Grünstadt Ein Projekt – viele Unbekannte

Fast schon ein Kunstwerk: Das Hochstraßengeflecht am Nordkopf der Kurt-Schumacher-Brücke bei Nacht – fotografiert vom 15. Stock
Fast schon ein Kunstwerk: Das Hochstraßengeflecht am Nordkopf der Kurt-Schumacher-Brücke bei Nacht – fotografiert vom 15. Stock des Rathauses. Auf den Auslöser gedrückt hat David Teloke aus Ludwigshafen. In diesem Monat hatte die Stadtspitze einigen Fotografen die Chance ermöglicht, dieses Motiv festzuhalten.
Wie ist der aktuelle Sachstand?

Stand heute soll der Abriss Ende 2019/Anfang 2020 beginnen und inklusive des Ersatzbaus einer ebenerdigen Stadtstraße knapp acht Jahre dauern. Die Kostenschätzung liegt aktuell bei 291 Millionen Euro. Das am 5. September von der Stadt beantragte Planfeststellungsverfahren startet, wenn die Ingenieurgemeinschaft am 15. Januar die endgültige Entwurfsplanung vorlegt. Federführend ist der Landesbetrieb Mobilität (LBM) Rheinland-Pfalz in Koblenz. Wie läuft eine Planfeststellung? Als zuständige Behörde muss der LBM die Planung des Großprojekts im Detail prüfen. Dabei werden die Belange von Bürgern, Firmen und Anliegern unter die Lupe genommen, die von dem Vorhaben betroffen sind. Das Verfahren wird Planfeststellung genannt und ist für derlei Vorhaben gesetzlich vorgeschrieben. Falls der LBM keine Änderungen beanstandet, werden die vollständigen Unterlagen für einen Monat der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Mögliche Beschwerden – auch von Naturschutz- und Umweltverbänden sowie benachbarten Bundesländern – werden bei einem Anhörungstermin eingeholt. Die gesamte Verfahrensdauer hängt davon ab, ob tatsächlich Einwände geltend gemacht werden, Klagen drohen oder ob planerische Fehler entdeckt und korrigiert werden müssen. Der Prozess bis zu einer LBM-Entscheidung – der Planfeststellungsbeschluss – kann sich über Monate, aber auch Jahre erstrecken. Wer trägt die Projektkosten? Bund, Land und Stadt teilen sich die zuschussfähigen Kosten, 260 von 291 Millionen Euro, im prozentualen Verhältnis 60/25/15. Am 22. August hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Förderzusage des Bundes bestätigt. Wegen des überregionalen Charakters der Hochstraße Nord (B 44) fließen aus Berlin 154,2 Millionen Euro. Landesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bekräftige an diesem Tag, dass Rheinland-Pfalz 64,25 Millionen Euro beisteuern wird. Auf die Stadt entfallen damit rund 42 Millionen Euro. Hinzu kommen die nicht förderfähigen Kosten von 31 Millionen Euro – den Löwenanteil verschlingt die Planung – sowie 13 Millionen Euro, die bereits ausgegeben worden sind, um die Trasse durch Fangnetze, Reparaturen oder Sperrungen zu sichern. 42+31+13: Stand heute muss Ludwigshafen unterm Strich mindestens 86 Millionen Euro für das Projekt aufbringen. Ist die Kostenschätzung von 291 Millionen Euro realistisch? Nach jetzigem Planungsstand ja, perspektivisch nein. Denn notwendige Grunderwerbe sowie Entschädigungen sind nicht inbegriffen, wie Kämmerer Dieter Feid (SPD) stets betont. So muss die Stadt vom Hafenbetrieb Grundstücke und wohl mindestens eine Lagerhalle kaufen, um die Straßenführung am Rheinufer wie geplant zu vereinfachen. Für die Stadtstraße muss die Nord-Mall des Rathaus-Centers weichen, eine Fläche von 6000 bis 8000 Quadratmetern. Die Verhandlungen über Ausgleichszahlungen mit dem Centerbetreiber ECE und dem Eigentümer (ein Immobilienfonds) laufen noch. Der Betrag soll im zweistelligen Millionenbereich liegen. Wo lauern weitere Kostenrisiken? Baupreise steigen jährlich um zwei bis drei Prozent. Verlängert sich die Bauzeit oder verzögert sich der Abriss-Start, etwa durch Klagen oder weil die Hochstraße Süd als wichtige Ausweichroute nicht rechtzeitig saniert werden kann, geht das ins Geld. Verteuern könnten das Projekt auch steigende Materialkosten, etwa wenn der Stahlpreis auf dem Weltmarkt in die Höhe schnellt. Ein Risiko birgt auch die Ausschreibung. Melden sich nur wenige Unternehmen für das Projekt, bundesweit kommen dafür nicht viele infrage, sind die kalkulierten Preise womöglich nicht zu halten. Unvorhersehbare Umplanungen, Überraschungen im Untergrund oder technische Pannen, siehe Flughafen Berlin-Brandenburg, sind überdies immer drin. Nicht zu vergessen: Der Hochstraßenabriss und der Neubau der Stadtstraße gehen bei laufendem Verkehr über die Bühne. Abschreckende Beispiele für Kostenexplosionen sind der Elbphilharmonie-Bau oder das Bahnprojekt Stuttgart 21. Was passiert, wenn die Kosten aus dem Ruder laufen? Dann muss die Stadt mit Bund und Land nachverhandeln. Denn beide Zuschussgeber haben der Stadt keinen Blankoscheck für die Zukunft ausgestellt. Das heißt: Steigen die Projektkosten, erhöht sich eben nicht automatisch der Anteil, der aus Berlin und Mainz nach Ludwigshafen fließt. Bedeutet ein Baustart, dass der Abriss tatsächlich beginnt? Nein. Zunächst einmal muss die Baustelle vorbereitet und eingerichtet werden. Hinzu kommen sogenannte begleitende Maßnahmen. Beispiel „Würfelbunker“: Der massive Weltkriegsbunker muss zurückgebaut werden, weil er einer Stadtstraße im Weg steht. Bis der tatsächliche Hochstraßenabriss losgeht, könnte ein Jahr vergehen. Wer managt das Projekt vor Ort? Die Bauverwaltung kann das Vorhaben unmöglich „nebenbei“ stemmen. Im Raum stehen drei Alternativen. 1) Die Koordination wird extern an ein Unternehmen vergeben. Das ist die teuerste und daher unwahrscheinlichste Variante. 2) Es wird eine Gesellschaft ähnlich der Rheinufer Süd-Entwicklungsgesellschaft (RSE) gegründet, die sich ausschließlich um das Abrissprojekt kümmert. Oder 3) Es wird ein eigenes Dezernat, das Hochstraßendezernat, geschaffen. Vieles spricht für die Optionen 2 und 3, auch wenn dafür zusätzliches Personal eingestellt werden müsste.

x