Frankenthal Premiere für Literaturkonzert
Einen bezaubernden Abend unter dem Motto „Goethes Flucht nach Italien“ haben die Flötistin Sohee Oh und der Cembalist Hans-Jürgen Thoma am Donnerstagabend im Frankenthaler Kunsthaus gestaltet. Die Lesung aus Goethes „Italienische Reise“, umrahmt von Musik der Zeit, war die erste Veranstaltung dieser Art im Programm der Volkshochschule.
Das neue Format fand überraschend gute Publikumsresonanz. Der kleine Saal war bald vollständig besetzt, sodass noch zusätzliche Sitzgelegenheiten improvisiert werden mussten. Im September 1786 entfloh Johann Wolfgang von Goethe seinem frustrierenden Dasein als Regierungs- und Verwaltungsbeamter des beschaulichen Herzogtums Sachsen-Weimar und der unbefriedigenden Beziehung zu Charlotte von Stein. Morgens in aller Frühe schlich sich der Dichterfürst aus dem mondänen Kurort Karlsbad fort und richtete den Blick nach Süden. Italien – „das Land, wo die Zitronen blühn“ – das sollte seine Sinne beflügeln, ihm ein neues Leben eröffnen. Dort wollte er seiner Passion des Zeichnens und der Malerei neue Impulse gewinnen. Die Sinne der Besucher im Kunsthaus wurden durch die gekonnte Kombination von vornehmlich barocker Musik und Auszügen aus dem Reisetagebuch des Dichters beflügelt. Thoma las neben seinem Cembalopart auch die Texte, welche die Vorsitzende der Heidelberger Goethe-Gesellschaft, Letizia Mancino, ausgesucht hatte: mit gewohnt heiter-beschwingtem Unterton. So erfuhren die Zuhörer von der Wirkung, so ganz auf sich alleine gestellt zu sein, der grandiosen alpinen Welt, dem Umgang mit Kutschern, Posthaltern, Herbergswirten, Reisebekanntschaften, von fremden Dialekte und unbekannten, auch absonderlichen Gebräuchen der Menschen. Dem Weg über die Alpen und die Sprachgrenze in die ersehnten südlichen Gefilde stellte das Duo eine Sonate für Cembalo und Flöte von Johann Christian Bach – dem Mailänder Bach – zur Seite, der unter anderem im Dom der norditalienischen Metropole als Organist tätig war. Sie stand der Zeit von Goethes Reise am nächsten. Nach einem langsamen Intro erklang ein strahlendes, noch von spätbarocken Formen geprägtes musikalisches Feuerwerk. In kunstvoll bewegtem Spiel brillierte die Flötistin Sohee Oh. Mit Thomas kraftvollem wie empfindsamem Cembalospiel im Rücken konnte sie filigran gestalten. Außerdem erklang Johann Sebastian Bachs e-Moll-Sonate für Flöte und Cembalo. Sie wirkte gegenüber dem spritzigen Werk des jungen Bach nordisch-kühl. Doch so mögen sie auch einen Seelenzustand des einsam Reisenden getroffen zu haben. In Marin Marais klangvollen wie abwechslungsreichen kurzen Variationen zu „Les follies d’espagne“ ließ das Duo überbordende Spielfreude und Enthusiasmus erleben. Ganz neue Akzente setzte die „Suite Antique“ für Flöte und Cembalo des Engländers John Rutter (1945). Sie wäre wohl durchaus geeignet, eine heutige Reise in ferne Welten, ein Entfliehen aus dem Moloch unserer Metropolen musikalisch zu beflügeln.