Leiningerland / Eisenberg Apotheker gehen in den Streik

Carmen Netter, Pia Zürn, Rhea Fell-Rathmacher und Barbara Mersinger (von links) aus der Stern-Apotheke in Kirchheim beteiligen s
Carmen Netter, Pia Zürn, Rhea Fell-Rathmacher und Barbara Mersinger (von links) aus der Stern-Apotheke in Kirchheim beteiligen sich am bundesweiten Protesttag.

Am Mittwoch wird es einen bundesweiten Apotheker-Protesttag geben, an dem zahlreiche Apotheken auch im Leiningerland geschlossen bleiben werden. Worum geht es den Inhabern und welche Apotheken werden dennoch geöffnet sein?

Seit 1999 ist Barbara Mersinger Inhaberin der Stern-Apotheke in Kirchheim und der Bären-Apotheke in Grünstadt. Beide Geschäfte werden am Mittwoch geschlossen bleiben. „Ich unterstütze den Streik, weil der Apothekerberuf immer schwieriger auszuführen ist. Man hat zunehmend weniger Zeit für wirkliche Beratung und die Bürokratie hat heftig zugenommen.“

Bestehe bei einem Antibiotikum ein Lieferengpass, müsse überlegt werden, woher man ein adäquates anderes Mittel bekommt und dann müsse die Ersatzlieferung auf dem Rezept mit Sonderkennzeichen, Datum und Unterschrift vermerkt werden. Falls dann – häufig erst nach einem Jahr – durch die Krankenkassen ein Formfehler nachgewiesen werden könne – etwa weil das Sonderkennzeichen fehle – gebe es für die ganze Arbeit kein Geld und auch das Antibiotikum selbst werde nicht bezahlt. „Das ist die sogenannte Retaxierung auf null“, erklärt sie.

500 ungleich zweimal 250

Mersinger nennt noch ein anderes Beispiel für zugenommene Bürokratie bei der Arzneimittelbeschaffung: „Wurde beispielsweise ein Medikament in der Stärke 500 Milligramm verordnet, war es bisher so, dass wir Apotheker – mit Sondernummern - auch zweimal 250 Milligramm an den Patienten abgeben durften, falls die 500 Milligramm nicht lieferbar waren. Jetzt ist das durch das neue Gesetz nicht mehr möglich. Wir müssen vor Abgabe mit dem verordnenden Arzt Rücksprache halten, was mittwoch- oder freitagnachmittags beziehungsweise samstags schwierig bis unmöglich sein kann. Im Ernstfall, falls der Arzt nicht erreichbar ist, darf das Medikament nicht herausgegeben werden, was für den Patienten natürlich sehr ärgerlich ist.“

Für die gesamte Mehrarbeit gebe es zehn Cent Aufwandsentschädigung pro Rezept. Mersinger gehe es mit ihrer Beteiligung am Apotheker-Protesttag um den Abbau der Bürokratie und der Null-Retaxierungen, um den einfacheren Umgang mit Lieferengpässen mit dem Ziel einer schnellen und korrekten Versorgung der Patienten. „Auch noch ärgerlich ist, dass unser Verdienst am Arzneimittel seit 2013 eingefroren wurde“, betont sie. Der Personalmangel in Apotheken sei darin begründet, dass die Arbeit immer anstrengender, belastender und weniger befriedigend werde, viel Personal wandere ab und auch immer weniger junge Menschen entschieden sich für den Beruf des Apothekers.

Mit Team nach Wiesbaden

Die Apotheke im Globus und die Schwanen-Apotheke in Grünstadt sowie die Apotheken Am Obermarkt und Im Bruch in Bad Dürkheim werden am Mittwoch ebenfalls geschlossen sein. Der Inhaber, Georg Scheidel nennt die gleichen Beweggründe: „Fehlende Wertschätzung, Bürokratie, Retaxierung und die eingefrorene Vergütung beim Fix-Zuschlag für Arzneimittel sind einfach nicht in Ordnung“, meint er und ergänzt: „Dem Fachkräftemangel könnte mit einem attraktiveren Gehalt entgegengewirkt werden.“ Mit seinem gesamten Team werde er an der Protestaktion in Wiesbaden teilnehmen, wofür extra ein Bus gemietet worden sei.

„Auch die Martins-Apotheke in Grünstadt sowie die Stadt-Apotheke in Freinsheim bleiben am Mittwoch geschlossen“, sagt Inhaber Ralf Gliem, der mit Jonas Gaab beide Apotheken leitet. Es gebe einen Fragenkatalog der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ABDA. Der 1950 gegründeten Spitzenorganisation mit Sitz in Berlin gehören alle 17 Landesapothekerkammern (Nordrhein-Westfalen hat zwei) an sowie alle 17 Landesapothekerverbände.

„Der Fragenkatalog ist an die Bundesregierung gerichtet. Darin werden die Probleme unseres Berufsstandes benannt. Dem schließen wir uns in vollem Umfang an“, betont er und unterstreicht, dass die Arbeit des heutigen Apothekers nichts mehr mit vernünftiger Versorgung von Patienten zu tun habe. „In Corona hieß es immer, die Apotheken sind wichtig, schön, dass es sie gibt – die Pandemie ist noch nicht lange her und schon kommt der Extra-Abschlag an die Krankenkassen, was einer Honorar-Kürzung gleichkommt. Auch die Retaxierung wegen eines Formfehlers ist nicht nachvollziehbar“, sagt Gliem.

Fehlende Wertschätzung

Karolin Färcher ist seit 2017 die Inhaberin der Brunnen-Apotheke in Carlsberg. Auch sie beteiligt sich am bundesweiten Protesttag. Sie betont: „Es geht auch um fehlende Wertschätzung uns Apothekern gegenüber.“

Die Eistal-Apotheke in Eisenberg wird am Mittwoch ebenfalls geschlossen bleiben, wie die Inhaberin Sigrid Kruslin bestätigt. Das vom BMG, dem Bundesministerium für Gesundheit, am 5. Juni veröffentlichte Statement zum Protesttag „Situationen der Apotheken 2023 – auf einen Blick“ gebe verfälscht die Fakten wieder.

„Umsatz ist kein Ertrag“

Die ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening kommentiert das Papier wie folgt: „In den Argumenten des BMG wird wieder sehr gut deutlich, dass die Bundesregierung Umsatz mit Erträgen verwechselt. Im Ministerium weiß anscheinend niemand, was es bedeutet, selbstständig zu sein, Unternehmer zu sein, Kredite aufnehmen zu müssen, um berufstätig werden zu können.“ Der Weg vom Umsatz zum Ertrag sei lang und gerade in Zeiten von Inflation, steigenden Energiekosten und kletternden Tariflöhnen sehr steinig. „Was die Mehrumsätze während der Pandemie betrifft, übersieht das BMG völlig, dass die Apotheken beispielsweise bei der Herstellung von Desinfektionsmitteln oder dem Aufbau der Test-Infrastruktur auch hohe Investitionen zu stemmen hatten. Es ist traurig, dass gerade das Ministerium, das uns mit diesen Aufgaben betraute, diese Fakten unterschlägt. Grundsätzlich vergisst das BMG bei seiner Argumentation vollständig die Kostensituation in den Apotheken. Dass die Apothekenzahl seit Jahren zurückgeht, ist nicht ohne Grund.“

Die Markt-Apotheke in Hettenleidelheim wird am Mittwoch geöffnet sein. Der Inhaber, Markus Puhl, begründet seine Entscheidung wie folgt: „Der deutsche soziale Friede ist ein hohes Gut, was Deutschland groß gemacht hat und uns auszeichnet. Die Probleme sollten meiner Meinung nach aber auf höherer Ebene, bei den Spitzenverbänden geklärt werden und nicht auf der Straße. Schaut man sich die Streikenden in Frankreich an, die alles lahmlegen, so sollte dies nicht unser Weg sein, denn das badet am Ende der Patient aus, auf dessen Rücken man diese Probleme nicht austragen sollte.“ Die Markt-Apotheke sei ohnehin immer mittwochs geöffnet, so auch am Protesttag.

Info

Die Notfallversorgung der Apotheken am Mittwoch ist im Netz zu finden unter www.aponet.de.

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