RHEINPFALZ-Sommertour Im Heimatmuseum Hettenleidelheim: Erinnerung an den tödlichen Ton-Rausch

Der Zweite Vereinsvorsitzende Hans Völker (Mitte) erläutert die Geschichte des Bergbaus .
Der Zweite Vereinsvorsitzende Hans Völker (Mitte) erläutert die Geschichte des Bergbaus .

Bei schwülen 35 Grad steht der Besuch des Hettenleidelheimer Heimatmuseums vielleicht nicht ganz oben auf einer Wunschliste für Freizeitbeschäftigungen. Dennoch sind immerhin zehn der 13 angemeldeten RHEINPFALZ-Leser am Dienstag zur Sommertour dorthin gekommen. Sie haben erfahren, warum die Blütezeit des Dorfes viele Todesopfer forderte.

Hans Völker ist ein wandelndes Lexikon, wenn es um die Geschichte seines Heimatortes Hettenleidelheim geht. Sehr plastisch erzählt er den Teilnehmern der RHEINPFALZ-Sommertour ins dortige Heimatmuseum – Archiv Karl Blum vor allem aus seinem Spezialgebiet. Der Zweite Vorsitzende, der sein Erwerbsleben im Schamotte-Unternehmen Hagenburger-Schwalb (HSH) und später Didier verbracht hat, gibt tiefe Einblicke in den Bergbau. Die reichen Tonvorkommen haben in dem aus 1556 Hitenheim und Luttelheim verschmolzenen Ort – ebenso wie in Grünstadt und Eisenberg – ab Mitte des 18. Jahrhunderts eine Art Goldrausch ausgelöst. Allerdings mit vielen Toten.

Zu wenig Sauerstoff

Die meisten Unfälle mit tragischem Ausgang habe es durch eingestürzte Stollen gegeben, erzählt Völker, dessen Vater bei so einem Vorfall auch schwer verletzt wurde. Später seien die Tunnel ausgemauert worden. Immer wieder sei es auch vorgekommen, dass Bergleute in der methanhaltigen und sauerstoffarmen Luft in der Tiefe umkippten und starben. Aus diesem Grund gehörte die Grubenlampe zur Ausrüstung, auch als es schon längst elektrisches Licht in den Stollen gab, denn die Flamme schrumpft, wenn die Luft zu dünn wird, wie Völker erläutert. Das Berufsrisiko der Bergleute sei sehr gut bezahlt worden. Auf diese Weise reich werden? Hedwig Blum, Nichte des Ende der 1990er-Jahre verstorbenen Archivars, schüttelt sich bei dieser Vorstellung. Ihre Schwester Maria ergänzt Völkers Ausführungen: „Es sind zudem Kinder verunglückt, weil die Gruben nicht abgesichert waren.“

Da der Pulverdampf der Sprengungen, mit denen man sich in den Berg vorgearbeitet hat, die Lungen der Kumpel schädigte, sei man auf Pressluftspaten umgestiegen. Der Umgang mit den ziemlich schweren Geräten habe eine enorme Kraftanstrengung gefordert. „Was hat ein Trupp damit täglich abgebaut?“, erkundigt sich der Bockenheimer Peter Machwirth. „Eine Schicht aus zwei Hauern und einem Schlepper hat etwa 20 bis 22 Tonnen nach oben gefördert“, so Völker. Später seien Bagger eingesetzt worden.

Ton für weitere Jahrhunderte

Ab den 1970er-Jahren sei der eigene Ton sehr viel teurer gewesen als Material aus Tschechien oder Afrika, und so schlossen die Firmen für feuerfeste Produkte nach und nach. Heute habe Brasilien das Weltmonopol. Hans-Rainer Simon will wissen, woher das seit 2022 zur EKW-Gruppe gehörende Werk Hagenburger in Grünstadt seinen Ton bezieht. „Aus Deutschland“, versichert Völker. Auf die Frage, ob die Hettenleidelheimer Tonader erschöpft sei, stellt der 88-Jährige klar: „Hier und in Eisenberg könnte noch Jahrhunderte lang abgebaut werden.“

Der Zweite Vereinsvorsitzende Hans Völker (Mitte) erläutert die Geschichte des Bergbaus .
Der Zweite Vereinsvorsitzende Hans Völker (Mitte) erläutert die Geschichte des Bergbaus .
Auch eine alte Reitschul gibt es zu sehen.
Auch eine alte Reitschul gibt es zu sehen.
Alter Laden
Alter Laden
Handformguss
Handformguss
Bild der Sterbekasse
Bild der Sterbekasse
Uhr der Alten Schule
Uhr der Alten Schule
Priestergewänder
Priestergewänder
Zimmerei
Zimmerei
Rechenmaschine
Rechenmaschine
Grubenretter
Grubenretter

Foto 1 von 10

Neben dem deckenhohen Modell eines Hochofens (der normalerweise etwa 35 Meter hoch ist) zeigt Völker einen Winderhitzer, der bei HSH gefertigt wurde. Mit solchen Speichersteinen konnte die Temperatur des Abgases deutlich erhöht werden. Führt man es dann dem Ofen wieder zu, kann die Anzahl der Abgüsse erhöht werden.

Kühlschrank ohne Strom

Vorbei an einer hölzernen Wasserleitung gelangt die Gruppe in eine Küche von anno dazumal, mit einem Kühlschrank, der ohne Strom funktioniert, und einer Wäschespinne über dem gusseisernen Herd. Dann geht es vorbei an dem sich zu Musik drehenden und blinkenden Nachbau der Rosskopf-Reitschul, die Ernst Unterländer 1947 ausschließlich aus Schrott angefertigt hatte. Trotz der enormen Hitze in dem Museum folgen die Besucher auch hinauf auf den Speicher, wo sie unter anderem eine Schneiderei und eine Zimmerei anschauen können. Die voll eingerichtete Schusterwerkstatt liegt aufgrund spärlicher Beleuchtung größtenteils im Dunkeln. Bei der Pendeluhr aus der Alten Schule fällt Völker ein, dass er sie als Kind oft aufziehen musste.

Eine Etage darunter hängt im Fahnenzimmer das Bild der Artillerie-Vereinigung, Sterbekasse Hettenleidelheim, auf dem die Mitglieder handschriftlich unterzeichnet haben. Laut Völker war es aus einem Gasthaus gestohlen worden. Antonius Kaiser, der es Jahrzehnte später auf einem Flohmarkt in Schwetzingen erwarb, glaubt nicht an einen Diebstahl. Das Werk sei vermutlich bei der Auflösung der Gastwirtschaft einfach mit ausgeräumt worden, meint er. „Oder es wurde von den Sperrmüllfahrern mitgenommen“, so der 72-Jährige, aktuell das jüngste Mitglied des Museumsvereins.

Dokumente zur Kirchengeschichte

Bis zu seinem Tod im Alter von nur 57 Jahren im September 2021 hatte diesen Platz Roland Happersberger inne. Der damalige Zweite Vorsitzende habe einen riesigen Fundus an Dokumenten über die Historie der Region und insbesondere Hettenleidelheims sowie der Kirchengeschichte hinterlassen. „Das muss alles noch gesichtet und sortiert werden“, erklärt Kaiser.

Fritz Schach, der im Dorf wohnt, freut sich, dass er das Museum endlich mal etwas genauer kennengelernt hat. Erstmals in den Ausstellungsräumen war Lutz Fütterling aus Weisenheim am Berg. Es gibt aber jeden Dienstag ab 18 Uhr die Gelegenheit, einen Besuch zu wiederholen. Auch hat das Heimatmuseum am Kerwesonntag, 25. August, von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

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