Kaiserslautern Bis der Saal brodelt

Gemeinsam auf der Jazzbühne: Mitglieder der Band Shaian.
Gemeinsam auf der Jazzbühne: Mitglieder der Band Shaian.

Großes Kino am Freitagabend bei der Jazzbühne in der Fruchthalle. Unter dem Titel „Jazzbühne meets Diversity“ hatten sich die drei Jazzer um Michael Lakatos das multikulturelle Bandprojekt Shaian aus Kaiserslautern eingeladen. Weltmusik im besten Sinne mit Liedern aus Afghanistan, Eritrea, Iran, Syrien, Indonesien, Tunesien und Deutschland. Mehr als 200 Zuhörer waren total begeistert.

Wohl jeder im Saal fragte sich vor dem Konzert, wie mag das wohl funktionieren, wenn die Flüchtlinge mit ihren Liedern aus ihren jeweiligen Heimatländern und die Jazz-Formation aufeinandertreffen? Und ob es glückte, obwohl die Protagonisten am selben Nachmittag nur eine Stunde Zeit hatten, um zu proben: Das 57. Konzert war eines der berührendsten in der 14-jährigen Geschichte der Jazzbühne überhaupt. Es nahm die Hörer mit auf eine Reise voller Erfahrungen, die unser Herz dafür öffnen, die Versprechen der Welt und ihrer unbegrenzten Möglichkeiten zu empfangen. Es zeigte aber auch, wie eng die Gruppe Shaian unter Leitung von Dagmar Kern und Michael Halberstadt mittlerweile zusammengewachsen ist, wie großartig sich jeder einzelne Musiker seit Gründung der Gruppe vor knapp zwei Jahren entwickelt hat. Begrüßt wurde das Publikum von der Namensgeberin des Ensembles, dem elfjährigen Mädchen Shaian aus Kurdistan, das mit seinem Vater und Bruder in Kaiserslautern lebt. Das a-cappella vorgetragene Sehnsuchtslied aus ihrer Heimat ging total unter die Haut. Mit ihrer wunderbar traurigen Stimme nahm Shaian die Stimmung auf und trauerte singend vergangenen Zeiten nach. Da fühlte man unweigerlich mit. Und was für großartige Sängerinnen und Sänger folgten ihr: Authentizität und Eigenwilligkeit lag in der flexiblen Stimme des Iraners Amir Hadavi in dem persischen Abschieds- und Liebeslied „Age Ye Rooz“, wobei er sich auf der Gitarre begleitete. Die Entdeckung des Abends aber war die indonesische Sängerin Fina Ghasanni, Studentin in Trier, die mit den Liedern „Valerie“ von Amy Winehouse, „Kopi dang dut“ und „Rolling In The Deep“ der britischen Popsängerin Adele begeisterte. Sie überzeugte mit ihrer kräftigen Stimme, variierte geschmeidig Timbre und Tonfall, und ihrer emotionalen, abwechslungsreichen Klangfarbe konnte sich keiner entziehen. Zumal ihre Bühnenpräsenz bestechend und ganz natürlich war. Richtig am Brodeln war der Saal, als der Iraner Sam Rezzaii mit dem Rap „People Are Strange“ loslegte wie eine Furie. Lässig wie ein typischer Halbwüchsiger, mit verdrehter Baseball-Mütze, legte er mit seinem zungenakrobatischen, dabei rhythmisch exakten Sprechgesang los. Die Seele berührte Ahmad Walhoud mit dem Liebeslied „Law“ aus seiner syrischen Heimat. Getränkt war seine Stimme dabei von Melancholie und Wehmut. Virtuos spielte der Afghane Tofan Khaleo auf seiner Dambura, einer Langhalslaute, deren Spiel bis vor Kurzem noch von den Taliban in Afghanistan bei Todesstrafe verboten war. „Kapitalistische Musik“ sei in Ländern wie Iran oder Afghanistan eh verboten, so Michael Lakatos, der das Konzert moderierte. Bei solcher Musik waren die Drei von der Jazzbühne ganz schön gefordert. Aber sie bestanden diese Herausforderung mit Bravour. Höchst filigran begleitete Martin Preiser am Klavier, dabei mit einem hohen Maß an Einfühlungsgabe. Großartig auch Stefan Engelmann mit dem satten Sound des Basses und Michael Lakatos am Schlagzeug, mal mit sensibelster Besenarbeit, mal akzentuiert und mit raffinierten Schlagfolgen antreibend. Zur Geltung kamen Dagmar Kern und Michael Halberstadt so richtig bei „Heute hier, morgen dort“ und „Die Gedanken sind frei“, Kern mit wunderbar klarer, heller Sopranstimme und Halberstadt mit Sandpapierstimme. Auch gitarristisch bestach er mit gesanglichen, wohltönenden, sensiblen, runden Linien, wobei ihn der Iraner Nick am Cajon, der Tunesier Mohammed auf der wohlklingenden Oud und Souhel auf den Congas begleiteten. Das wirbelte und pochte oft ganz schon mitreißend. Das Ergebnis klang mal opulent, mal spielerisch, auf alle Fälle aber einzigartig und faszinierend. Langanhaltender Applaus im Stehen.

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