Kaiserslautern Die wahren Geheimniskrämer

91-89154530.jpg

In der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) tagen alle zwei Wochen die mächtigsten Notenbankchefs der Welt. Strenge Geheimhaltung ist garantiert, schließlich werden hier die Finanzströme der Welt moderiert. Theresia Walser widmet sich in ihrem Stück „Im Turm zu Basel“ nun dieser diskreten Superbank. Sebastian Schug, regelmäßig Regiegast am Mannheimer Nationaltheater, hat die Uraufführung inszeniert.

Der Turm steht direkt neben dem Schweizer Bahnhof in Basel. Dass hier regelmäßig sozusagen der Vatikan der Finanzwelt tagt, ahnen die wenigsten. Jeden zweiten Sonntag landen Privatjets auf dem Zürcher Flughafen, dann geht es in dunklen Limousinen nach Basel. „Kein Notenbanker würde wagen, ein Treffen in der BIZ zu verpassen“, gab William White zu Protokoll, dereinst Chefökonom der BIZ und Vize der kanadischen Notenbank. Aktuell reisen der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi oder Jens Weidmann von der Deutschen Bundesbank an. Für äußerst diskrete Gespräche. Der „Turm zu Basel“ ist denn auch exterritoriales Gebiet. Wer sich hier einfindet, steht außerhalb des Gesetzes. Was für ein Stoff, mag Theresia Walser gedacht haben, die sich mit ihrer grotesken Sprachkomik vornehmlich für die Absurdität geschlossener Gesellschaften interessiert. In „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ treffen beispielsweise Diktatorinnen-Gattinen aufeinander, die sich in einem Zickenkrieg der Superlative bekämpfen. Walser, die vor drei Jahren Hausautorin am Nationaltheater war und deren Theatertexte zuletzt von Mannheims Schauspiel-Intendant Burkhard C. Kosminski zur Uraufführung gebracht wurden, nutzt oft reale Zusammenhänge als Sprungbrett für dramatische Fantasien. Ihre Stücktexte aber sind alles andere als dokumentarisch. Schreiben, so Walser, bedeute für sie „die größtmögliche Bewegungsfreiheit, bei der ich mich in unterschiedlichste Gedanken, Meinungen, Welten und Charaktere hineinzuschrauben versuche.“ In „Der Turm zu Basel“ verlegt sie die Elefantenrunde der globalen Finanzelite in ein zeitloses Zwischenreich. Gegründet wurde die BIZ 1930. Die Institution sollte die Reparationszahlungen Deutschlands abwickeln. Sehr schnell widmete man sich aber anderen Aufgaben, ab 1933 hatte Hitlers Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht das Sagen. Theresia Walser lässt solche historischen Details durchaus einfließen, konzentriert sich ansonsten aber auf ein groteskes Figurenensemble. Sie lässt Herren auftreten, die der Bankenwelt angehören könnten. Ferchl (Simon Zagermann), ein Analyst, soll den Finanzcrash von 2008 vorausgesagt haben. Jetzt ist er interner Kritiker des Finanzpapstes Mr. Greeper (Thomas Reisinger). Spät kommt Barbosa (Vincent Glander) dazu, ein Schwellenlandgast aus Argentinien. Im Zentrum steht aber Turmherrin Tronje (Katja Jung). Sie zieht als graue BIZ-Eminenz Strippen, wenn sie nicht gerade lustvoll die Serviererinnen Fine (Liliane Amuat) und Lynn (Carina Braunschmidt) schikaniert. Die beiden geistern so ominös durch das Stück, dass man permanent damit rechnet, sie könnten die Finanzelite mit einer Bombe auslöschen. Tun sie aber nicht. Die beiden sind vornehmlich da, damit das Stück mit ihnen durch die Zeiten surfen und umständlich klären kann, wie alles anfing mit der BIZ. Von diesem verqueren Prolog erholt sich das Stück nicht. Vor allem aber findet Theresia Walser keinen Zugang zum Innenleben der Finanzgurus. Wir treffen auf austauschbare Anzugträger, die wollen, was alle wollen: Macht. Mehr ist da nicht, sieht man davon ab, dass Walser erneut Meisterin des abgründigen Sprachspiels ist. „Wir hatten noch nie so viel Wissen über das, was wir nicht wissen“, fasst etwa Finanzkassandra Ferchl das Dilemma der Prognosehysterie zusammen. Schade nur, dass Sebastian Schug allem Anschein nach ratlos war, als er den Stücktext in die Hand bekam. Schug ist ein zugleich zupackender und feinsinniger Regisseur, wenn er Shakespeare, Tschechow oder Tennessee Williams inszeniert. Er arbeitet oft am Mannheimer Nationaltheater und hat dort zuletzt Büchners „Leonce und Lena“ auf die Bühne gebracht. Mit „Im Turm zu Basel“ hat er sich nun sehr schwer getan und das Auftragswerk so in Szene gesetzt, dass man gerne sehen würde, ob das Stück in anderer Regie nicht doch mehr Anreize für szenische Fantasie birgt. Kontakt Details unter www.theater-basel.ch

x