Frankenthal Singende Säge und Diktatormarsch

Unterhaltsam berichtete Wolfgang Nieß Wissenswertes über den Tramp mit Melone und Schnurrbart.
Unterhaltsam berichtete Wolfgang Nieß Wissenswertes über den Tramp mit Melone und Schnurrbart.

Charlie Chaplin ist als watschelnder Tramp mit Melone, Stock und Schnurrbärtchen bekannt. Viele kennen auch seine späten Filme. Aber die wenigsten wissen, dass er auch Komponist war und einen Oscar für seine Filmmusik bekam. Wolfgang und Sabina Nieß stellten an Pfingstmontag in der Reihe Basurconcert im Sturmfederschen Schloss Dirmstein Chaplins unbekannte Seite vor.

„Smile“ ist wohl das bekannteste Stück, das Chaplin geschrieben hat. Es wird als Jazz-Standard öfter mal bei Sessions von Sängern aufgerufen. Doch ansonsten weiß man wenig über Chaplins Musik und seinen Werdegang als Komponist. Umso mehr gestaunt haben die Zuhörer, als Wolfgang Nieß am Flügel Klavierauszüge und Originale spielte, die Chaplin nicht nur zu seinen Filmen komponiert hat. Sabina Nieß hat ihren Mann bei der Vorbereitung unterstützt und zum Vortrag Fotos des Meisters, Szenenbilder und Kinoplakate gezeigt. Chaplins Eltern seien beide Musiker gewesen, berichtet Nieß. Mutter und Vater haben gesungen, waren im London Ende des 19. Jahrhunderts bekannte Künstler. Auch Charlie, geboren 1889, habe erst überlegt, in ihre Fußstapfen zu treten. Eine formale Ausbildung hatte er nicht, habe aber als Jugendlicher sehr viel Geige geübt. Die Welt weiß das aus Erzählungen seines Zimmergenossen während einer Theatertournee: von keinem geringerer als Stan Laurel. Später kaufte Chaplin auch ein Cello. Chaplins erster Auftritt kam zufällig zustande als er fünf war: Als seiner Mutter auf der Bühne die Stimme versagte, habe der Varieté-Betreiber, der um Charlies Talent wusste, den Jungen auf die Bühne geschubst. Der habe das Stück der Mutter zu Ende gesungen inklusive einer Imitation ihrer brechenden Stimme. Das fand das Publikum rasend komisch, und dieser Moment, so erzählt Chaplin in seiner Autobiografie, war wohl der Impuls, auf die Bühne zu gehen und Leute zum Lachen zu bringen. Noch während seiner Theaterzeit gründete Chaplin mit einem Freund einen Musikverlag für die eigenen Werke. Eines davon war „The Peace Patrol“, veröffentlicht 1916, das Nieß in der Klavierfassung spielte. Interessant zu hören sind einige Merkmale, die sich auch in den späteren Werken wiederfinden: Chaplin arbeitet gerne mit Motiven, die er wiederholt, variiert und verarbeitet. Es gibt interessante harmonische Wendungen und zumindest bei den heiteren Stücken hört man immer ein bisschen Varieté und Burlesque heraus. Von den 2000 gedruckten Exemplaren der „Peace Patrol“ verkaufte Chaplin allerdings genau drei, berichtet Nieß. In den Filmmusiken habe Chaplin die Technik des Leitmotivs verwendet: Bestimmte Charaktere bekommen ein für sie typisches Motiv, und das wird je nach emotionalem Gehalt einer Szene verändert, bleibt aber erkennbar. Eine besondere Schwäche scheint Chaplin für Walzer gehabt zu haben. Dann gibt es aber auch den sehr typisch klingenden „Green Lantern Rag“ und einen witzig-parodistischen „Napoloni March“, der im Film „Der große Diktator“ die Mussolini-Parodie Benzino Napoloni begleitet. Nieß vermittelte einen sehr guten Eindruck von der Qualität der Kompositionen. Neiß ist Konzertpianist und spezialisiert auf moderierte Konzerte, bei denen er nicht nur musiziert, sondern auch Wissenswertes auf unterhaltsame Art berichtet. Leider durfte er nicht zu den entsprechenden Filmszenen spielen. Die Inhaber der Rechte erlauben nur Filme mit Musik der Originalbesetzungen, und das wäre ein ganzes Orchester. Doch eine Ausnahme gibt es: In „Ein Hundeleben“ gibt es eine Szene in der eine Sängerin durch eine singende Säge vertont wird. Und Nieß führte das als Zugabe auf dem ungewöhnlichen Instrument vor zur passenden Szene. Der interessante Vortrag und die hörenswerte Musik machten Lust auf mehr Musik des watschelnden Tramps.

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