Frankenthal Liebeslyrik geht durch den Magen

Von romantisch-schmachtend über tiefsinning-melancholisch bis witzig-sarkastisch – so lässt sich die Bandbreite der Liebeslyrik charakterisieren, die am Sonntag zur Kaffeestunde bei einer szenischen Lesung, zu der der Kulturverein St. Michael ins Sturmfedersche Schloss in Dirmstein geladen hatte, vom Duo „Texttaxi“ in bekömmlichen Häppchen serviert wurde.

Als Liebespaar gaben die aus Neustadt stammende SWR-Moderatorin Kerstin Bachtler und der in Kirrweiler beheimatete Schauspieler Bodo Redner vor ausverkauftem Haus eine gute Figur ab. Sie benötigten als einziges Requisit nur eine unbequem-harte Holzbank, um ihr von starken Schwankungen geprägtes Gefühlsleben auszubreiten. Sie beließen es freilich nicht beim Rezitieren der Texte, sondern gingen mitunter auch auf Tuchfühlung zueinander und verliehen überdies den verbalen Beteuerungen mit einem innigen Kuss augenfällig Nachdruck – getreu dem Veranstaltungsmotto „Madame, ich liebe Sie!“ Auf den ersten Blick mag es als Wagnis erscheinen, die Liebesgedichte von Heinrich Heine und Mascha Kaléko in einem Atemzug vorzulesen, liegen doch zwischen der Entstehung der Werke über 100 Jahre. Doch verbindet die beiden Literaten einiges – nicht nur in ihrer Vita, sondern auch in der Sprache und der thematischen Verarbeitung. Heine und Kaléko wurden wegen ihrer jüdischen Herkunft angefeindet und ausgegrenzt. Beide verloren ihre Heimat und hatten es schwer, als Dichter ernstgenommen und anerkannt zu werden – Lebensschicksale, die sich in ihrer mitunter sehr nüchtern formulierten Lyrik widerspiegeln und eine Art Seelenverwandtschaft offenbaren. Die Texte der Lesung waren von Bachtler vortrefflich ausgewählt, bauten sie doch einen Spannungsbogen zwischen dem zarten Erwachen der Liebe, ihrem leidenschaftlichen Erblühen bis hin zur emotionalen Gleichgültigkeit und Kälte. Wie in einem fruchtbaren Dialog fügten sich die hehren Gedanken von Heine und Kaléko zu einem stimmigen Ganzen. „Wer zum ersten Male liebt, ist ein Gott; wer zum zweiten Male glücklos liebt, der ist ein Narr.“ So manches Heine-Zitat stimmte die aufmerksam lauschenden Zuhörer nachdenklich. Musikalischer Symbolik bediente sich Kaléko, die am Klavier – in Dirmstein übernahm der Bechstein-Flügel diese Rolle – von ihrem Traumprinzen träumte, mit dem sie vierhändig spielen möchte. Glücksmomente wurden literarisch ausgekostet, aber auch die Kehrseiten einer Zweierbeziehung – von der Eifersucht bis zum langen Warten als der „schlimmsten Pein“ – kamen unverblümt aufs Tapet. Dass Liebe nicht immer blind machen muss, verdeutlichten Bachtler und Redner, der leider nicht frei von kleineren Versprechern war, mit ihren nicht immer nur dezenten Anspielungen auf das Äußere des Partners. Die ersten grauen Haare als Zeichen, dass der Mai vorbei ist, gingen dabei noch als die harmlosere Variante durch. Heinrich Heine machte aus seiner Abneigung für die dürre Marianne kein Hehl: „Lässt man sich vom Fleische locken, das ist immer noch verzeihlich; aber Buhlschaft mit den Knochen, diese Sünde ist abscheulich.“ Für den versöhnlich-harmonischen Ausklang der mit starkem Applaus belohnten Lesung sorgte ein Liebesgedicht von Mascha Kaléko: „Du bist der Leuchtturm. Letztes Ziel. Die Andern, das ist Wellenspiel, du aber bist der Hafen.“

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