Kaiserslautern Golo Schultz aus Speyer ist Filmproduzent und Komponist

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Vor drei Jahren war er als Produzent des Films „Love Steaks“ für den Deutschen Filmpreis nominiert. Da war er gerade mal 24 und hatte grüne Haare. Jetzt ist er 27, und seine Haare sind eher pink. Sein neuer Film „Tiger Girl“ sorgt für noch mehr Aufmerksamkeit, denn es geht um Gewalt. Um gewalttätige Mädchen. Golo Schultz aus Speyer produzierte ihn und schrieb die Musik.

Ihn zu erwischen, ist schwer, er ist viel unterwegs. Das Interview findet statt, während Golo Schultz im ICE von einer Vorpremiere in München zurück nach Berlin fährt. Sieben Mal bricht die Verbindung ab. Golo Schultz ist geduldig, obwohl das gar nicht zu ihm passt. „Ich bin immer sehr schnell. Das ist ein Phänomen der Generation Y, die immer selbstoptimiert zu schnell unterwegs ist“, sagt er und lacht. Sein Lebenslauf gibt ihm recht. 1990 in Speyer geboren, hielt er es nicht mal bis zum Abitur da aus. Was tat er in Speyer? „Zur Schule gehen ins altsprachliche Gymnasium, Latein lernen, Messdiener sein, brav sein.“ Und Klavier spielen. In der sechsten Klasse bestand er die Aufnahmeprüfung für das Landesmusikgymnasium Rheinland-Pfalz. Das bedeutete: ab nach Montabaur ins Internat. Fünf Stunden pro Woche Hauptfach Musik, dreimal die Woche Instrumentalunterricht, dazu Ensembles, Bigband, Orchester, Kompositionsunterricht. „Das volle Programm, eine duale Ausbildung“, meint er. Mit 13 spielte er in St. Petersburg bei einem Wettbewerb. Er hatte eine Hip-Hop-Band, eine Pop-Band, eine Jazz-Combo. Auf seiner (englischen) Webseite liest sich das so: „Golo grew up in the German countryside, practising his instruments and gathering experience“ (Golo wuchs im ländlichen Deutschland auf, übte auf seinen Instrumenten und sammelte Erfahrungen). Mit dem Abitur in der Tasche war er schon auf der Überholspur: Den Jungstudentenplatz an der Kölner Musikhochschule für Jazzklavier konnte er nicht angetreten, „weil kein Platz war“. Dafür das Aufbaustudium an der Hochschule für Musik in Hamburg. Doch 2009, nach einem Jahr, zog er schon weg nach Berlin – wegen der Band Eisblume. Da spielte er Keyboard. Der Stil? „Ich nenne es Schweinepop. Es war witzig. Danach war ich ausgebrannt“, sagt er. Zur Erholung ging er mit einem Freund nach Südafrika und produzierte mit ihm sein erstes Musikvideo: „Yes We Ken“. Weitere in Deutschland folgten. „Ich habe mich gleich selbstständig gemacht, eine Firma angemeldet und auf eigene Rechnung Musikvideos produziert.“ Auf Youtube kann man sie sehen: „Immer wenn es dunkel wird“ von Juli, „Mein Herz bleibt hier“ von Madsen, auch Avantgardistisches in Schwarzweiß wie „Mauer“ von der Band Fotos. Damit bewarb er sich an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) und der Filmuniversität Babelsberg in Potsdam. Die DFFB hätte ihn gerne genommen, „aber sie durften nicht, weil ich zu jung war, da habe ich die Altersschwelle nicht erreicht.“ Also ging der 21-Jährige nach Potsdam. Er wurde Film- und Fernsehwirt. „Wenn man kreativ und wirklich frei sein will, muss man die Geschäftsseite mitdenken“, begründet er seine Wahl. Das Unternehmertum war dem Sohn eines Anwalts und einer Vertriebsfachfrau und Malerin von klein auf vertraut: Sein Großvater hatte in Speyer eine Schleifmaschinenfirma. Golo Schultz lernte und produzierte noch im Studium seinen ersten Spielfilm „Love Steaks“ mit Ines Schiller, seiner Freundin, als zweiter Produzentin. Regisseur war Jakob Lass. Auch beim nun zweiten, „Tiger Girl“, führte Lass Regie, Schultz und Schiller produzierten. Wieder unter dem Signum Fogma. Abgeleitet von „Dogma“, der dänischen Filmbewegung, die Lars von Trier ins Leben rief. Bei Fogma geht es um Regeln fürs Filmemachen. Eine der zwölf Fogma-Regeln, die Schultz miterfand: „Fogma akzeptiert keine Nettigkeiten aus sozialer Faulheit“. Ein schöner Satz, findet Schultz. Doch all das reichte dem Multitalent nicht wirklich. „Ich habe immer auch gekämpft, war im Senat, im Fakultätsrat, in Ausschüssen. Das soziale Engagement gehört dazu – und die Politik. Alles was wir tun, ist politisch“, ist er überzeugt. Bei „Tiger Girl“, war er als kreativer Produzent dabei, so wie früher Bernd Eichinger bei seinen Filmen. Nur, dass es bei Schultz mehr die Musik ist, um die er sich kümmert. Die Hälfte entstand vor und während des Drehs. Die Musik wurde auf dem Set eingespielt und beeinflusste die Schauspieler beim Finden der Figuren, denn vieles ist improvisiert. So laufen Tiger und Vanilla, die gewalttätigen Mädchen, mit dem Baseballschläger in Zeitlupe zu einem Westernthema durch die Straßen und hauen Autos kaputt. Der Soundtrack wird auch herauskommen – als Schallplatte! „In unserer digitalen schnelllebigen Welt haben Sie dann etwas in der Hand. Das hat mehr Wertigkeit, mehr Haptik, mehr Geschichte“, sagt der junge Mann, der stets mit ungewöhnlichen Ideen und Taten verblüfft. Jetzt kommt „Tiger Girl“ ins Kino. Mit 50 bis 60 Kopien. „Es soll kompakt bleiben, denn man braucht einen guten Kopienschnitt, damit die Kinos den Film weiterspielen und wir weiter wachsen können.“ „Love Steaks“ war noch bei einem kleinen Verleih in Mannheim, „Tiger Girl“ ist bei der großen Constantin. Schultz will den Film, der im Februar das Panorama der Berlinale eröffnete, weiterhin international auf Festivals bringen. Wenn man ihm zuhört, weiß man, dass er das auch schaffen wird.

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