Grünstadt Silicon Valley in Mühlheim

Bernd Korz und seine Söhne Louis und Niklas (rechts).
Bernd Korz und seine Söhne Louis und Niklas (rechts).

Bernd Korz ist ein Macher. Der 49-Jährige, in Niedersachsen geboren, in Germersheim aufgewachsen und nach mehreren Jahren in Stade wieder in der Pfalz, lebt seit 2005 in Obrigheim, wo er und seine Familie – Ehefrau Meike und die beiden Söhne Niklas (22) und Louis (14) - 2006 ihr eigenes Haus in Mühlheim bezogen. Der riesige Vierseitenhof sei eine Ruine gewesen, erzählt Korz, das Dach war eingestürzt. Er habe fast alles selbst gemacht. Auf den ersten Blick erstaunlich für jemanden, der eine Internetfirma gründet. Aber Korz ist gelernter Betonbauer, wollte nach dem Hauptschulabschluss unbedingt auf den Bau. Die Gesellenprüfung war noch lange nicht Endstation: Korz machte seinen Meister, studierte Hochbautechnik und gründete eine Baufirma mit 60 Mitarbeitern. Sie war bei großen Projekten in der Bundesrepublik dabei, etwa beim Bau des Bundeskanzleramts in Berlin oder des Volksparkstadions in Hamburg, wie er berichtet. Doch beim Projekt in Hamburg seien viele Firmen pleite gegangen, weil sie nicht bezahlt wurden: „Wir gehörten auch dazu.“ Korz schlug einen völlig anderen beruflichen Weg ein: Der Computer-Nerd – er hat zum Beispiel 150 Geräte gesammelt – gründete eine Softwarefirma, zog mit seiner Familie nach Mannheim um. Nach ein paar Jahren wechselte er ins Musikgeschäft: Über seine Firma lernte er einen der Söhne Mannheims kennen, den er dann managte. Immer wieder sei er damals gefragt worden: „Du hattest doch eine Computerfirma, ich habe da ein Problem. Könntest du...?“ Um nicht immer wieder von Neuem erklären zu müssen, wie etwas funktioniert, sei er auf die Idee gekommen, Videos zu machen und sie auf YouTube hochzuladen: nicht nur mit Problemlösungen für Computer, sondern auch in Mathe, Physik und anderen Bereichen, in denen er sich auskennt und die ihn interessieren. „Die wurden oft geklickt, ich dachte: Verdammt, das läuft ja richtig gut.“ Ein paar hundert solcher Videos habe er produziert, die millionenfach angeklickt worden seien, erzählt Korz. Schließlich sei er gefragt worden: „Machst du uns auch ein Video? Aber bitte auf Englisch.“ Das brachte ihn Mitte 2012 auf die Idee, dass es möglich sein müsste , Videos zu produzieren, bei denen man die Sprache wechseln kann: „Das gab es nicht.“ Wenn eine Firma ein Werbevideo für mehrere Länder produzieren ließ, so musste pro Fremdsprache eine eigene Version hochgeladen werden. Alugha verfolgt einen anderen Ansatz: Ein einziges Video kann mit vielen verschiedenen Tonspuren unterlegt sein, der Betrachter kann mit einem Klick auf die gewünschte Sprache wechseln. Das ist nicht nur sehr komfortabel, sondern spart dazu noch jede Menge Speicherkapazität und Energie, soll das Internet also auch „grüner“, umweltverträglicher, machen. Zudem kann die Reichweite der Videos enorm vergrößert werden, die Zielgruppe ist nicht auf den eigenen Sprachraum beschränkt, sondern weltweit. Korz erstellte ein Konzept, suchte und fand einen Investor und einen Entwickler für die Software. Der wollte allerdings 150.000 Euro für den Prototypen: zu viel, der Investor sprang ab. Das hätte das Ende der Idee des multilingualen Videos sein können. Doch da kam Sohn Niklas ins Spiel: Der hatte bereits mit 13 Jahren mit dem Programmieren angefangen, sich das mit Papas Videos und Fachbuchlektüre zu Programmiersprachen und Betriebssystemen selbst beigebracht. In der Schule – Niklas besuchte das Leininger-Gymnasium in Grünstadt – stand Informatik erst ab der Oberstufe auf dem Lehrplan. „Da hatte ich schon ein paar Jahre Programmieren hinter mir“, erzählt der heute 22-Jährige, der mittlerweile in Ludwigshafen lebt und – was sonst? - Informatik in Mannheim studiert. Niklas überlegte, wie man ein Programm für ein Youtube-Video schreiben könnte, bei dem man in eine andere Audio-Datei wechseln kann – das funktioniert wie die Sprachauswahl bei einer DVD. An einem Wochenende entwickelte er die entsprechende Software. Bernd Korz: „Ich habe an einem Dienstagabend gerade ein Champions-League-Spiel im Fernsehen angeschaut, da kam Niklas, klappte den Laptop auf und zeigte mir ein Youtube-Video, bei dem man die Sprache wechseln kann.“ Das war die Grundlage für die Gründung der alugha GmbH. Alugha ist Swahili und bedeutet „eine Sprache“. Gregor Greinert und dessen Vater Klaus Greinert, der 49 Prozent an der Firma hält, hätten 2,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Weitere 49 Prozent gehören der Familie Korz, zwei Prozent dem Chefentwickler. Alugha.com ist eine Videoplattform wie YouTube, mit mittlerweile über 10.000 Videos. „Wir werden in über 150 Ländern aufgerufen“, so Korz. Man kann dort aber nicht nur Videos ansehen oder hochladen, sondern seine eigenen Videos auch mit anderen Sprachen „dubben“, ohne dazu Software installieren zu müssen. Je nach Bedarf und Anspruch gibt es verschiedene Möglichkeiten und Preise: Der Kunde entscheide, welche Kriterien für ihn wichtig seien. Wer also sein deutschsprachiges Video zum Beispiel auf Spanisch veröffentlichen möchte, kann den Text über alugha übersetzen und sprechen lassen. Korz sieht darin die Möglichkeit, dass Menschen weltweit, die eine Fremdsprache beherrschen, sich Geld als Minijobber dazu verdienen können. Um die Texte einsprechen zu können, benötigten sie lediglich ein Smartphone. In Zukunft soll alugha dafür auch als Vermittlungsplattform dienen. Für große Unternehmen wie die BASF oder John Deere seien die Ansprüche natürlich wesentlich höher, für deren Videos kämen nur zertifizierte Übersetzer, zum Teil mit Spezialkenntnissen, und professionelle Sprecher zum Einsatz. Bei alugha sind offenbar nicht nur die Videos multilingual: „Wir sprechen insgesamt 16 Sprachen bei uns in der Firma“, erzählt Niklas Korz. Global agierende Unternehmen griffen bereits auf die alugha-Services zurück. Am 1. Januar habe der richtige Vertrieb begonnen. Als Ziel für dieses Jahr nennt Bernd Korz einen mindest sechsstelligen Umsatz. Die Firma beschäftigt 35 Leute, nicht nur aus dem Bereich Informatik: „Wir haben eine eigene Kreativabteilung.“ Programmtechnisch seien sie keine „Hobbyklitsche, sondern Hightech“, sagt Korz. Auf der ganzen Welt stünden ihre Server, insgesamt 36. Im Internet alugha.com

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