Kaiserslautern Hören Sie!?

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Wie klingt eigentlich Ludwigshafen? In der RHEINPFALZ-Redaktion hören wir die Glocken des Lutherturms. Wer hier einst als Praktikant anfing und zum Redakteur wurde, sogar jahrelang. Glockenklang ist Stadtklang. Menschen, deren Wohnzimmerfenster zur Ludwigstraße gerichtet ist, lauschen dagegen urbanen Sinfonien der Straßenbahn. Die Menschen im Stadtteil Süd haben es ruhiger. In der Innenstadt bleiben uns typische Straßenmusiker in Erinnerung. In der Regel in schlechter. Aber, zugegeben: Wären sie plötzlich weg, hätte unsere Stadtmelodie eine Pause, eine traurige Leerstelle. „Soundscape“ ist der Fachbegriff für den Geräusche-Mix, der einer bestimmten Umgebung sein akustisches Gewand verleiht. Klänge können Identität stiften. Das sagt auch Thomas Kusitzky. Er ist ein in Berlin ansässiger Klangforscher und beschäftigt sich damit, wie städtische Klangumwelten gestaltet werden können. Dass auditive Aspekte – Fragen der Klangwahrnehmung – bislang in der Stadtplanung kaum berücksichtigt werden, bedauert er und möchte das ändern. Gebaut wird derzeit vor allem nach visuellen Aspekten, nach praktischen – und nach Vorschriften. Davon gibt es auch etliche zum Lärmschutz: Lärmschutzwände, Flüsterasphalt, Tempo-30-Zonen. Kusitzkys Ideen zielen aber nicht darauf ab, Geräusche zu vermeiden, sondern sie bewusst zu steuern; sogar zu nutzen. „Mein Wunsch wäre, dass Klang ein natürlicher Teil des Entwerfens wird“, sagt er. Mit seinem Wunsch liegt Kusitzky im Trend – und gehört gleichzeitig zu denen, die diesen Trend setzen. Mehrere Städte, Kunstprojekte, ja sogar die politische Ebene, haben sich dem Thema bereits angenommen. Im vergangenen Jahr etwa rief das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Aktion „Stadtklang“ aus. Auf einer Internetseite konnte jeder Alltagshörer die Geräusche seiner Stadt hochladen. Entstanden ist eine akustische Landkarte. Deutschland klingt demnach so: Kirchenglocken allüberall, klar. Auf dem Fischmarkt in Hamburg-Altona preist einer seine Ware an. Plattdüütscher Einschlag. In München pfeift ein anderer ein Lied, mittags am Marienplatz. Gänse schnattern im Olympiapark. Auch herrlich ist die Audiodatei mit dem Titel „Möchtegern-Autofahrer parkt und überforderte Mutter schimpft“ aus Oberhausen. An anderer Stelle gibt es im Internet eine Soundmap Regensburg und auch „So klingt Lüneburg“. Es scheint, als würden alle Städte derzeit den verstaubten Soundtrack aus dem Regal kramen. Hatte bislang niemand so richtig bemerkt, dass der da rumliegt. Dass der Klang der Stadt in den vergangenen Jahren populärer geworden ist, erklärt Kusitzky einerseits mit einem stärkeren Umweltbewusstsein, auch die Klangumwelt betreffend. Andererseits leben schlichtweg immer mehr Menschen „in städtischen Umgebungen“. Auch die Wissenschaft wendet sich dem Phänomen zu. An der Universität der Künste Berlin gibt es eine eigene Auditory Architecture Research Unit, also eine Abteilung zur Erforschung auditiver Architektur. Das, was wir hören zum möglichen Ausgangspunkt für Architektur zu machen, ist eine der Ideen. Anhand von Klängen bewerten wir unsere Städte. Auch, wenn das oft nur im Unterbewusstsein passiert. Eine breitspurige Hauptstadtstraße klingt anders, als verwinkelte Gassen im mittelaltergeprägten Städtchen. Auch Karlsruhe hört hin, genauer gesagt das dort ansässige Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM). Seit vergangenem Sommer läuft das Projekt „Next City Sounds“. Ein Teil davon: Sieben Mikrofone stehen an unterschiedlichen Stellen in der Stadt und zeichnen auf, was zu hören ist. Das Ziel ist laut Yannick Hofmann, der als Wissenschaftlicher Volontär am ZKM arbeitet, „die Gesamtheit der Klanglandschaft abbilden zu können.“ Ja und wie klingt Karlsruhe? Die Baustellenklänge seien in den letzten Jahren doch sehr dominant, sagt Hofmann und lacht. Das könne dann schon mal „harsch, kreischend, sägeartig“ klingen. Die Auswertung des Projekts steht aber noch aus. Wobei: Vor allem geht es den Machern um „den Moment der Auseinandersetzung als Selbstzweck“. Will heißen: Das Team freut sich, wenn die Menschen einfach mal wieder bewusst hinhören. „Der Wert des Zuhörens wird in unserer Welt unterschätzt“, sagt Hofmann. Historisch gesehen war es vor allem Steckenpferd der Expressionisten, Alltagsklänge in Kunst, Musik, Literatur einzubinden. Man denke an Zementarbeiter Franz Biberkopf, der, frisch aus der Haft entlassen, „rumm rumm“ die Dampframme „vor Aschinger auf dem Alex“ vernimmt – Alfred Döblin war in seinem 1929 erschienenen „Berlin Alexanderplatz“ ein Künstler des verschriftlichten Klangs. Oder der Komponist Arthur Honegger, der mit „Pacific 231“ ein ganzes Orchesterwerk zu Ehren des Klangs einer Dampflok schrieb. Wir alle leben in Soundscapes, in Klanglandschaften, und überhören sie. Stadtplaner ignorieren oder schätzen sie falsch ein. Kusitzky nennt das Sony Center in Berlin als Beispiel. Im Jahr 2000 eröffnet, war der Platz unter dem Dachzelt als Forum gedacht, als Ort der Begegnung. Heute wuseln dort zwar viele Menschen herum, „aber diese sind auf dem halligen Platz kaum zu hören. Noch überlagert durch das permanente Rauschen von Lüftungsanlagen wirkt der Platz kühl und unnahbar, aber eben nicht städtisch-lebendig“, sagt Kusitzky. „Oft widerspricht der Klang dem, was eigentlich von den Architekten angestrebt wurde“, sagt er. Jedoch heiße auditive oder akustische Stadtplanung nicht, künstlich zu beschallen, wie Kusitzky betont. Vogelgezwitscher in Supermärkten etwa vergleicht er mit einer „akustischen Fototapete“. Etwas, das in arg künstlicher Weise vorgibt, etwas zu sein, was es definitiv nicht ist. Es gehe nicht darum, zusätzlich Klänge zu erzeugen. Stattdessen möchte Kusitzky mit dem arbeiten, was schon da ist. „Wir gestalten bereits den Klang unserer Umwelt, durch die Art und Weise wie wir bauen und unser städtisches Leben organisieren. Aber das geschieht bislang unbewusst. Es ist nicht geplant.“ In gute und schlechte Klänge zu teilen ist schwierig. Was in der einen Situation positiv wirkt, nervt in der anderen. „Im Fußballstadion sucht niemand Stille“, nennt Kusitzky ein Beispiel. Auch wenn es dort eben extrem laut ist. Von Klängen, die das Sozialleben befördern können, spricht Hofmann. Etwa zentrale städtische Plätze, die zwar geräuschintensiv sein können, aber das im Guten. Wenig hört dagegen, wer mit dem Knopf im Ohr durch Straßen schlendert oder aufs Handy starrend durch Einkaufspassagen hastet. Menschen sehnen sich danach, mal nichts zu hören. Doch Stille halten sie auch nicht aus. Es ist schon eine Krux mit uns und den Stadtklängen. Kusitzky und Hofmann möchten ein Bewusstsein für Klänge schaffen. Der eine in der Planerbranche, der andere bei jedem Einzelnen. Da gibt es noch viel zu tun. Hören Sie!? Im Internet www.wissenschaftsjahr-zukunftsstadt.de/stadtklang/startseite.html

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