Kusel Die Stadt steckt voll bildender Kunst

Jochen Hartloff war von 1984 bis Ende 2011 und noch einmal von 2019 bis ’24 ehrenamtlicher Stadtbürgermeister von Kusel.
Jochen Hartloff war von 1984 bis Ende 2011 und noch einmal von 2019 bis ’24 ehrenamtlicher Stadtbürgermeister von Kusel.

Kommunalpolitiker mit Kunstsinn? Das gibt’s! Was den Menschen in Kusel selbst mitunter gar nicht bewusst ist, wirkt nach außen als Alleinstellungsmerkmal. Das 5400-Einwohner-Städtchen verfügt über unerwartet viele Kunstwerke im öffentlichen Raum. Dieses Pfund haben die Kuseler ihrem langjährigen Stadtbürgermeister Jochen Hartloff zu verdanken, der jetzt in den Ruhestand getreten ist.

Annähernd vier Jahrzehnte lang hatte der Sozialdemokrat Jochen Hartloff das Ehrenamt des Stadtbürgermeisters von Kusel inne, unterbrochen nur von ein paar Jahren als rheinland-pfälzischer Justizminister. Erst im vergangenen Frühjahr stellte er sich nicht mehr zur Wahl für den Posten, den ihm lange Zeit niemand ernsthaft streitig gemacht hat. Sein Leistungsverzeichnis im Dienst der einstigen Tuch- und Hutmacherstadt ist lang.

Besucher von außerhalb nehmen nicht zuletzt die Fülle von Kunstwerken im öffentlichen Raum wahr. Man liegt kaum falsch, wenn man dieses Alleinstellungsmerkmal dem 69-jährigen Politiker gutschreibt. Jochen Hartloff ist der Sohn eines Kunstmalers und -lehrers, hat selbst Kunstgeschichte studiert und sitzt unter anderem im Vorstand der Landesstiftung Arp-Museum.

Altstadtsanierung als Krücke

1984 wurde der 29-jährige Jurist, der gerade erst eine eigene Anwaltspraxis eröffnet hatte, zum Stadtbürgermeister gewählt. Damals war in Kusel gerade die Altstadtsanierung angelaufen. Das ist laut „Handwörterbuch der Stadt- und Raumentwicklung“ die „kontinuierliche Instandhaltung und Erneuerung von Gebäuden und Freiflächen (…) zum Wohl der Allgemeinheit“, um „die Funktionsfähigkeit eines Gebiets nachhaltig zu sichern“.

Der Neu- und Jungbürgermeister ging das Projekt mit seinem Stadtrat beherzt an, musste aber beim Griff in die öffentlichen Fördertöpfe erfinderisch sein. Dazu gehörte der Spagat, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden - also neben funktionalen auch gestalterische, künstlerische und vor allem finanzielle Überlegungen einfließen zu lassen.

Skulpturen statt krummer Poller

„Die Fördermittel zur Altstadtsanierung waren ein Schlüssel zur Weiterentwicklung“, sagt Jochen Hartloff heute. „Man musste Fantasie walten lassen, aber es ist dann ganz gut gelungen, obwohl wir nie einen Ankauf-Etat für Kunst hatten. Manchmal gab’s dafür Geld für die gesetzlich vorgeschriebene ,Kunst am Bau’.“

Die ersten kreativen Arbeiten, die ihren Weg in die Innenstadt fanden, waren die Steinskulpturen von Ludwig Grub (1930-2007) auf dem Marktplatz. „Damit haben wir die schief gefahrenen Poller ersetzt“, scherzt Hartloff im Rückblick. Die abstrakten Kolosse stehen zu Füßen des sandsteinernen Hutmacherbrunnens, dessen Muschelkalk-Putten 1925 vom Münchner Kunstprofessor Ludwig Müller-Hipper entworfen wurden.

Kreative aus der Region

Wenige Meter weiter in der Ziegelgasse steht der Bronzeabguss der lebensgroßen Keramik „Esse percipi“. Das Werk des 1960 geborenen Stefan Engel wurde am Standort des einstigen jüdischen Betsaals aufgestellt, den die Nazis in der „Reichskristallnacht“ geschändet hatten. Der aufdringlich intellektualistische Titel – zu Deutsch: „Sein heißt wahrgenommen zu werden“ – mahnt zum Gedenken an den Völkermord des Dritten Reichs.

„Nicht nur, aber vor allem“ richtete Hartloff sein Augenmerk auf Kunstschaffende aus der Region. Im Hof des Stadtmuseums stehen zwei Büsten der aus Altenkirchen stammenden Anthroposophin Johanna Germann (1896-1973). An der protestantischen Stadtkirche erinnert ein vom Trippstadter Otto Kallenbach (1911-1992) geschaffenes Relief an den 1744 in Kusel geborenen Staatsmann Christian von Hofenfels.

Bürgermeister in Beton

Im Stadtbild finden sich mehrere Werke des Bildhauers Erich Koch (1924-2014), der im Wolfsteiner Stadtteil Roßbach zur Welt kam; ebenso von seinem 1947 geborenen und lange in Hohenöllen ansässigen Kollegen Gottfried Bräunling. Auch der Kuseler Bernd Decker – Jahrgang 1963 – ist mit gleich mehreren Arbeiten präsent.

Um Deckers liebenswerte Bronzeplastik des städtischen Originals Reinhard Schmitt alias „Schmittche“ entspann sich eine Diskussion, weil man den Porträtierten eines „Denkmals“ für „unwürdig“ hielt. Eine ironische Darstellung des Stadtbürgermeisters, wie er mit dem Presslufthammer die Altstadtsanierung vorantreibt, wurde von Decker in Beton gegossen und „ohne mein Wissen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aufgestellt“. Inzwischen lagert sie im städtischen Bauhof.

„Hartloffs rostige Ritter“

„Hartloffs rostige Ritter“ nennen die Kuseler die drei musizierenden Bronzefiguren, die seit 2011 im Kreisel an der B420 stehen. Das Werk des 1956 in Worms geborenen Walter Schembs, der die Konterfeis des tatsächlich existierenden Ensembles „Colëumes“ abgebildet hat, erinnert an die Tradition der Westpfälzer Wandermusikanten.

„Man muss auch auf den zweiten Blick etwas erkennen können“, meint Hartloff – und verweist auf die „Vier Lebensalter“ von Johannes C. Gérard am Rathaus. Von dem 1959 geborenen Installations- und „Performance“-Künstler stammt außerdem die Madonnenfigur direkt daneben. Der wenig jüngere Kuseler Mark Owen hat eine abstrakte Plastik für die ehemaligen Tuchfabriken geschaffen, demnächst soll eins seiner Werke am Katasteramt aufgestellt werden.

Den anderen weit voraus

Fürs Stadtteilcenter in Diedelkopf ist ein tönerner Karpfen von Angelika Hering vorgesehen, für die Hintergasse eine Brunnenfigur der 1956 geborenen Carmen Stahlschmidt. Dem Ex-Bürgermeister schwebt ferner die Anbringung von QR-Codes vor, die zu detaillierteren Informationen über die Kunstwerke weiterleiten. Die Kreisverwaltung hat damit bereits an alten Musikantenhäusern angefangen.

Dennoch war Kusel in Sachen Kulturarbeit den meisten anderen rheinland-pfälzischen Städten weit voraus. Kurz nach Hartloffs Amtsantritt gab es eine Ausstellung in den Schaufenstern von Kuseler Ladengeschäften. Das war damals ein Novum in Zusammenarbeit mit dem (gerade erst im Entstehen begriffenen) Kunstkreis um den 1963 in Bedesbach geborenen Lichtilluminator und Maler Michael Seyl. Ebenso war das spartenübergreifende Multi-Media-Projekt „un-erhört“ auf dem Kuseler Marktplatz eine Pioniertat.

Anstoß zum (Nach-) Denken

Eher zum Kunsthandwerk zählen der Zunftbaum auf dem Koch’schen Markt oder der stilisierte Bleistift zur Erinnerung an den Mundartdichter und RHEINPFALZ-Kolumnisten Gerd Krieger. „Auf jeden Fall gehört Kunst einfach immer dazu, weil sie anregend ist“, sagt Hartloff, der seine Amtsgeschäfte inzwischen an Martin Heß von der CDU übergeben hat.

Der Ex-Bürgermeister ergänzt: „Sie kann auch Anstoß erregen, auf jeden zum Nachdenken anregen. Kunst ist geistiger Anspruch, Herausforderung und Wechselwirkung.“

„Hartloffs rostige Ritter“: Die in einem Kreisel auf der B420 postierte Bronzeskuptur von Walter Schembs erinnert an die Wanderm
»Hartloffs rostige Ritter«: Die in einem Kreisel auf der B420 postierte Bronzeskuptur von Walter Schembs erinnert an die Wandermusikanten.
Stadtbekanntes Original: „’s Schmittche“ von Bernd Decker.
Stadtbekanntes Original: »’s Schmittche« von Bernd Decker.
„Esse percipi“ heißt Stefan Engels Mahnmal am einstigen Standort des jüdischen Betsaals von Kusel.
»Esse percipi« heißt Stefan Engels Mahnmal am einstigen Standort des jüdischen Betsaals von Kusel.
„Die vier Lebensalter“ von Johannes C. Gérard vorm Rathaus.
»Die vier Lebensalter« von Johannes C. Gérard vorm Rathaus.
Ein von Ludwig Grub gestalteter Diabasblock am Marktplatz.
Ein von Ludwig Grub gestalteter Diabasblock am Marktplatz.
Ein Scherz: Beton-Bürgermeister mit Presslufthammer.
Ein Scherz: Beton-Bürgermeister mit Presslufthammer.
Gottfried Bräunling als Blickfang am Walkmühlweiher.
Gottfried Bräunling als Blickfang am Walkmühlweiher.
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