Kaiserslautern Über allem schwebt die Strafdrohne

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Das war das zweite Streich, der dritte folgt sogleich: Frei nach Wilhelm Busch brachten die Kabarettisten Untiere am Mittwoch im dicht besetzten Edith-Stein-Haus die zweite Folge ihrer Trilogie in Form eines satirischen Singspiels auf die Bühne: Bei den Klausi-Chroniken folgte nach dem Einstieg im November letzten Jahres jetzt „Die Ritter der Schwafelrunde“. Der dritte Teil ist für den 16. November geplant.

Mit dieser nach altbayerischer Tradition konzipierten Singspiel-Reihe ist den Lokal-Patrioten um Urgestein Wolfgang Marschall ein großer Wurf gelungen, der alles seit 2009 an Politsatire, an Spielwitz und Ideenreichtum hinsichtlich Wortspiel, Schauspiel und Musikkabarett weit übertrifft. Die erste Aufführung widmete sich ganz dem OB, als „Klausi gegen den Rest der Welt“ die Utopie eines Stadtstaates mit Steuerparadies und eigener Währung – dem Klausthaler – anstrebte. An der politischen Gegenspielerin Susi (in Anspielung auf Stadtbürgermeisterin Susanne Wimmer-Leonhardt) scheiterte die Vision, Klausi flüchtet in den Urwald des Pfälzer Waldes zwischen Vogesen und Donnersberg. Seine Gegenspielerin übernimmt nach einem gelungenen Putsch als Obristin das Kommando, und damit ist der Besucher mitten in der zweiten Folge. Ohnehin gelingt es Marschall als Sprecher in die Handlung einzuführen und diese verständlich zu kommentieren. Außerdem gibt es zum Einstieg vorab einen musikalischen Prolog. Vorab sei gewürdigt, dass das Team mit der Adaption von Musical-Highlights wie Andrew Lloyd Webbers „Phantom der Oper“ oder „Evita“ sowie von Pophits wie „A Whiter Shade of Pale“ oder „Downtown“, zu denen sie passende Texte dichtete, eine durchgehende, schlüssige Handlung ohne Nahtstellen kombinierte, fast schon komponierte. Dabei erwies sich der Keyboarder Edwin Schwehm-Herter wieder als ein profunder Kenner der Musikgeschichte dieses Genres, hatte diese Musik entsprechend bearbeitet. In Marina Tamássy als Beate Kimmel (Personalchefin der Stadt) und in Gaststar Petra Mott als Petra Rödler fand diese geniale Aufführung zwei schauspielerisch wie stimmlich sehr starke künstlerische Persönlichkeiten, die zum souveränen Spiel des Keyboarders und Marschalls stilsicherem Drumset sowie Philipp Tulius’ immer passenden und synchronen Bass mit dem stimmigen Groove und dem einfühlsamen Tonfall ihrer flexiblen und kultivierten Stimmen aufwarteten. Die früheren Erfolge bei ihrem monatlich wechselnden Programm im musikkabarettistischen Sektor hatten die Untiere angespornt, jetzt ausschließlich auf diese eigene Mischung aus Musik und Textbuch sowie aufwendiger Bühnentechnik mit Leinwandprojektion von zuvor produzierten Kurzfilmen zu setzen. Das erste Singspiel der Untiere – zuvor gab es zwei Revuen – nutzt alle bisherigen Möglichkeiten der Persiflage, der aufwendigen Ausstattung (Garderobe, Maske und Technik), um ein Höchstmaß an Wirkung zu erzielen: Tulius übertrifft sich als OB dabei selbst, als er wie ein gehetztes Tier – so in den eingespielten Filmausschnitten – im Pfälzer Urwald mit Speer ums nackte Überleben kämpft. Parallel wird in grotesken Szenen das Szenario einer Politessenstadt mit großflächiger Parkraumbewirtschaftung in allen Stadtteilen (am Beispiel Mölschbach) entworfen und zwar mit einer rigorosen diktatorischen Durchsetzung der horrenden Gebührenordnung bei Verstößen. In einem Lied „Wir melken die Massen“ bringen es die beiden Protagonistinnen als ausführendes Organ dieser Politik auf den Punkt. Unterstützung finden sie mittels einer Strafdrohne, die alles überwacht und gegebenenfalls auch sanktioniert. Verschiedene Handlungsebenen machen den Reiz von Geschichten grundsätzlich aus: Hier schleicht Klausi als Phantom des Rathauses – mit entsprechendem Gewand und Maske – nächtlich immer wieder ins Rathaus zurück, um im Selbstmitleid zu zerfließen und in reflektierenden Monologen die Vergangenheit aufzuarbeiten. „Don’t cry for me Argentina“ – der Kassenschlager von Webber wird als geschickter Schachzug zu „Wein nicht um mich Kaiserslautern“. Und schließlich bei seiner offiziellen späteren Rückkehr stimmt er das Lied an „Ich bin wieder hier, in meinem Revier“. Tulius hat zwar nicht ganz die sängerische Klasse der Mitspielerinnen, macht seine Sache aber dennoch hervorragend, weil er den larmoyanten Tonfall genau trifft. Seine erste Amtshandlung als zurückkehrender OB könnte in die Geschichtsbücher und Chronik der Stadt eingehen. Die sich verselbstständigende Drohne wird vom Klausi in eine Unterführung gelockt und zerschellt... Klausi als Held! Ein Sonderlob verdiente sich Petra Mott, die sich nahtlos in die Konzeption einfügte und zudem Clara Künzel in den Liedeinwürfen, die den Glanz ihrer makellos reinen Stimme offenbarten. Info Weitere Aufführungen des Untiere-Singspiels finden jeweils um 20 Uhr im Edith-Stein-Haus bis einschließlich Sonntag statt, wobei für Sonntag noch viele, zuvor nur noch ganz wenige Restkarten zur Verfügung stehen.

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