Grünstadt Steine und Handwerk begreifen

91-71954862.jpg

„Am 24. Oktober kumm ich widder, wenn’s dann auch in die Sandsteingruben geht.“ Die ältere Dame aus Neuleiningen war sich mit den meisten der gut 40 Teilnehmern einig, dass diese Ortsbegehung der Senioren der Verbandsgemeinde Grünstadt-Land eine besonders informative war. In Ebertsheim standen am Freitag der Sandsteinabbau und das Bildhauerhandwerk im Mittelpunkt. Ein Nachmittag zum Begreifen – und zwar im wahrsten Wortsinn.

Etwa auf dem Ebertsheimer Friedhof, der um 1800 an seinem jetzigen Standort angelegt worden ist. Im Eingangsbereich stehen dort – unter Denkmalschutz – sandsteinerne Beweise imposanten Bildhauerhandwerks: reich verzierte, bis zu drei Meter große Grabsteine. Etwa der der Familie Dilg, die in früherer Zeit einen der sieben Sandsteinbrüche in Ebertsheim betrieben hat. Der Ebertsheimer Lokalhistoriker Eberhard Krezdorn: „Ende des 19. Jahrhunderts waren in den Ebertsheimer Steinbrüchen gut 100 Arbeiter beschäftigt – eine für unser Dorf enorme Anzahl.“ Zum Grabmahl des „Jakob Fetzer“ hatte Alt-Ebertsheimer und VG-Seniorenvorsitzender Reinhard Fischer Zusatzinfos: „Fetzer war damals der erste Feuerwehrkommandant in unserem Dorf.“ Ortsbürgermeister Bernd Findt nickte zustimmend, auch er kennt inzwischen die nicht mehr in Ebertsheim lebende Familie: „Beim Mittelaltermarkt zum 1250. Jubiläum des Ortes ist einer der Fetzer-Nachkommen zu mir gekommen und hat mir ein Kuvert mit 1250 Euro für unsere Gemeindefeierlichkeiten übergeben. Aus alter Verbundenheit zu Ebertsheim.“ Übrigens: Die Jubiläumszahl 1250 tauchte noch öfter auf an diesem Nachmittag. Denn genau so viele Einwohner hat Ebertsheim-Rodenbach heute. Und genau so hoch ist die derzeitige Restsumme in der Jubiläumskasse der Ortsgemeinde. Bislang wurden 21.000 Euro für die Jubiläumsfeierlichkeiten ausgegeben: für Mittelaltermarkt mit Umzug, gemeinsame Silvesterfeier oder Dorfbegehung mit Grubenbesichtigung. Damals wie nun auch am Freitag war das älteste Sandsteingebäude des Ortes eine der Stationen: die protestantische Stephanskirche. Ihre Grundmauern und das Untergeschoss datieren aus dem 12. Jahrhundert. Im Laufe der Jahrhunderte, so Pfarrer Johannes Fischer, haben sich die Baustile wie Gotik oder Romanik je nach Um- und Anbau in das Gebäude eingebracht. Eine besonders schlichte Atmosphäre erhalte die Stephanskirche durch die vielen Holzelemente an Decke, Kanzel oder Empore. Die ausgiebige Verwendung von Holz in der Kirche verwundert auch deswegen, weil Ebertsheim in früherer Zeit über alle Baustoffe, wie Kalk, Sand oder Steine verfügte, aber eben nicht über Holz. Dieses musste in den Stumpfwaldgemeinden eingekauft werden. Deswegen gibt es in dem Ort auch kaum Fachwerkhäuser, aber jede Menge Sandsteingebäude. Auch wenn viele heutzutage verputzt sind und Beweise der Sandstein-Bildhauerkunst darunter versteckt liegen. Dass es auch heute noch Ebertsheimer gibt, die mit Fäustel und Krönel den roten Sandstein bearbeiten können, bewiesen zur Überraschung der Senioren der nun in Göllheim lebende Bildhauermeister Bruno Weygand und der gelernte Bildhauer und heutige VG-Verwaltungsmitarbeiter Hanns Gauch. An historischer Stätte begriffen die Beiden Werkzeug sowie Steine und ließen auch die Senioren das Material begreifen. Und das ausgerechnet in der Neugasse, im Hof der Familie Maurer. Deren Vorfahren erhielten im Jahr 1880 eine Ausschankerlaubnis für eine Wirtschaft „auf dem Weg zu den Steinbrüchen“, wie Krezdorn aus dem Dokument zitierte. Übrigens: Dem Enkel wurde die Ausschankerlaubnis später verwehrt, da „Völlerei unter den Arbeitern herrschte“. Gemeint war damit nicht etwa ausgiebiges Essen, sondern die Trinkerei und das Nichteinhalten der Polizeistunde. Allerdings hat’s dann doch noch mit der Genehmigung geklappt, schließlich wurden in der Gaststätte Maurer noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts reichlich Gerstensaft und auch Härteres ausgeschenkt. So auch am Freitag. Kredenzt vom Hausherren Wolfgang Maurer, der sich nach seinem Berufsleben als Firmenchef seinen Lebenstraum erfüllte: Als Wirt von „Wolfs Revier“ trat er in die Fußstapfen seiner Vorfahren. Und selbstverständlich gab’s den vom Ebertsheimer Natur- und Vogelschutzverein selbst hergestellten Grubenbrand. Den gibt es sicherlich auch am 24. Oktober, wenn’s zur Sandstein-Exkursion in einen alten Steinbruch geht. Dann ist gewiss wieder die ältere Dame aus Neuleiningen dabei. (lor)

x