Kaiserslautern Als wären sie ein Liebespaar gewesen
Nein, „Text-Taxi“ hat nichts mit den weißen Autos in der Stadt zu tun. Im weiteren Sinne aber irgendwie doch: Denn das Schauspiel-Duo Bodo Redner und Kerstin Bachtler befördert seine Zuhörer in die unterschiedlichen und doch ähnlichen Welten zweier Dichter, die sich nie gekannt haben und doch verbunden zu sein scheinen: Heinrich Heine und Mascha Kaléko. Jüngst ging die ,,Fahrt“ am Freitag in den Lauterer Salon Schmitt.
So eine Lesung von Gedichten kann – bei aller Schönheit und Zeitlosigkeit der vorgetragenen Werke – hin und wieder recht trocken ausfallen. Nicht so bei Kerstin Bachtler und Bodo Redner. Das Duo hat mal eben eine Genre-Neuschöpfung ins Leben gerufen: „Lyrette“ – ein Begriff, den sich das Gespann hat schützen lassen – nennt sich das, was Redner und Bachtler auf der Bühne präsentieren. Und hier wird nicht einfach vorgelesen, hier wird in perfektem Einklang szenisch vorgetragen. Das Verblüffende: Beide Schauspieler kommen aus Neustadt, sind seit circa 20 Jahren auf den Pfälzer Bühnen aktiv und haben sich doch erst vor wenigen Jahren zufällig bei einem gemeinsamen Theaterstück kennengelernt. Auf Anhieb fühlte sich das Paar künstlerisch miteinander verwandt. Und damit waren es schon vier. Denn auch Heinrich Heine und Mascha Kaléko scheinen auf künstlerischer Ebene seelenverwandt gewesen zu sein, obwohl rund 100 Jahre und fast fünf Epochen Literaturgeschichte zwischen ihnen liegen. Der Grund: Kaléko war zeitlebens eine große Heine-Verehrerin und ließ sich in ihren eigenen Werken oft vom großen Idol inspirieren. Literaturstudentin und Lyrik-Liebhaberin Kerstin Bachtler hat die Parallelen entdeckt. „Irgendwann las ich ein Gedicht von Kaléko, bei dem ich dachte: Hab ich das nicht gerade gelesen? Dann habe ich ein Gedicht von Heine danebengelegt und festgestellt: Die sind ja beide fast identisch in ihren Themen und Emotionen“, erinnert sie sich. Kurzerhand hat sich die Schauspielerin durch alle Liebesgedichte aus dem breiten Repertoire beider Autoren gewälzt, und der Eindruck bestätigte sich: Heine, der als „letzter Romantiker“ gilt und immer dazu neigte, seine Liebes-Arien mit einem „bösen“ Unterton abzuschließen, und die schnoddrige, „neu-sachliche“ Art von Kaléko passten wie Deckel auf Topf. Prompt entwickelte Bachtler mit ausgewählten Werken eine Dramaturgie – inszeniert von Hedda Brockmeyer – bei der die Grenzen zwischen dem Poeten des 19. Jahrhunderts und der Dichterin des 20. Jahrhunderts so fließend ineinander übergehen, dass sie schon fast gar nicht mehr zu existieren scheinen. Entstanden ist eine szenische Lesung von Gedichten, deren Dichter sich zwar nie begegnet sind, aber offenbar doch mehr gemein hatten als die Liebe zum Schreiben: Heine und Kaléko waren beide jüdischer Herkunft, beide waren ihrer Zeit voraus, waren quasi Außenseiter ihres Fachs und beide standen ihrer jeweiligen Zeit kritisch, ironisch, nüchtern und melancholisch gegenüber. Und so schmiegten sich die Liebes-Arien derart vertraut aneinander, als hätten beide Dichter beim Schreiben gemeinsam an einem Tisch gesessen. Teilweise hatte man das Gefühl, dass ein Gedicht die Fortsetzung beziehungsweise das Gegenstück des anderen ist. Als stünden beide Dichter durch ihre Werke in einem Dialog miteinander. Das Themenspektrum: jugendliche Verliebtheit, Herzschmerz, (Beziehungs-)krisen und Trennung. Bachtler und Redner schlüpfen mit Charme, Witz und Spielfreude in die Rollen der jeweiligen lyrischen Ichs, sprechen miteinander in deren jeweiliger Sprache, necken, küssen und bekriegen sich, wie es Liebespaare nun mal so tun. Das Publikum im Salon war hingerissen und traute sich nicht einmal, mit Applaus die Darstellung zu „stören“. Fazit: Wären Heinrich Heine und Mascha Kaléko ein Liebespaar gewesen, so hätte das sicherlich geklungen.