Kaiserslautern „Ich bin unangefochten der Bandleader“

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Von seinem Schlaganfall 2011 hat sich der im März 65 Jahre alt werdende BAP-Gründer Wolfgang Niedecken bestens erholt. 2016 gilt es, den 40. Geburtstag der Band zu feiern. Wolfgang Niedecken tut dies mit einer am Freitag erscheinenden CD mit dem Titel „Lebenslänglich“. RHEINPFALZ-Mitarbeiter Reinhard Franke hat sich mit Niedecken unterhalten.

Herr Niedecken, „Lebenslänglich“ heißt das neue Album zum 40-jährigen BAP-Jubiläum? Wofür steht der Titel?

Der Titel kommt aus dem Song „Unendlichkeit“. Da singe ich „Lebenslänglich sucht man Zuversicht“. Das ist der gemeinsame Nenner. Ich suche schon mein Leben lang nach Zuversicht. Das klingt aber eher traurig und resigniert. Nicht unbedingt. Ich habe den zuversichtlichsten Moment tatsächlich vor vier Jahren nach meinem Schlaganfall erlebt, als ich wach wurde und wusste, dass alles wieder gut wird. Keiner außer mir wusste es, selbst die Ärzte liefen mit Bedenkenträger-Miene rum, nur ich wusste, es wird alles wieder gut. Keine Ahnung warum, denn ich bin wirklich nicht der zuversichtlichste Mensch auf Erden. Sie haben aber doch ein großartiges Leben, sind seit vielen Jahren glücklich verheiratet, haben viel Erfolg als Musiker und Maler. Das ist auch alles toll und macht mich glücklich. Wenn man sich aber ansieht, wo die Welt hin treibt, dann wird das problematisch mit der Zuversicht. Aber ich habe mich entschlossen, mich nicht unterkriegen zu lassen. Und ich habe mich dafür entschieden, niemals zum Zyniker zu werden oder zu resignieren. Ein Album zum 40-jährigen BAP-Jubiläum. Warum kommt die Zahl 40 gar nicht vor auf dem Album? Ein netter Nebeneffekt war bei dem Album-Titel „Lebenslänglich“, dass ich keine Lust hatte, nur ständig 40 Jahre zurückzublicken. Diese Zahl wollte ich möglichst vermeiden. Falls das jemand schreiben will, ist das okay, aber ich wollte nicht unsere Tour und besonders das Album mit dem Titel „40 Jahre BAP“ promoten. Das wäre mir tatsächlich peinlich gewesen. Es gab zwei schwerwiegende Veränderungen in der Band. Der langjährige Drummer Jürgen Zöller und Gitarrist Helmut Krumminga sind nicht mehr dabei. Das ist so, wie wenn beim 1. FC Köln, ihrem Herzensverein, Timo Horn und Jonas Hector den Klub verlassen würden. Wie schwer wiegen die zwei Abgänge? Das mit dem Jürgen hat sich während der letzten Tour ergeben. Der ist mittlerweile 68, hat vor zehn Jahren nochmals geheiratet und junge Kinder. In seiner ersten Ehe hat er seine Tochter nicht aufwachsen sehen. Die Ehe ist dann auch relativ schnell auseinander gegangen. Er hat mittlerweile ein gutes Verhältnis zu seiner Tochter und auch zu seinen Enkelkindern. Jetzt kam bei ihm das Gefühl hoch, dass es genug ist mit der ewigen Rumreiserei. Seine Kinder sind jetzt um die 10, und die will er aufwachsen sehen. Das kann man einem 68-jährigen Mann nicht verübeln. Jürgen und ich sind nach wie vor beste Freunde und telefonieren mindestens alle zwei Tage. Gerade auch zum Thema Fußball. Wenn Eintracht Frankfurt spielt, denke ich an ihn, und wenn der FC spielt, denkt er an mich. Wir trösten uns dann auch gegenseitig. Helmut Krumminga erwähnen Sie nicht. Warum? Wir haben uns auf eine Sprachregelung geeinigt. Der habe ich nichts hinzuzufügen, außer dass Helmut ein fantastischer Gitarrist ist, den ich jeder Band empfehlen würde. Er ist ungeheuer flexibel, und es hat definitiv keine musikalischen Gründe für die Trennung gegeben. Ich habe überhaupt keine Veranlassung, ihm Steine in den Weg zu legen. Wir haben tolle Sachen zusammen erreicht, aber es ging einfach nicht mehr. Es war zu lesen, BAP sei jetzt keine Band mehr im klassischen Sinn? Natürlich ist BAP noch eine Band, aber ich würde mich nicht mehr auf eine feste Besetzung festlegen wollen. Wir wohnen beispielsweise in drei verschiedenen Städten. Zwei von uns wohnen in Hamburg, zwei leben in Berlin, zwei sind in Köln zu Hause und einer im Bergischen Land. Und es ist einfach sehr schwer, diese ganzen Terminpläne zu koordinieren, weil alle noch in irgendwelchen anderen Projekten spielen, sich aber trotzdem zu BAP als erster Band bekennen. Das alles so zu planen, ist eine Herkules-Aufgabe. Es macht die Sache einfach leichter, wenn ab und zu mal ein Anderer einspringt. Die Kerntruppe bleibt schon. BAP ist die Heimat für die Musiker, die jetzt „Lebenslänglich“ aufgenommen haben. Ich weiß nicht, wie gut das Album ankommen wird, und deshalb kann ich für so eine Tour nicht endlos viele Gigs im Voraus buchen und damit die Pläne meiner Bandkollegen blockieren. Ich kann nicht von ihnen verlangen, dass sie keine anderen Engagements annehmen. Das wäre eine Zumutung. Das ist aber sehr verständnisvoll von ihnen. Ich finde das ganz normal. Das sind lauter angenehme Menschen, mit denen ich da Musik machen darf. Die muss man nicht zum Jagen tragen. (lacht) Ich will keine Mucker, denen alles am Arsch vorbei geht und die denken: „Jetzt spielen wir mal den Kram“. Mit solchen Leuten will ich nicht auf der Bühne stehen. Dafür ist mir das Gefühl für die Musik viel zu wichtig. Ich möchte immer, dass sich alle auf der Bühne mit dem identifizieren können, was sie machen. Sind Sie denn traurig über die Erkenntnis, dass dieses ganz feste Band-Konstrukt wie zum Beispiel bei den Toten Hosen nicht mehr da ist? Nein. Ich bin sogar sehr erleichtert, dass ich diesen Schritt endlich gemacht habe. Ich hätte das eigentlich schon viel früher tun müssen, nämlich bei der letzten großen Umbesetzung, als Leute die Band verlassen haben, mit denen ich seit den frühen 1980er Jahren zusammen gespielt hatte (unter anderem Klaus „Major“ Heuser, Anm. d. Red.). Vor 16 Jahren hätte ich auch die Band wieder in den ursprünglichen Namen „Niedeckens BAP“ zurücktaufen müssen. So hießen wir ganz zu Anfang. Aber damals bin ich leider nicht auf die Idee gekommen. Der Bandname „Niedeckens BAP“ ist jetzt also ganz bewusst gewählt? Ganz genau. Es ist meine Band. Ich bin unangefochten der Bandleader, wenn ich auch nicht der musikalische Mastermind bin. Ich kann nun mal keine Songs arrangieren, und es ist schön, dass „Lebenslänglich“ von zwei Leuten aus der Band produziert wurde. Das war sehr sachdienlich, denn wir haben das ganze Material vom Sound der letzten Tour her entwickelt. Und das Tour-Material war nur eine Fortführung meines Soloalbums „Zosamme alt“. Das, was wir jetzt machen, ist das, was wir auf der Tour gelernt haben, wobei wir jetzt allerdings auch wieder mit elektronischen Instrumenten spielen. Es ist also kein Unplugged-Album. Auch, wenn da Sachen darauf sind, die noch auf mein Soloalbum gepasst hätten. Aber ich fühle mich nicht verpflichtet, jetzt wieder den Hammer rauszuholen, um zu zeigen, dass wir auch ordentlich auf die Kacke hauen können. Ich habe sowieso nicht das Gefühl, dass ich irgendjemandem etwas beweisen muss. So ein Jubiläumsjahr muss ordentlich durchgeplant werden. Da steht einiges an. Können Sie alles wieder gesundheitlich mitmachen? Das ist kein Problem. Dieser dämliche Schlaganfall ist vergessen. Eigentlich war mein Bandscheiben-Vorfall im vergangenen Jahr viel schlimmer. (lacht) Der hat richtig wehgetan. Ich werde den Teufel tun und noch einmal zu schwere Blumentöpfe tragen. Das ist mir im letzten Jahr passiert, als ich den Garten winterfest machen wollte. Gott sei Dank haben wir das auf konservativer Basis hingekriegt. Ich habe ordentlich Reha gemacht, und alles ist gut.

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