Grünstadt Nie wieder gibt’s nicht
«Grünstadt.» Es ist ein warmer Oktobertag auf der Mittelmeerinsel Mallorca, als dem Triathleten Marco Maurer schmerzhaft klar wird, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Ungefähr die Hälfte des Rennens Challenge Peguera hat Maurer zu diesem Zeitpunkt hinter sich, da meldet sich der altbekannte Schmerz wieder. „Ich habe gedacht, mir fliegt gleich die Achillessehne um die Ohren“, sagt er im Rückblick. Maurer steigt aus und bricht den Wettkampf ab – zum ersten Mal in seiner Karriere. Zwei Jahre lang wird er, der sein ganzes Leben diesem Sport verschrieben hatte, danach kein Rennen mehr bestreiten.
Zweimal beim Iron Man auf Hawaii
Als die Welt für Marco Maurer noch in Ordnung war, da fuhr er als ambitionierter Triathlet zweimal den legendären Iron-Man-Triathlon auf Hawaii bis zum bitteren Ende, gewann mehrere Rennen und konnte es sich dank Sponsorenverträgen auch leisten, einen bürgerlichen Beruf eher als Nebensache zu betrachten. Bei seinem zweiten Rennen auf Hawaii erreichte er eine neue persönliche Iron-Man-Bestzeit. Und dass es noch schneller ging, daran zweifelte weder er noch sein Trainer. Marco Maurer hatte große Pläne.
Immer wieder Rückschläge
Doch 2014 beginnt ihm die Achillessehne im rechten Fuß immer mal wieder heftige Probleme zu bereiten. „Ich konnte morgens nach dem Aufstehen kaum laufen“, sagt der 33-Jährige. Ein Entzündung wahrscheinlich, die Ärzte tippen auf Überbelastung als Ursache. Aber was heißt das schon bei einem Leistungssportler, der seinen Körper sowieso ständig an dessen Grenzen bringt? Maurer lässt es den folgenden Winter etwas lockerer angehen. Er hofft darauf, dass die Beschwerden schon verschwinden werden. Immer wieder kämpft er sich nach kleinen Pausen an seine Form heran – und muss erneut Rückschläge einstecken. Auf Mallorca überzeugt ihn sein Körper schließlich endgültig vom Gegenteil.
„Du gehst irgendwann kaputt"
Wenn Maurer heute über die Zeit seit dem Oktober 2015 spricht, dann scheint ihm dieses Leben ohne Triathlon immer noch zu schaffen zu machen. „Wenn du es immer und immer wieder aufs Neue versuchst, gehst du irgendwann völlig kaputt“, sagt er. Für Außenstehende mag das übertrieben klingen, für den ehemaligen Leistungssportler geht es aber um einen wichtigen Teil seiner Identität, der auf einmal einfach wegbricht: „Du weißt plötzlich nicht mehr, was du mit dir anfangen sollst.“
Maurer will es noch mal wissen
Vor knapp vier Wochen regt sich plötzlich wieder etwas in der Sportlerseele des Grünstadters. Der Fuß gibt überraschenderweise schon seit längerer Zeit Ruhe – also will Marco Maurer es jetzt doch noch mal wissen. Aus dem Keller, wo es die vergangenen zwei Jahre in einem Dornröschenschlaf verbracht hatte, holt Maurer sein Fahrrad hervor. Es ist sein allererstes Triathlonrad, ein Geschenk seines damaligen Teamchefs. „Ich habe mir gesagt, bau das Rad jetzt zusammen und mach’ einfach so, als wärst du ein normaler Triathlet.“ Sein Ziel: Das Rheinhessen Triathlon Festival in Wörrstadt. Drei Wochen hat er Zeit, um sich auf das Rennen vorzubereiten. Und ein Rückzieher ist keine Option: „Ich wollte auf jeden Fall starten, komme, was wolle.“
Im Kopf tanzen die Glückshormone
Am vergangenen Sonntag feiert Marco Maurer in Wörrstadt schließlich sein Comeback nach der Zwangspause. Als Siebter läuft er über die Ziellinie, obwohl er den Wettkampf sogar noch vorsichtig angeht. In seinen Kopf tanzen die Glückshormone: „Es hat sich einfach unglaublich angefühlt“, sagt er. „Als der Startschuss gefallen ist, war alles wie früher.“ Und auch die leidige Achillessehne trübt sein Glück nicht – ein kleines Wunder für den Grünstadter. Hatte er keine Angst, dass die Verletzung wieder aufbrechen könnte? „Nein, ich hab’ den Fuß einfach komplett ausgeblendet.“
Noch mal nach Mallorca
In Rheinhessen hätte seine Geschichte eigentlich schon ein Happy End nehmen können. Doch Maurer will mehr, er sucht seinen Seelenfrieden. Noch immer spukt die Aufgabe beim Rennen auf Mallorca in ihm herum. Deswegen will er im Oktober auf die Baleareninsel fliegen und erneut bei der Challenge Peguera starten. Dieses Mal aber muss er bis ins Ziel kommen. Er drückt das so aus: „Ich muss das ein für allemal aus meinem Kopf radieren.“ Im nächsten Jahr will er dann zum dritten Mal nach 2012 die Qualifikation für den Iron Man auf Hawaii schaffen.
Was, wenn die Schmerzen wieder kommen?
Aber was ist, wenn die Schmerzen wieder kommen? Wenn all das gerade nur eine trügerische Momentaufnahme ist? Hat er schon einmal darüber nachgedacht, was sein wird, wenn ihm sein Fuß endgültig nicht mehr gestattet, an Triathlons teilzunehmen. Marco Maurer schüttelt den Kopf: „Nie wieder gibt’s nicht.“