Frankenthal Parodie, Fantasy, Schmonzette – alles ist möglich

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Wie filmtauglich ist das Nibelungenepos? Diese Frage suchten Theaterexperten in einer Diskussionsrunde zum Thema „Über die Möglichkeiten aktueller Verfilmbarkeit des Nibelungenstoffs“ am Sonntag zu beantworten. Die Veranstaltung im Heylshofpark war Teil des Rahmenprogramms der Nibelungen-Festspiele.

„Ich war überrascht und fand es toll. Ich habe die Inszenierung klassischer erwartet.“ So urteilte Sascha Schwingel, Redaktionsleiter der ARD-Tochtergesellschaft Degeto, über Albert Ostermaiers Theaterstück „Gold“, das bei den 15. Nibelungenfestspielen bis 31. Juli am Wormser Dom gezeigt wird. Für eine Fernsehproduktion sei die Story nicht unattraktiv, ergänzte Schwingel. Wolfgang Petersen könne er sich als Regisseur vorstellen, wenngleich die Nibelungen als Fernsehserie – vergleichbar dem Straßenfeger „Das Boot“ – in Deutschland finanziell kaum darstellbar seien. Ein Kinofilm, der das Filmgeschäft aufs Korn nehme, sei schon eher vorstellbar. Derzeit arbeite die Constantin-Film AG München am Nibelungenstoff und plane eine Verfilmung des 1986 erschienenen Romans von Wolfgang Hohlbein, bei dem Hagen zur Hauptfigur werde, berichtete Sascha Schwingel und bezog sich dabei auf ein Gespräch mit Regisseur Oliver Berben. „Es wird ein sehr aufwendiger Film mit Produktionskosten im zweistelligen Millionenbereich.“ Für Frank Hertweck, SWR-Redaktionsleiter Aktuelle Kultur, ist der zweite Teil des Nibelungenlieds das Schwierigste. „Da gibt es nur grausame Figuren, die man nicht leiden kann.“ Nicht von ungefähr habe sich Richard Wagner in seinem „Ring“ gegen Siegfried entschieden und sich andere Helden gesucht. Als bemerkenswert fand der TV-Mann, dass ausgerechnet die Wormser Hebbel-Inszenierungen 2004 und 2005 unter Dieter Wedel im Fernsehen mit zwölf Prozent die höchste Quote erzielt hätten. Eine ernsthafte Beschäftigung mit den Nibelungen sei nach dem Ersten Weltkrieg vorbei gewesen, sagte Hertweck. „Auch Hitler wollte mit dem Heldenepos nichts zu tun haben.“ Nach 1945 sei dann der Stoff zum Klamauk verkommen. Sowohl ernsthaft als auch parodistisch lasse sich die Sage, jene Mischung aus Liebesgeschichte und Abenteuer, verkaufen, meinte der Filmwissenschaftler Hans Helmut Prinzler. Allerdings sollten auch die komischen Elemente Substanz haben und nicht albern wirken. Alles drehe sich um die Frage: „Wie eng halte ich mich an die Vorlage?“ Eine Erweiterung des Personals auf mehr als sechs Figuren könne er sich gut vorstellen. „Allerdings müssen die Rollen supergut gespielt werden.“ Moderatorin Klaudia Wick, als Filmexpertin bei der Deutschen Kinemathek in Berlin beschäftigt, wartete dazu mit einer aktuellen Information auf: Intendant Nico Hofmann plane im nächsten Jahr „eine Variante mit sieben Frauen“. Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer, dass die Fantasyelemente – Tarnkappe, Zaubertrank, Drachen – bei einer Verfilmung gut ankämen. Offen ließen sie die Frage der Moderatorin, ob im Fernsehen auch ein „gesellschaftlicher Bezugsrahmen“ notwendig sei, weil das Heldenlied doch nur die sich gegenseitig zerlegende herrschende Oberschicht beschreibe. Auch auf die politische Schiene wollte man das Thema nicht bringen. Franz Hertweck führte die an manchen Opernhäusern fast schon inflationären Ring-Inszenierungen an, die von der Neuinterpretation der Figuren lebten. Und der problematische zweite Teil des Lieds, der im TV wegen der Gewaltszenen um 20.15 Uhr nicht laufen dürfe, könnte als Albtraum von Kriemhild entschärft werden. Seine Feststellung, dass sich die Menschen in Zeiten von Krisen und Niederlagen immer mit dem Nibelungenstoff beschäftigt hätten, wollte Frank Hertweck freilich nicht auf die Festspiele in Worms übertragen wissen. |eec

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