Grünstadt „Vielleicht früher aufgewacht“

Die Pläne der Firma Dinges, in Grünstadt ein Gefahrgutlager für 108 Container errichten zu wollen, hat den Stadtrat am Dienstag in seiner Sitzung lange beschäftigt. Bürgermeister Klaus Wagner (CDU) hat in der Sitzung des Rates klargestellt, dass er im Jahr 2016 nicht von Ingo Dinges über den geplanten Bau eines Gefahrgutlagers informiert worden sei. Er habe erst 2017 davon erfahren.

Zwar habe er im Juli 2016 bei einem Firmenbesuch mit Dinges gesprochen, allerdings sei es um Probleme mit der Kläranlage gegangen, sagte Wagner im Rat. Die ersten Informationen über den Wunsch von Dinges, in Grünstadt ein Gefahrgutlager zu errichten, habe er im Frühjahr 2017 erhalten. Er habe Dinges gegenüber seine Bedenken gegen den Bau eines Gefahrstofflagers geäußert, und ihm auch mitgeteilt, dass ein Alternativstandort im Gewerbegebiet Süd erst in drei bis vier Jahren bebaut werden könne. Umfang und Größe der Planungen seien ihm beim Gespräch mit Dinges im Juli 2017 nicht bekannt gewesen, so Wagner. Die Fraktion der Grünen hatte von Wagner eine „lückenlose Aufklärung“ über den zeitlichen Ablauf erwartet und die bisherigen Informationen als „Stückwerk“ kritisiert. Für Sprecherin Elke Vetter war es schwer verständlich, dass Wagner nicht nach Einzelheiten der Planungen gefragt hatte, zumal Dinges wenige Wochen nach dem Gespräch mit Wagner, im September 2017, einen (aus mehreren Ordnern bestehenden) Bauantrag bei der Kreisverwaltung eingereicht habe. Wagner berichtete, ihm gegenüber habe Dinges damals nicht gesagt, dass der Bauantrag schon in Vorbereitung sei. Die Stadt habe im weiteren Verlauf mehrmals (November 2017, Juni 2018) negative Stellungnahmen zu dem Projekt abgegeben, und im September 2018 Widerspruch gegen die Teilbaugenehmigung eingereicht, so Wagner weiter. „Es ist nicht so, dass wir das wohlwollend begleitet haben.“ Spies: „Wurde das nicht als wichtig gesehen?“ Christoph Spies (SPD) hätte es als die Pflicht des Bürgermeisters gesehen, den Stadtrat zu informieren. Er zitierte die Gemeindeordnung, wonach die Ratsmitglieder über „alle wichtigen Angelegenheiten“ zu informieren sind und fragte: „Wurde das vom Bürgermeister nicht als wichtige Angelegenheit gesehen?“ Elke Vetter (Grüne) sagte: „Die Firma Dinges wäre vielleicht auch aufgewacht, wenn sie die Sorgen und Proteste früher gespürt hätte.“ Sie vermisse in Wagners Handeln eine „moralische Verantwortung gegenüber der Bevölkerung“, sagte Vetter. Schließlich wolle die Stadt ins Neubaugebiet „In der Bitz“ junge Familien holen. Wagner: „Es wäre besser gewesen, ich hätte informiert“ Wagner räumte gegenüber den Ratsmitgliedern ein: „Es wäre besser gewesen, ich hätte den Stadtrat im nichtöffentlichen Teil informiert.“ Er habe es nicht getan, weil er überzeugt gewesen sei, dass das Vorhaben ohnehin nicht zulässig sei. Und er es als problematisch erachte, als Verfahrensbeteiligter im laufenden Verfahren mit Informationen in die Öffentlichkeit zu gehen. Susanne Faust (Grüne) sagte, die Verwaltung hätte früher reagieren können, zumal die Stadt ja zuvor schon zweimal negative Stellungnahmen ins Kreishaus geschickt hatte: „Spätestens da hätte Ihnen klar werden müssen, dass das Projekt etwas widerspenstiger ist.“ Die Rolle von Johannes Adam (FWG) war auch Thema der Ratssitzung. Adam hatte „unter der Hand“ von den Dinges-Plänen erfahren, wie er sagte, und zwar im Frühjahr 2017 im Kreishaus von Bad Dürkheim. „Dann habe ich sofort Herrn Wagner miteingeschaltet“, sagte Adam. Er betonte, dass er keine Beratungsaufträge der Firma habe, sondern „in meiner Freizeit“ Dinges kontaktiert habe. Wagner bestätigte das: Adam sei auf ihn zugekommen, weil er sich als Unternehmer für die Belange anderer Unternehmer in dem Gewerbegebiet interessiere, er sei als eine Art Mittler bei dem Gespräch mit Dinges dabeigewesen: „Ich habe bei dem Termin Herrn Adam nicht als Stadtrat eingeladen.“ Adam führte im Rat aus, dass er „keine außergewöhnliche Gefährdung“ sehe, die Container müssten sehr hohen Sicherheitsanforderungen genügen, weil sie auch im Straßenverkehr unterwegs seien. Zudem gebe es in der Umgebung 50 Gefahrstofflager. Mit Bezug auf die strengen Gesetze, die für die Branche gelten, sagte er: „Wir müssen den Gesetzen schon vertrauen.“ Adam – seit 50 Jahren im Bereich Brandschutz tätig, jahrzehntelang im Gefahrstoffzug der Feuerwehr – verteidigte seine Haltung, sein Wissen nicht mit den Ratskollegen geteilt zu haben: „Wenn ich der Meinung bin, da ist keine Gefahr, dann muss ich nicht den Stadtrat informieren.“ Vetter: „Das sind keine harmlosen Stoffe“ Elke Vetter, die beruflich mit Gefahrstoffen zu tun hat, machte deutlich, dass unter den Stoffen, die dort in den Containern gelagert werden sollen, krebserzeugende, erbgutverändernde und fruchtbarkeitsgefährdende Stoffe seien, so genannte CMR-Stoffe (cancerogen mutagen reprotoxic). „Das sind keine harmlosen Stoffe. Auch nicht in geringen Mengen.“ Vor menschlichem Versagen sei keiner gefeit. Bernd Fricke (SPD) sagte, er sorge sich, ob die Feuerwehr die nötige Routine habe, mit den Gütern umzugehen: „Hier sehe ich die Bringschuld bei der Firma Dinges.“ Mimmo Scarmato (CDU) überlegte laut, ob es eine gezielte Vorgehensweise der Firma sei, „immer im Rahmen des Bebauungsplans“ zu bleiben, damit die Pläne nicht im Planungsausschuss der Stadt besprochen werden müssten. Alise Höhn (FDP) kritisierte: „Die Öffentlichkeitsarbeit der Firma Dinges ist extrem minimal ausgeprägt.“ Stadtverwaltung und Juristen: Lager darf dort nicht sein Dirk Theobald, der stellvertretende Leiter des Bauamts, legte dar, dass es – weil es einen Bebauungsplan für dieses Gebiet gibt – durchaus Sache der Stadtverwaltung sei, die Stellungnahmen auszuarbeiten und der Rat damit nicht betraut werden müsse. Über den Bauantrag entscheide die Kreisverwaltung. Der Rat sei eingebunden, wenn der Bau genehmigt werde – nämlich in der Frage, ob dann dagegen Widerspruch eingelegt und geklagt werden soll. Ein Jurist habe die Auffassung der Stadt bestätigt. Im Anwaltsschreiben heißt es: „Da eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht erforderlich ist, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach dem Baurecht.“ Nach Sicht der Anwälte widerspricht „das geplante Gefahrstofflager mit Heizplatz, Stickstoffanlage und Bürocontainern den Festsetzungen des Bebauungsplans des Gewerbegebiets Nord, da ein solches Gefahrstofflager einen erheblich störenden Gewerbebetrieb darstellt, der aufgrund der potenziell von ihm ausgehenden Störungen einem Industriegebiet zuzuordnen wäre“. Theobald berichtete im Rat, dass die Firma Dinges ein Gelände schon im Juni 2017 genutzt habe, bevor überhaupt ein Bauantrag gestellt worden sei. „Da standen schon Lkw, obwohl es für die Fläche noch keine Genehmigung gab.“ Die Kreisverwaltung sei eingeschritten.

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