt erreicht. Sie suchen einen Paartherapeuten (Ingo Naujoks) auf. Sie haben sich zwar eigentlich nichts mehr zu sagen, liefern sich aber scharfzüngige, gezielt verletzende Wortgefechte. Sie kommt mit seiner Gefühlskälte und scheinbaren Unfehlbarkeit nicht mehr zurecht, er leidet unter ihrer verbalen Dominanz. Eine nachvollziehbare, weil mitten aus dem Leben gegriffene Ausgangssituation, in der sich so mancher Zuschauer wiederfinden dürfte. Da hilft offenbar nur ein tiefer Griff in die therapeutische Trickkiste des bisweilen etwas schrullig und unbeholfen wirkenden Eheberaters Harald. Doch die recht einfach gestrickten Partnerspielchen (Anfassen erwünscht) und meditativen Übungen erweisen sich als wenig hilfreich. Immer wieder fallen beide in alte Verhaltensmuster zurück, werfen sich gegenseitig ihre Affären vor. Beim Tauchen in Ägypten haben sie sich seinerzeit kennengelernt und sind eine klassische Unterwasser-Beziehung. „Wir hätten nie auftauchen sollen, zumindest nicht gemeinsam“, stellen sie ernüchternd fest. So richtig turbulent wird es, als der Therapeut durch die eigene Ehekrise völlig aus der Bahn geworfen wird und selbst therapiebedürftig zu sein scheint. Allerdings vergreift er sich im Ton und gibt dem kampfeslustigen Paar den (wenig professionellen) Rat, sich endlich zu trennen. Doch Joana und Valentin denken nicht daran, laufen – von Neugier getrieben – zu Hochform auf und kommen zur Erkenntnis, dass ihre von vielen Reibungspunkten lebende temperamentvolle Beziehung allemal besser ist als zuviel Harmonie. Denn die kann wie im Fall des bedauernswerten Therapeuten schnell das Feuer zum Erlöschen bringen. „Lieber dreimal verglühen als einmal erfrieren“, darin ist sich das bei einem gemeinsamen Tänzchen zum herzerweichenden Song „Love Is In the Air“ wieder zueinander findende Paar einig. Die „Wunderübung“ hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Das von Bernd Schadewald in Szene gesetzte Stück lebt vom ebenso routiniert-lockeren wie ausdruckstarken Spiel seiner prominenten Akteure. Von kratzbürstig-verletzend bis liebenswürdig-charmant beherrschte die Münchnerin Michaela May als Joana alle Ton- und Gefühlslagen, wobei ihr ihre mehr als 50-jährige Bühnenerfahrung sehr zugute kam. Ebenbürtig zur Seite stand ihr Michael Roll, der – deutlich in der Artikulation – den Valentin mit der notwendigen Coolness und Überlegenheit spielte, aber auch Emotionen zeigen durfte. Die dankbarste und publikumswirksamste Rolle hatte der im Ruhrpott aufgewachsene Autodidakt Ingo Naujoks, der als Therapeut souverän agierte und seine schiere Verzweiflung authentisch auslebte. Der unterhaltsame und für notleidende Paarbeziehungen überaus erkenntnisreiche Theaterabend wurde mit reichlich Beifall bedacht.

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