Grünstadt Mittelalter-Schmöker im besten Sinn

Verlagsjubiläen haben für die Leserschaft nicht selten etwas Positives, feiert der Verlag doch gern mit der Herausgabe einiger Erfolgstitel für schmales Geld. Der in Köln ansässige Emons Verlag, der vor allem bei Freunden von Regionalkrimis einen guten Ruf genießt, hat sein Programm über die Jahre immer mehr ausgebaut und strebt derzeit auch ein reichhaltigeres Belletristik-Programm an. Das 30. Verlagsjubiläum war Anlass für eine kleine Broschur-Edition, darunter auch den erstmals 1999 veröffentlichten Roman „Der Fall Hildegard von Bingen“. Nun altert ein solches Buch zum Glück nicht, und so ist es eine Freude, jene Geschehnisse zu verfolgen, die sich im Jahre 1177 auf dem Gelände des Klosters Rupertsberg ereignen. Durch einen Zufall werden die sterblichen Überreste eines unbekannten Mannes gefunden. Allerdings geschieht jetzt nicht das vom Leser möglicherweise Erwartete. Der Autor Edgar Noske lässt weder eine Art Schwester Fidelma oder einen Mönch Cadfael mit ihren Untersuchungen beginnen, stattdessen entwirft er in Rückblenden eine Art fiktive Biographie von Hildegard, natürlich eingebettet in die tatsächlichen historischen Geschehnisse jener Jahre. Hildegard hat in einer Vision ein neues Kloster für ihre Schwestern und sich auf dem Rupertsberg gesehen. Nun betreibt sie, die noch im Kloster Disibodenberg lebt, das Voranbringen dieses Projekts, das der Abt des Klosters Disibodenberg mit allen Mitteln verhindern will. Intrigen, Verleumdungen, aber auch Anschläge begleiten den Weg von Hildegard zur Durchsetzung ihrer Vision, einen Weg, den sie ihrem Biographen Wibert schildert. Die Ereignisse beginnen im Dezember 1147. Dadurch, dass „Der Fall Hildegard von Bingen“ eben nicht dem hergebrachten Muster folgt, wird er so lesenswert. Das geheimnisvolle Skelett bleibt dem Leser ebenso im Hinterkopf wie einige Bemerkungen Hildegards, die sogar eine Verwicklung ihrer Person in die Geschehnisse vermuten lassen. Wie sich alles aufklärt, das schildert Edgar Noske jederzeit spannend und zwischendurch gespickt mit spritzigen Dialogen, gerade auch betrachtet aus heutiger Sicht. Das Buch ist im besten Sinne ein wunderbarer Mittelalter-Schmöker. Lesezeichen Edgar Noske: Der Fall Hildegard von Bingen, Emons Verlag 2015, Broschur, 305 Seiten, 10 Euro. Rainer Scheer liest einmal monatlich in Grünstadt in der „Crime Time“

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